„Der graue Mann“ ist nicht nur ein neuer Roman zwischen den Nachdrucken der „Ufo Akten“, sondern der Stammautor von John Sinclair und „Professor Zamorra“ sowie „Maddrax“ Ian Rolf Hill alias Florian Hilleberg.
Für seinen über weite Strecken kurzweilig zu lesenden Roman baut der Autor nicht nur kleine Hinweise auf „Die X- Akten“ ein, sondern greift einzelne Momente aus dem ersten und dem vierten Roman der Neuauflage – nicht wegen des Erscheinungsdatum, sondern der Nummerierung – auf. Das Ende wirkt dagegen hektisch und der Versuch, eine Täuschung durch eine möglicherweise reale Begegnung quasi zu unterminieren, ist weder eine neue Idee noch wirklich abschließend zufriedenstellend ausgeführt.
Zwei Schwestern feiern in New Orleans Silvester. Corona gibt es in diesem fiktiven Universum nicht. Aber im Gegensatz zu einigen anderen Autoren legt der Autor mit dem aktuellen Jahreswechsel 2021/ 2022 den Ausgangspunkt seiner Handlung fest. Nach einer ausgiebigen Feier, bei welcher sie ein UFO sehen und photographisch festhalten, beschließen die Schwester, wenige Tage später auf eine touristische Tour aufzubrechen. Aus dem Internet haben sie sich wegen der Hinweise auf übernatürliche Phänomene das kleine Unternehmen zweier Brüder ausgesucht. Der eine Bruder ist nachts verschwunden. Bei der Tour finden sie sein versunkenes Boot und der andere Bruder will in einem Geisterhaus nach dem Rechten sehen. Vielleicht hält sich der Bruder noch dort auf. Die Schwestern lässt er in der klassischen Gruselatmosphäre – Nacht, Nebel und Sumpf – zurück.
Die erste Hälfte des Romans wird wie bei einigen anderen „Ufo Akten“ lange Zeit von den Nebenfiguren bestimmt. Conroy und Davenport treten erst ab ca. der Mitte des Heftromans auf, nachdem Buzzer ihnen quasi das Archiv internettechnisch aufgeschlossen hat. Einer der ersten Fälle geht um „The Grey Man“. Ian Rolf Hill reicht dem Leser im Essay in der Mitte des Heftromans noch einige ergänzende Informationen nach.
Die zweite Hälfte des Romans ist deutlich actionlastiger. Während Schusswechsel und Gewalt sich bislang bei „Die Ufo Akten“ in einem eher eng begrenzten Rahmen abspielten, lässt es ordentlich krachen. Da wird eine Arztpraxis überfallen und das prägnant beschriebene Ärztepaar ausgeschaltet. Später schießt eine der der beiden entführten Schwestern auf den Täter, bevor sie diesen unabsichtlich, aber cineastisch effektiv ausschalten kann. Auch Conroy versteht bei Gefahr vor allem in Richtung seiner Partnerin wenig Spaß.
In der zweiten Hälfte des Heftromans hat der Leser das unbestimmte Gefühl, als wenn Ian Rolf Hill ein wenig zu viel wollte. Die nicht selten auch nur angedeuteten phantastischen Elemente und die Manipulation der beiden Agenten vor allem durch den theoretisch allgegenwärtigen, aber nur einmal wirklich auftauchenden McKay geraten in den Hintergrund. Auch die Idee hinter dem grauen Mann bleibt ambivalent. Ian Rolf Hill ist aber auch ein routinierter Autor, der nicht zu viel offenbaren will. Im Essay hat er die Theorie zusammengefasst, in seinem Roman gibt es immer wieder mehrere Erklärungen. Abschließend bleiben die Protagonisten natürlich wieder mit leeren Händen zurück. Auch die Leser können wir Mulder und Scully glauben, aber vom Plotaufbau her wirkt manches auch eher zufällig und nicht konsequent genug entwickelt. Die Reaktion des einen Bruders auf das Verschwinden eines erfahrenen Preppers erscheint insbesondere zu Beginn übertrieben. Da versucht Ian Rolf Hill die Leser ein wenig abzulenken, kann aber gegen Ende der Geschichte den Bogen nicht richtig nehmen.
Dagegen besticht positiv die faszinierende Atmosphäre New Orleans auch außerhalb der berühmten touristischen Stoßzeiten; die Beschreibung der fast klischeehaft überzogen gemalten Sumpflandschaften im Süden der USA und das herzliche, aber nicht romantische Verhältnis zwischen Conroy und Davenport.
Wie eingangs erwähnt ist sich Ian Rolf Hill des Serienhintergrunds sehr wohl bewusst und nutzt ihn auf der einen Seiten Zielführend – als Judy Davenport ins MRT muss -, auf der anderen Seite auch Neueinsteigern respektvoll gegenüber.
Im Gegensatz zu einigen zu künstlich aussehenden Titelbildern ist das Cover von „Der graue Mann“ deutlich passender und leitet den stringent, mit einem vielleicht manchmal ein wenig zu hohem Tempo erzählten Plot ausgesprochen gut ein.
Bastei Heftroman
64 Seiten