The Magazine of Fantasy & Science Fiction 07/08 2021

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Sheree Renee Thomas

Sheree Renee Thomas hat sich entschlossen, jede der von ihr zusammengestellten Magazinausgaben mit einigen Worten einzuleiten. Dabei geht sie auch gegenwärtige Probleme wie die Corona Zeit ein. Auch einige der hier vertretenen Autoren haben ihre Geschichten im ersten Lock Down verfasst. Wie Neil Clarke in „Clarkesworld“ greift Sheree Renee Thomas auf eine Reihe von Debütanten zurück, die vor allem New Weird Texte in allen Genres eingereicht haben. Es ist ein schmaler, aber sehr mutiger Grat, auf dem Gordon van Gelder und Sheree Renee Thomas wandeln. Auch wenn „The Magazine of Fantasy & Science Fiction“ in seiner über siebzig Jahre alten Geschichte immer das progressivste der drei großen Magazine geworden ist, sollten sich die beiden Herausgeber mit der leicht veränderten Ausrichtung einen erweiterten Leserstamm schaffen, da vielleicht einige der altgedienten Recken von den thematisch provokanten Storys abgeschreckt werden könnten.

Erstaunlich viele kürzere Texte ziehen in diese Sommerausgabe ein. Trotzdem sind drei Noveletten vorhanden, aber keine klassische Novelle.

Rob Costello unterstreicht mit „Whatever Happened to the Boy Who Fell into the Lake?” die neue Ausrichtung des Magazins. Ein immer wieder mißbrauchter Junge lebt weiterhin bei seinem Vater, als seine Mutter spurlos verschwand. Er spürt eine seltsame Verbindung zu seiner Mutter, aber erst ein altes Märchen offenbart ihm die Zusammenhänge zwischen der Familie, dem Meer und ihrer Legende. Dunkel, verstörend und doch auch zwischen den Zeilen optimistisch ist Rob Costellos Geschichte vor allem auch dank der gut, aber nicht kitschig gezeichneten Charaktere ein exzellenter Auftakt dieser vielschichtigen „The Magazine of Fantasy & Science Fiction“ Ausgabe.

Michael Swanwick ist wahrscheinlich der bekannteste Autor dieser Nummer. „Dreadnought“ beschreibt einen Egoisten, der in seinem Leben niemals Rücksicht auf andere Menschen nehmen musste oder auch nicht nehmen wollte. Ein anscheinend verrückten Priester beginnt ihn zu verfolgen und zu beschimpfen. Ein anderer Mann mit dem bezeichnenden Namen Cthulhu schließt sich nicht nur ein, das Wesen wartet auf ein Zeichen, das die Erde endgültig dem Untergang geweiht ist und das Böse mit dem Regieren anfangen kann. Swanwick ist ein sehr von der Struktur her getriebener Autor, der versucht, die Pointe vor den Lesern zu verstecken. Das geht in diesem Fall zu Lasten der Balance der Geschichte und vor  allem der dreidimensionalen Zeichnung der Protagonisten. Der Leser muss das konstruiert wirkende Konzept akzeptieren und wird vom vielleicht auch in verschiedene Richtungen interpretierbaren, aber auch nicht richtig passenden Titel der Kurzgeschichte abgelenkt.

Bo Balder ist Niederländerin. Tulpen werden immer für einen der ersten Crash in der Geschichte der Spekulation stehen. „Tulip Fevre“ zielt aber in eine andere Richtung. Nach der globalen Erwärmung sind die Niederlande natürlich am meisten gefährdet. Immerhin liegt ein großer Teil des Landes unter Wasser. Sie lebt auf einer der Plattformen und fischt Mikroplastikk aus dem Meer. Besucher geben ihr eine Möglichkeit, ein neues Leben anzufangen, allerdings fühlt sie sich auch ihren Mitbewohnern verpflichtet und sucht/ findet eine perfekte Lösung. Wahrscheinlich hätte die Geschichte als Novelle besser gewirkt. Storys, die auf Plattformen oder Schiffen vor den überfluteten Küsten spielen, gibt es viele. Auch „The Magazine of Fantasy & Science Fiction“ hat einige veröffentlicht. Die Charaktere sind gut gezeichnet, aber der Plot besteht eher aus einer Reihe von Stimmungen denn einer wirklich in sich abgeschlossenen Handlung.

