Raumschiff aus der Steinzeit

Rainer Fuhrmann

Rainer Fuhrmanns Roman „Raumschiff aus der Steinzeit“ ist wahrscheinlich eine erste längere Arbeit. Sie erschien aber als sein zweiter Roman. Viele ordnen die Geschichte der DDR Präastronautik zu, die vor allem von den Werken Carlos Rasch „Der blaue Planet“  und dem Gegenentwurf Alexander Kröger „Sieben fielen vom Himmel“, aber auch zwei Romanen Günther Kurpkats und schließlich den ins märchenartige übergehenden Geschichten Weitbrechts. Aber Rainer Fuhrmann „Raumschiff aus der Steinzeit“ lässt sich aus einem Grund nicht mit den angesprochenen Arbeiten verbinden. Präastronautik bedeutet ja vor allem, dass Menschen aus früheren Epochen mit auf der Erde gelandeten Außerirdischen in Kontakt gestanden und die menschliche Geschichte oder auch nur Evolution beeinflusst haben. Das ist in dieser Mischung aus Professor Quatermass und H.G. Wells nicht der Fall.

Durch einen Zufall entdecken Forscher durch die ungewöhnliche Reflektion im Boden die Reste eines Raumschiffs, das vor mehr als zweihundertfünfzigtausend Jahren auf der Erde über Australien abgestürzt ist. Die Untersuchung zeigt eine Reihe von Besonderheiten, auf denen Rainer Fuhrmann die abschließende Erklärung aufbaut. Ohne zu viel zu verraten beginnt sich der Autor im Laufe der Handlung mehr und mehr hinter in der Theorie gedankenschweren Spekulation zu verkriechen, die objektiv betrachtet nur bedingt Sinn machen. Aber bis dahin ist es ein weiter Weg.

An Bord wird auch ein seltener Käfer gefunden. In Rainer Fuhrmanns Vision ist der Mars von Menschen unter unwirtlichen Bedingungen besiedelt worden. Auch dort hat man entsprechende Käfer gefunden. Daher liegt der Schluss nahe, dass die Fremden vielleicht auch den Mars besucht haben und von dort zur Erde geflogen sind.

Es wird ein Team von Spezialisten auf der Erde zusammengestellt, das ihre Untersuchungen auf dem Mars fortführen soll. Eines der Teammitglieder möchte aber heimlich auf dem Mars nach seinen in der Wüste verschwundenen Vater suchen. Einziger Anhaltspunkt ist ein altes Videoband.  Die Obsession des Mannes mit dem Schicksal seines Vaters ist allen bekannt.  Daher verwundert es, dass man ihn auf den Mars schickt, zumal er über keine einzigartigen Fähigkeiten verfügt. Grundsätzlich ist er ausreichend qualifiziert, um an der Mission teilzunehmen, er ist aber kein einmaliger Spezialist. Auf dem Mars entwickelt sich die Handlung dann auf einem Jugendbuchniveau ohne viel über Logik oder Disziplin nachzudenken. Schnell wird eine mögliche Unfallstelle durch einfaches Beobachten der Landschaft identifiziert. Alleine das Ausschlussverfahren von ungeeigneten geht so schnell vonstatten, dass sich der Leser unwillkürlich fragt, warum es die Anderen nicht schon vor fünfzig Jahren geschafft haben.

Natürlich wird ohne Absprache in die Wüste aufgebrochen. Natürlich bringen sie sich nicht nur in Gefahr, ein Kollege lässt sich ebenfalls vom unendlich erscheinenden roten Treibsand einsaugen und folgt so dem vaterlosen Suchenden in eine im Grunde tödliche Gefahr. Sie müssen darauf vertrauen, dass das entsprechende Gerät relativ schnell zu ihnen und damit auch in Position gebracht wird. Rettungseile oder Seilwinden an den durchaus vorhandenen Fahrzeugen sind zumindest in diesem Roman unbekannt.

Aber die letztendlich erfolgreiche Suche nach dem Leichnam nicht nur des Vaters, sondern der ganzen Expedition  führt wieder nicht nur zu einer, sondern zwei Begegnungen mit den Hinterlassenschaften der Fremden.

