Wenn ein aufmerksamer Leser nur den Rahmen von Axel Halbachs Roman „Das Gold der Apachen“ betrachtet, dann könnte es sich chronologisch um die letzte Old Shatterhand Geschichte handeln. Alleine der Rahmen gibt dafür eine Reihe von Anhaltspunkten. In seiner Heimat erzählt Karl alias Old Shatterhand seinem Onkel Friedrich Holunderbusch von seinen Abenteuern im Wilden Westen, als ihn eine Nachricht der Apachen erreicht. Old Shatterhand soll aufbrechen, um aus dem geheimen Versteck Goldnuggets zu holen, mit denen die Apachen einen Anwalt bezahlen müssen, der für ihre Rechte hinsichtlich ihrer Reservate kämpft. Zehn Jahre sind seit Winnetous Tod vergangen und immer noch kennt alleine Old Shatterhand das Versteck der Nuggets in den Bergen. Vorher stellt Old Shatterhand seinem verblüfften Onkel noch vier Westmännern vor, die jeder Karl May Fan bis ins Detail kennt. Sie werden neben einigen wenigen neuen Protagonisten wie Invincible Jim und der Antagonist Deadly Joe diese Reise bis ins dunkle Herz Mexikos bestimmen. Die ausführliche, aber auch sich an den Rand der Parodie bewegende ausführliche Vorstellung von markanten exzentrischen Karl May Protagonisten zu Beginn der Geschichte mag die Stammleser irritieren, aber Axel Halbach entwickelt im Laufe des Plots ein deutlich breiteres, das Schicksal der Indianer generell umfassenderes Szenario.
Am Ende der Geschichte trifft Old Shatterhand wieder auf seinen Verwandten und berichtet von dieser Reise. Am Ende dieser Geschichte fasst Axel Halbach in Person Old Shatterhands nicht nur das Schicksal der Apachen, sondern auch von Geronimo zusammen, der in diesem Bericht eine wichtige Rolle spielt. Am Ende der Geschichte unterstellt Friedrich Holunderbusch seinem Neffen eine blühende Phantasie und die inzwischen dank der indianischen Kräuter fast verheilten Narben könnten auch von Unfällen im eigenen Garten dank der überall wuchernden Wildrosen stammen.
Natürlich ist Old Shatterhand kein Lügner oder Phantast. Natürlich haben sich die Abenteuer auch so abgespielt, aber in Person von Friedrich Holunderbusch wird die kritische Lesermenge vorgestellt, die Karl May alle seine wahren Geschichten glauben wollten, bis die Wahrheit ans Licht gekommen ist. So weit ist es bei Axel Halbach nicht. Dazu ist der Respekt gegenüber Karl May und seinen unsterblichen Schöpfungen viel zu groß.
Aber im Gegensatz zu Karl May setzt Axel Halbach im Laufe der Geschichte nicht nur auf den charismatischen Überhelden, sondern buchstäblich auf Teamwork. Sein Old Shatterhand ist fehlbar. Gegen Ende muss er fast dem Faktor Zufall geschuldet aus einer lebensbedrohlichen Situation gerettet werden, in welche er sich mit erstaunlicher Naivität selbst gebracht hat. An einer anderen Stelle verschätzt er sich bei den Plänen von Deadly Joe und seiner Bande. Alleine der weise Entschluss des Sheriffs von Tucson verhindert einen Erfolg der Banditen.
Vielleicht liegen diese menschlichen Schwächen auch in einer lebensbedrohlichen Situation gleich zu Beginn des Buches. Auf dem Rückweg vom Goldversteck mit ca. 20000 Dollar in Nuggets in den Satteltaschen wird er von drei Banditen unter der Führung von Deadly Joe niedergeschossen, beraubt und in der Wüste liegengelassen. Im Lager der Apachen gab es einen Spion.
Der ehemalige Kartenspieler Invisible Jim rettet den schwer verletzten Old Shatterhand. Jim ist auf der Suche nach seinem Sohn, der sich einer Bande angeschlossen hat. Im nächsten Ort warten die eingangs erwähnten Freunde Old Shatterhands um Sam Hawkins auf das Greenhorn. Sie wissen inzwischen, das Jims Junge sich der Bande von Deadly Joe angeschlossen hat, aber nichts mit Mord zu tun haben möchte. Deadly Joe sucht nach einem Weg, ihn loszuwerden. Old Shatterhand muss versuchen, seine Waffen, sein Pferd und vor allem das Gold der Apachen zurückzuerhalten und Deadly Joe zur Strecken zu bringen. Der steckt aber mit dem örtlichen Sheriff unter einer Decke.
Axel Halbach hat eine Geschichte von rasantem Tempo geschrieben. Beginnend mit dem Überfall auf Old Shatterhand überspannt der Plot drei Hinrichtungen – zwei werden verhindert, eine abschließende Bestrafung ist erfolgreich -, einen Überfall auf eine Postkutsche mit Lohngeldern; eine Flucht nach Mexiko; die Entführung von einer jungen Frau mit ihrem Kind – Axel Halbach greift hier auf Charaktere aus seinem ebenfalls im Blitz- Verlag nachgedruckten Roman „Im Land der Saguaros“ zurück – gipfelt die rasante und für Karl Mays Romane so typische Verfolgungsjagd schließlich in einem abschließenden Konflikt in der Sierra Madre.