Auch in „Cat Ladies“ von L.X. Beckett geht es um eine Gesellschaft, die aufgrund der globalen Erwärmung mit den wenigen Resourcen vorsichtig umgehen muss. Ein Polizist in einer Wohnmobilsiedlung versucht auf der einen Seite ausreichend Geld zu verdienen, um wieder zur eigenen Familie zurückzukehren, auf der anderen Seite wird sie auf Freunde aufmerksam, die zu Gunsten ihrer Katzen wichtige Lebensmittel umleiten. Natürlich eine schwierige Entscheidung, welche weder die Autorin noch der Leser oder in diesem Fall auch die Protagonistin treffen möchte. Daher wirkt das Ende ein wenig zu pragmatisch, zu sehr auf der Suche nach dem gordischen Knoten, der durchschlagen werden könnte. 

Katzen bzw. eine junge Katze spielt auch die Hauptrolle in „The Penitent“ (Phoenix Alexander). Ein schwuler Mann findet ein junges Kätzchen, das anscheinend böse ist. Die Autorin ist sich auch nicht ganz sicher, die Katze scheint eher vom neuen Besitzer gelangweilt genervt. In einer überraschenden Wendung möchte die Katze schließlich das „Böse“, das sie angerichtet hat, wieder gut machen. Der Plot wirkt ausgesprochen konstruiert und vor allem der Protagonist zu eindimensional und zu klischeehaft als einsamer schwuler Mann auf der Suche nach ein wenig Liebe gezeichnet, als das der Plot überzeugen kann.  

Zu den besten Geschichten der Sammlung gehört „(emet)“ von Lauren Ring. Ein Programmierer in einer dystopischen Welt beginnt sich Gedanken über die Programme zu machen, deren Ziel eine totale Überwachung vor allem der Opposition ist. Ihre Familie ist jüdisch und sie erweckt auf eine einzigartige Art und Weise den Golem bzw. viele Golems zu einem neuen Leben, um der Obrigkeit eine Programm zu geben, das in seiner Perfektion in einem Punkt schließlich imperfekt ist. Jüdische Tradition, eine interessante Protagonistin und vor allem ein perfektes, optimistisches, aber auch realistisches Ende in der „V for Vendetta“ Tradition machen die Geschichte zu einem nachdenklich stimmenden Lesevergnügen.

In den Bereich der Weird Fiction passt „And for My Next trick, I Have Disappeared” von Chimedum Ohaegbu, einer weiteren Debütantin. Die Protagonistin schläft immer wieder im Bus zur und von der Arbeit ein. Anscheinend „frisst“ der Bus mit jeder Fahrt ihre Emotionen und Gedanken, bis sie schließlich einen Weg findet, sich wieder von der Maschine zu befreien. Das funktioniert, in dem sie sich intensiver nicht nur mit ihrem Leben, sondern auch ihrer Vergangenheit auseinandersetzt. Wahrscheinlich wird der Text experimenteller aufgelegte Leser erfreuen, die in jedem Absatz, in jedem unvollendeten Satz eine Deutung suchen. Aber generell entwickelt sich die Story nach einem interessanten Auftakt in verschiedene Wege, ohne wirklich dem Leser anzudeuten, wohin die Autorin wirklich ihre gebrechliche Figur führen möchte.

Das es aus fast klischeehaften Thema noch etwas Neues zu holen gibt, zeigt „How To Train Your Demon“ von Lisa Lacey Liscoumb auf, eine weitere Debütantin. Eine ältere Dame beschwört einen Dämon, der ihr bei der Hausarbeit helfen soll. Anfänglich verblüfft und mit Kakao/ Keksen bezahlt entwickelt sich eine intensive und vor allem respektvolle Freundschaft, die wegen ihres Stiefsohns kurzzeitig auf die Probe gestellt wird. Schöne Dialoge, gut gezeichnete Charaktere, auch wenn der eigentliche Handlungsbogen vielleicht nicht unbedingt wirklich originell ist.