Anschließend teilt Rainer Fuhrmann im Grunde die Handlung auf. Einen weiten Raum nehmen die zwischenmenschlichen Beziehungen der Teammitglieder ein. Dabei bedient sich der Autor neben der Obsession des wichtigsten Protagonisten der Sehnsucht der Wissenschaftlerin nach ihrem Kind und vor allem einem ruhigen Arbeiten. Das gipfelt in Aussagen, ich verzeihe dir das nie und dem Ausweisen an der starken Schulter in einem einzigen Satz. Nachdem Leichtsinn die Arbeit von wahrscheinlich Jahren auf einen Schlag vernichtet hat. Die Beziehungen gipfeln in einem kleinen Happy End, die Faszination des Alls und seiner Geheimnisse weichen schließlich einer glücklichen Beziehung. Das hat aber auch mit der Tatsache zu tun, dass die Forscher einsehen müssen, die Grenzen des Wachstums sind erreicht. Die Fremden sind der Menschen technisch auf der einen Seite unheimlich überlegen, intellektuell aber zumindest sehr naiv, was ja nicht nur zu ihrem Grund führte. Auch die Marsianer aus H.G. Wells Roman „Krieg der Welten“ sind ja in erster Linie an über das technische Niveau hinausgehender mangelnder Vorbereitung gescheitert.

Die Idee greift Rainer Fuhrmann wieder auf und zeigt nachdrücklich von Beginn an, dass sich die Fremden um Viren oder Infektionen nicht gekümmert haben.  Ob das für ein Buches aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch aktuell sein darf, muss der Leser selbst entscheiden. In einem zufriedenstellenden Tempo führt Rainer Fuhrmann die Leser von Australien über den Mars schließlich weiter ins Sonnensystem hinaus, wo die Kälte des Alls einige Hinterlassenschaften der Fremden gut erhalten hat. Aber viele der Szenarien hat man schon in unendlich vielen anderen Geschichten gelesen. Rainer Fuhrmann kann im Gegensatz zu seinen späteren Büchern dieser bekannten Story keine neuen Impulse geben und vor allem bleibt abschließend bis auf das Verschwinden der Außerirdischen und ihre kryptische, die grundlegende Situation nur verzerrt und naiv wiedergebende Warnung an die Heimat alles offen.  Mit dieser Vorgehensweise macht es sich der Autor zu einfach und unterminiert die vor allem zu Beginn effektiv geschriebenen Szenen.

Der Titel ist in mehrfacher Hinsicht irreführend. Es handelt sich weder um archaische Technik, die Steinzeitmänner vor vielen Jahrzehntausenden entwickelt haben noch steht der Fund direkt oder indirekt in einem Zusammenhang mit der menschlichen Evolution. Daher sollte der Leser den Titel nur als eine Art Zeitangabe nehmen. Das Raumschiff ist vor ungefähr 250.000 Jahre auf der Erde notgelandet. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Weiterhin irritiert, dass es doch den Menschen nur bedingt ähnliche Rasse über eine Technik verfügt, deren Hinterlassenschaften die Menschen/ Forscher relativ schnell und zügig untersuchen und analysieren können. Vor allem die Hinweise auf eine Station, Basis im Sonnensystem werden nach dem Zufallsprinzip gefunden und extrapoliert. Anschließend unterbricht Rainer Fuhrmann den Handlungsbogen und führt den Plot in den Tiefen des Alls fort. Genau wie die Reise zum Mars zu Beginn des Buches konzentriert sich der Autor weniger auf die allumfassende Technik oder erläutert Hintergründe, sondern stellt die Leser vor Tatsachen. Dadurch wirkt das Buch an wichtigen Stellen oberflächlich und sprunghaft.

„Das Raumschiff aus der Steinzeit“ ist wie angesprochen ein höflich gesprochen solider Roman eines der interessantesten und am meisten zeitlosen SF Autoren der ehemaligen DDR, welches vor allem mit dem programmatischen, aber auch falschen Titel punktet und dem Subgenre der außerirdischen Hinterlassenschaften vor allem im direkten Vergleich wie früher entstandenen Arbeiten – siehe Strugatzkis „Stalker“ – nicht viel hinzufügt.