„Das schwarze Schiff“ ist der Abschlussband der „Atlan X“ Trilogie um die Handelsverbindungen zwischen Kreta und dem alten Ägypten. Der Roman stellt schon relativ früh auch gleichzeitig den Abschied von der einzigartigen Insel im Mittelmeer für die Leser und Atlan dar. Mit der nächsten „Tamarin“ Trilogie wird wieder der Blick auf das alte Ägypten und den vorderen Orient gelenkt, wobei interessanterweise eine andere Inselgruppe zum Ziel von Auswanderern wird. Bei den umfangreicheren Atlan X Taschenbücher im Fanpro Verlag hat Hans Kneifel zusammen mit dem Exposeautoren der „Tamarin“ Trilogie Marc A. Herren den geographischen Fokus stetig erweitert. Die meisten der Planetenromane spielten dagegen in einem eng begrenzten Radius.
Wie „Insel der Winde“ beginnt auch „Das schwarze Schiff“ auf dem sehr stürmischen Mittelmeer. Dieses Mal sind es aber nicht die von Atlan mit ausgebildeten Seeleute, welche den Weg nach Kreta suchen, sondern Atlans Lebensgefährtin und eine Handvoll anderer Frauen sind von einem Schmugglerfürsten entführt worden. Sie sollen als königliche Begleitungen im aus einer Vielzahl von Inseln bestehenden griechischen Reich gegen eine fürstliche Bezahlung dienen. Hinter dieser Schmuggleraktion steht eine aus „Lotse im Sandmeer“ bekannte Figur. Atlan hat bei ihr im Auftaktband der Trilogie das erfolgreiche Schmuggeln mittels arkonidischer Technik unterbunden, jetzt hat er sich einen anderen Gelderwerb gesucht. Erstaunlich ist, wie schnell diese Wandlung erfolgt ist. Chronologisch hatte er vielleicht acht Monate Vorsprung, solange hat der Bau, die Bemannung und schließlich das Aussenden der drei Handelsschiffe gedauert. In dieser Zeit soll sich der Erzschurke mit seinem erfolgreichen Entführungsplot zwischen den Inseln etabliert haben? Immerhin ohne Übersetzerin, wie sich Atlan in Form der Waldnymphe rechtzeitig auf Kreta platziert hat. Wahrscheinlich wollte Hans Kneifel wie Karl May eineinhalb Jahrhunderte früher demonstrieren, das Mitleid mit Schurken fehl am Platze ist. Sie kommen zumindest literarisch immer wieder und sorgen für Ärger.
Der Auftakt von „Das schwarze Schiff“ leidet unter dem bekannten Szenario. Leser der Planetenabenteuer wissen, dass Atlans Begleitung erst sehr viel später stirbt. Die gleiche Schwäche weist der Schluss des Buches auf. In „Lotse im Sandmeer“ hat Atlan seinen Zellaktivator verloren und sucht ihn verzweifelt im Sand. Beim vorliegenden Abschlussband wird Atlan verwundet, ein Blutgerinsel bildet sich und schaltet anscheinend auch den Extrasinn aus. Er kämpft weniger mit seinem Leben als seiner geistigen Gesundheit. Es besteht sogar die Gefahr, dass er seinen Zellaktivator verschenkt. Die Suche nach Atlan, seine Genesung durch die Pflege zweier sehr attraktiver Frauen und schließlich dem von Rico mit seinen roten Kriegern organisierten Rücktransport nimmt einen breiten Raum im vorliegenden letzten Buch ein. Wie bei der Entführung von Atlans Lebensgefährtin kann in einem solchen Szenario keine Spannung aufgebaut werden, da jeder Leser weiß, dass Atlan es bei geistiger Gesundheit überleben wird.