Bezeichnend ist für Axel Halbachs Romane, das Old Shatterhand zwar ein legendärer Ruf vorweg eilt, er aber „menschlicher“ ist als bei Karl May. Der Roman wird nicht ausschließlich aus seiner Perspektive erzählt. Durch die wechselnden Erzähler – teilweise dritte Person, dann wieder Ich- Erzähler Old Shatterhand – kann der Autor das Tempo des Buches deutlich höher halten als bei Karl May, der nicht selten Beobachtungen dritter Personen ausführlich in Dialogform beschrieben hat. Die Verfolgungsjagd ist Teamwork. Beispielhaft ist die Befreiung von Invincible Jims Sohn. Jeder aus dem Team hat seine Aufgabe, die minutiös ausgeführt wird. Alleine die Schurken versuchen durch eine Verschiebung der Hinrichtung doch noch die Kontrolle zu gewinnen.
Auch hinsichtlich des Finals wird Old Shatterhand gerettet. Die Szene wirkt wie eine Spiegelung der alten Karl May Geschichten, nur Winnetou ist nicht der Retter. Auf der anderen Seite ist die Egozentrik Deadly Joes alleine der Grund, das Old Shatterhand zweimal die Begegnung mit dem nicht dummen Schurken überlebt. Mit weniger Ego und ein wenig mehr Kontrolle über seine Handlungen wäre „Das Gold der Apachen“ tatsächlich die letzte Old Shatterhand Geschichte und sein Onkel Friedrich Holunderbusch würde nicht lästern können.
Im Gegensatz zu Karl May lässt Axel Halbach Hintergrundinformationen sachlicher und seichter in die Handlung einfließen. Stilistisch deutlich moderner schwingt in dieser Geschichte die Wehmut nach den alten, ungefähr zehn Jahre zurückliegenden Zeiten mit. Der Wilde Westen ist vielleicht noch nicht bezähmt, aber der Vorwärtsdrang des weißen Mannes hat die Indianer nicht nur in die Reservate, sondern inzwischen in naturelle Gefängnisse getrieben. Es gibt noch Schurken wie Deadly Joe, aber sie scheinen aufgrund der besseren Vernetzung auch zu einer aussterbenden Art zu gehören. Die fatalistische Melancholie von Sam Peckinpahs Endzeitwestern „The Wild Bunsch“ – auch hier muss eine Gruppe von Banditen nach Mexiko fliehen, um sich noch einmal final als Helden zu erweisen – erreicht „Das Gold der Apachen“ noch nicht, aber die Euphorie der frühen Karl May Geschichten ist einer Art semirealistischer Realität gewichen.
Neben den bekannten, markanten und exzentrischen Protagonisten hat Axel Halbach bei den in Mexiko spielenden Szenen auf eine Handvoll Charaktere aus einem vorangegangenen Roman zurückgegriffen. Die fiktive Begegnung zwischen Old Shatterhand und Geronimo am Ende des Buches ist voller gegenseitigem Respekt, aber auch der beim Apachen dämmernden Erkenntnis, das er einen verlorenen Kampf führt. Dazu kommen eine Handvoll dreidimensionaler und interessanter Nebenfiguren, die aktiv in die Handlung eingreifen und nicht nur klassische Jasager gegenüber Old Shatterhands Plänen sind. Zusätzlich dürfen sie sogar ein oder zweimal Recht haben.
Dank des hohen Tempos und dem Respekt, den Axel Halbach Karl Mays Figuren schuldet, liest sich „Das Gold der Apachen“ als Hommage und weniger als klassische Kanonfortsetzung ausgesprochen gut. Stilistisch ein wenig modernisiert, aber die Originale nicht gänzlich ignorierend treibt der Autor die Handlung mittels ausführlichen Beschreibungen, aber in einigen relevanten Szenen auch den bekannten langen Dialogpassagen Karl Mays voran. Der Plot weist dank der einzelnen Etappen oder besser Episoden während der Verfolgung Deadly Joes ausreichend überraschende Momente auf.
Natürlich gibt es im Westernstorys nicht unendlich viele Variationen, aber bekannte Szenarien entwickelt Axel Halbach zufrieden stellend weiter. Immer wieder werden die Leser in die Planungen auf beiden Seiten literarisch einbezogen, so dass sie in einzelnen Sequenzen schon frühzeitig erkennen können, das Old Shatterhand nur bedingt richtig liegt. Das erhöht die Spannung, auch wenn Axel Halbach niemals gegen die eisernen Gesetze des Karl May Kosmos verstoßen und Old Shatterhand zum abschließend zweiten Sieger machen würde.
Das Titelbild passt vielleicht nicht unbedingt zu „Das Gold der Apachen“, aber hinter dieser Fassade verbürgt sich einer der besten Wild West/ Old Shatterhand Roman Axel Halbachs, dessen Nachdruck im Blitz Verlag überfällig ist. Die ursprünglich als Privatdrucke veröffentlichten Erstausgaben sind selbst antiquarisch nicht mehr zu erhalten, so dass sowohl die Abenteuer Kara Ben Nemsis als auch die „Im Wilden Westen Nordamerikas“ spielenden Geschichten den besten und billigsten Zugang zu einem der ideenreichsten Epigonen Karl Mays bilden.
Band: 16, Abenteuer-Roman
Seiten: 276 Taschenbuch
Exklusive Sammler-Ausgabe
Preis: 12,95 €
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