Zu den kürzesten Texten gehört Pyra Chands „Woman, Soldier, Girl“. In einem Steampunk Indien nach einer Niederlage gegen die Briten muss die ehemalige Soldatin als Dienerin für eine britische Familie arbeiten, ihren Hintergrund als Soldatin genauso verstecken wie ihre noch vorhandene Ausrüstung. Die Geschichte ist für den ambitionierten Hintergrund zu kurz und vor allem die Charakterisierung bleibt oberflächlich. In einer Novelle oder vielleicht sogar einem Steampunk Roman könnte Pyra Chands vor allem den gut gezeichneten kulturellen Hintergrund in einen besseren Einklang mit dem Plot bringen.

In S. Cameron Davids „Bridge for Sole” ist der Titel Programm. Der Leser ahnt das Ende schon. In einer Kneipe nimmt einer der Gäste den Mund zu voll, in dem er proklamiert, er kann die Brooklyn Brücke verkaufen. Sein Angebot wird angenommen. Auch bei Paula Keanes „Picass-O-Matic“ ist der Titel Programm. Wieder handelt es sich eher um eine Miniatur. Ein auf Plastikchirurgie programmierter Roboter nimmt seine Arbeit zu ernst und versucht, die Gesichter seiner Patienten auf eine ungewöhnliche Art und Weise zu verfeinern. Sehr zum Unwillen des Chefs, aber vor allem auch der Patienten. Maia Brown- Jacksons „Minotaur“ reiht sich nicht nur in die Phalanx von Debüts ein, sondern ist ein weiterer sehr kurzer Text. In einem Labyrinth begegnen zwei Mädchen schließlich dem legendären Minotaur. Der Hintergrund der Legende ist kompakt zusammengefasst, aber der Plot eher rudimentär entwickelt.

Zwei Geschichten könnten dem Beruf des Horrors zugeordnet werden. Rowan Wren erzählt in „Perdition“ eine Liebesgeschichte. Die Tochter des Teufels wird auf die Erde geschickt, um aus der Heimat der Menschen eine bessere Hölle zu machen. Sie ist auf einem guten Weg, bis sie sich verliebt.

Tato Navarete Diazs „Mama Chayo`s Magic Lesson“ besteht aus einer Rahmenhandlung, in welcher der jungen Hexe vom Schicksal ihrer Großmutter erzählt wird. Sie lernt, dass auch bei Hexen reiner Egoismus nicht funktioniert.

Im Vergleich zu einigen anderen Texten dieser Ausgabe sind die Protagonisten überzeugend gezeichnet worden. Die Autorinnen schwingen zwar die moralische Keule, aber ihre Plots sind stringent erzählt und vor allem trotz der vertrauten Versatzstücke schwungvoll entwickelt.    

Generell ist die Präsensation von derartig vielen Newcomern und Debütanten ist zweischneidiges Schwert. Nicht alle Autorinnen und Autoren erreichen die notwendige Qualität und manchmal hat der Leser das unbestimmte Gefühl, als wenn Stimmungen wichtiger sind als abgerundete Plots. Aber auch die etablierten Autoren wirken mit ihren Geschichten ein wenig unentschlossen, so dass der Sommer der neuen literarischen Entdeckungen nicht die volle Stärke erreicht.  

Daneben finden sich die üblichen Buchrezensionen von Charles de Lint und Michelle West, eine Kuriosität am Ende des Magazinausgabe; David Skal rezensiert zwei Fernsehserien und Arley Sorg kümmert sich in seiner neuen Kolumne um die Zahlen. Das Titelbild ist für Michael Swanwicks Geschichte gemalt worden und drückt darüber hinaus die Ambivalenz dieser Ausgabe mit teilweise sehr guten, emotionalen Geschichten und einer Handvoll Experimente, in denen die Autoren eher mit sich selbst als ihren Plots ringen, sehr gut aus.