Die beiden Eckpunkte des Romans überdecken die zahlreichen Stärken des mittleren Abschnitts. Während sich die Hauptinsel von den Auswirkungen eines schweren Erdbebens erholen muss, macht sich Atlan auf die im Grunde fast unmögliche Suche nach den Entführten. Zu Beginn steht eine Art Inselhopping auf dem Programm, wobei Atlan zum Beispiel den mehreren Dutzend überwiegend Männern auf einer kleinen Insel Hoffnung macht, das auch attraktive Frauen ihren Weg zu ihnen finden werden. An einer anderen Stelle muss er wie bei einer Schnitzeljagd auf die Zeichen im Sand an einem einsam gelegenen Strand achten. Die finale Konfrontation mit dem Schurken vor den brennenden Kulissen und dank der Unterstützung der von Rico ausgeschickten und entsprechend ausgestatteten Androiden ist spannendes Historienkino, in welchem Hans Kneifel nicht nur das richtige Tempo trifft, sondern eine Reihe von Nebenfiguren entsprechend in Szene setzt. Der Leser weiß, wie alles enden wird, aber in diesem Momenten verbindet Hans Kneifel ohne außerirdische Bedrohungen menschliche Geschichte mit der grundsätzlich überlegenen Technik des Arkoniden, die aber nicht immer entsprechend eingesetzt werden kann. Auch Rico und Atlan sind Beschränkungen auferlegt. In dieser Hinsicht sind Transmitter ein wichtiger Aspekt. Im ersten Buch wurde die Waldnymphe zusammen mit einer entsprechenden Ausrüstung nach Kreta transportiert. Der Transmitter wurde dann auseinandergebaut und wichtige Teile vernichtet. Im Abschlussband muss Rico im Eilverfahren Teile für zwei neue Transmitter ins Mittelmeer schaffen. Mittels Schiffen, da ihm kein Transportgleiter zur Verfügung steht. Das wirkt ein wenig bemüht und soll der dramaturgisch schon bis an den Rand der Glaubwürdigkeit überdrehten Szene noch einen besonderen Kick geben, aber zeigt gleichzeitig, das eben nicht alles sofort beim Arkoniden möglich ist.
Verschiedene Themen aus den ersten beiden Büchern der Trilogie rundet Hans Kneifel vor allem auch im längeren Epilog sehr gut ab. So impliziert der Autor, dass Atlan unfreiwillig für das Schicksal Ikaros verantwortlich ist, denn sein Vater Daedalos hat schon an einer Flugmaschine gearbeitet. Inspiriert unter anderem von den fliegenden Augen des Arkoniden. Daedalos ist eine interessante Figur. Wie die Waldnymphe wird er mit einem Teil der arkonidischen Technik konfrontiert. Dabei beschränkt sich Hans Kneifel vor allem auf mechanische Güter. Der ab und zu eingesetzte Psychostrahler bleibt noch ein Geheimnis. Aber Hans Kneifel hat seinen Daedalos als einen aufmerksamen, modern denkenden und vor allem auch mit Erfindergaben ausgestatten Kapitän entwickelt. So ist es nur folgerichtig, dass er später den von Atlan initiierten Wegen in einer Kombination aus Götterglauben und Neugierde folgt. Mit dem bekannten tragischen Resultat für seinen Sohn.
An einer anderen Stelle relativiert Hans Kneifel den Mythos um das Labyrinth von Knosos und den Misos. Dieser will sich nicht mehr jedes Jahr dem bizarren, im zweiten Band der Trilogie ausführlich beschriebenen Ritual stellen und durch das Labyrinth tanzen. Die Entführer der schönen Frauen haben ihm fast unfreiwillig nicht nur eine Idee, sondern auch den entsprechenden Schlüssel gegeben.
Und selbst die ehemalige Sklavin und Waldnymphe findet schließlich einen Mann fürs Leben, der nicht unter Atlans sehr langem und Hans Kneifel folgend sehr männlichen Schatten erstickt.
