Rettungskreuzer Ikarus 55- der Plan der Talithi

Dirk van den Boom

Im Mittelteil seiner "Rettungskreuzer Ikarus" Trilogie zieht Dirk van den Boom das Tempo nicht nur konsequent an, er zeigt, dass einige der Prämissen des Auftaktroman in der beschriebenen Konsequenz nicht richtig gewesen sind. Trotzdem muss sich der Autor den Vorwurf Gefallen lassen, gegen Ende des Taschenheftes wieder auf bekannte Mechanismen zurückzugreifen und wieder eine galaktische Bedrohung in diesem Fall von einem noch lebenden Volk heraufzubeschwören. Sie kann zwar nicht mit dem Wandervirus in ihrer Konzeption verglichen werden, die Auswirkungen könnten ähnlich sein. Es bleibt abzuwarten, wie der Autor das Szenario im abschließenden Band abschließt, aber der Weg insbesondere für Bolden Ira ist kein leichter. Auch in der Gesamtkonzeption von der drohenden Invasion und den eher bemühten Verteidigungsbemühungen bis zur finalen, wenig diplomatischen Lösung durch die Talithi selbst vermisst der Leser noch einen weitergehenden Funken. Haben die Talithi vielleicht selbst provoziert, um ihren nicht von allen Mitgliedern des Volks getragenen Plan umzusetzen? 

 Unabhängig von diesen noch zu beantwortenden Fragen überzeugt Dirk van den Booms Mittelteil auf drei anderen Ebenen. Zum einen ist die Besatzung des "Rettungskreuzer Ikarus" zum Zuschauen verdammt, was die bisherigen Plot Schemata positiv durchbricht und glaubwürdig erscheint. Sie werden aufgefordert, das Krisengebiet zu verlassen, aber vor allem können sie nicht aktiv in das Geschehen eingreifen und wirken nicht wie die Retter in letzter Sekunde.

 Das zweite sind die diplomatischen Verwicklungen. In seinem "Eobal" bzw. "Habitat C" hat sich Dirk van den Boom schon intensiv mit den Irrungen und Verwirrungen jeglicher Diplomatie auseinandersetzt und mit sichtlichem Vergnügen und pointierten Dialogen führt der Saarbrücker diesen Weg im vorliegenden Roman konsequent und zufriedenstellend fort. Neben den offiziellen Verhandlungen sind es die hinter den Kulissen geschmiedeten Komplotte, die Spannung versprechen. Auch wenn es lange Zeit bei eher unbegründeten Drohungen insbesondere der Taslithi bleibt, weiß der Leser nicht zuletzt aufgrund bekannter Genrekonstruktionen, dass hier nicht mit leeren Händen argumentiert und schließlich gedroht wird.      

 Die interessanteste Schöpfung seit vielen Bänden sind die Talithi selbst. Wieder ein altes Volk, das seine natürlich begrenzte Zeit in Frieden, aber in einem rohstoffreichen Gebiet des Universums verbringen möchte. Das Volk ist dreigeschlechtlich, wobei das "Neutrum" erst künstlich geschaffen wurde. Wie die Vuklkanier die Logik als Ventil ihrer Emotionen entdeckt haben, haben die ehemals aggressiven Talithi quasi einen neutralen Schiedsrichter innerhalb des eigenen Volks genetisch erschaffen, der die nach außen gerichtete Aggression in die richtigen, inneren Bahnen lenkte. Dass dabei die geschlechtliche Unterscheidung eher einen äußeren Schein als das Sein ausdrückt, haben schon einige in ihren Augen absolut heterosexuelle Menschen/ Wesen gelernt. Dirk van den Boom gibt sich sehr viel Mühe, die geschlechtliche Entwicklung dieses alten Volkes nicht nur zu beschreiben, sondern in der Gegenwart zu lesen. Auch wenn er am Ende des kompakten und vor allem für den Mittelteil einer Trilogie sehr gut strukturierten Plots die Talithier zu "menschlich" macht. Eine Schwäche, unter der einige der nicht selten interessant angelegten "Rettungskreuzer Ikarus" Romane leiden. Unabhängig von den kleineren Schwächen des vorliegenden Romans beweist Dirk van den Boom wie Irene Salzmann vor ihm, dass das neue "Ikarus" Format mit einzelnen Trilogien immer von einem Autoren geschrieben nicht nur funktioniert, sondern der Serie neue Impulse durch nicht weniger ambitionierte, sondern einfach stringenter erzählte Plots einhaucht. Ein endgültiges Urteil kann erst gefällt werden, wenn die Auswirkungen des Plans der Talithier enthüllt werden, der Weg dahin ist aber von Dirk van den Boom unterhaltsam und phasenweise originell mit gut gezeichneten Figuren beschrieben worden. 

Titelbild: Timo Kümmel

Paperback, ca. 100 Seiten, ISBN 978-3-86402-155-8.