Neben Hans Kneifel ruhigem, manche sprechen vielleicht von phlegmatischen Schreibstil gehört zu den Stärken nicht nur der hier vorliegenden „Kretas“ Trilogie, sondern allen sechs von Hans Kneifel außerhalb der Perry Rhodan Planetenromane veröffentlichten Atlan Zeitabenteuer die Fähigkeit des Autoren, mit ein wenig im Anhang auch erläuterter dichterischer Freiheit angesichts der noch immer unvollständigen archäologischen Aufarbeitung Kretas ein dreidimensionales Bild dieser Epoche, dieser mystischen Kultur und vor allem dem Leben zwischen dem herausfordernden Meer und der von Erdbeben immer wieder Heim gesuchten Hauptinsel zu erschaffen, das länger als die eigentliche Handlung im Gedächtnis des Lesers bleibt. Stellvertretend sei hier nur das ausführliche Mahl erwähnt, das Rico am Ende des Buches nach der Rettung Atlans den wichtigsten Helden und Heldinnen kredenzt. Hans Kneifel beschreibt das herausfordernde Segeln im Mittelmeer vor allem in Inselnähe genauso ausführlich wie die angesprochenen Tafelfreuden. Selbst bei einem klischeehaften Thema wie der Entführung und teilweise dem Mißbrauch der Sklavinnen – hier muss eine Frau durch das Tal der Tränen gehen, bevor sie abschließend eine neue Bestimmung findet - hat Hans Kneifel mit der Idee, den umliegenden lokalen Herrschern Gespielinnen zu verkaufen und diese damit an sich zu binden, eine interessante Variante gefunden.
Das Tempo der drei Bücher ist unterschiedlicht. „Der Lotse im Sandmeer“ ist eher ein ruhiges Stillleben, in welchem Hans Kneifel allerdings inhaltlich trotzdem interessant die Ausgangsidee eines neuen Handelskontakts etabliert. „Insel der Stürme“ ist wahrscheinlich der am meisten ambitionierte Teil der Trilogie, in dem Hans Kneifel mit Kreta auf der einen Seite die mehrfach angesprochene mystische Kultur inklusiv des nicht ganz den Legenden entsprechenden Minos etabliert, während „Das schwarze Schiff“ mit der langen, aber trotzdem auch episodenhaft und wenig spannenden Verfolgungsjagd die noch in der Luft hängenden roten Fäden eher zufriedenstellend als abschließend überzeugend zusammenfassen sucht. Inhaltlich greift Hans Kneifel manchmal zu sehr in die Klischeekiste und der verschwundene Zellaktivator wie auch die Verletzung Atlans sind eher Versuche, den Arkoniden zu erden, die aber bekanntermaßen nicht in Katastrophen enden oder besser gipfeln dürfen. Da diese Szenen einen teilweise doch breiten Raum einnehmen, verlieren die dreidimensionalen Nebenfiguren, von denen es in dieser Trilogie einige gibt, an Tiefe und vor allem auch vor allem auch an Präsenz.
Positiv ist weiterhin, das Hans Kneifel auf außerirdische Präsenzen oder Manipulatoren von den Sternen verzichtet. Diese Elemente wirkten in einer Reihe der Perry Rhodan Planetenroman Zeitabenteuer aufgesetzt und manchmal hinsichtlich der Auflösung stark konstruiert. In dieser Hinsicht kann sich der Leser zusammen mit dem Arkoniden auf der Suche nach neuen Handelswegen und damit auch dem entsprechend einhergehenden aus dem eigenen Handel selbst initiierten Fortschritt fast schon im nicht selten stürmischen Mittelmeer förmlich treiben lassen.
- Herausgeber : Ulisses Medien und Spiel Distribution GmbH; 1., Edition (1. September 2009)
- Sprache : Deutsch
- Taschenbuch : 304 Seiten
- ISBN-10 : 3890641962
- ISBN-13 : 978-3890641966