In 80 Jahren um die Welt

Karla Weigand & Rainer Schorm

Zum 80. Geburtstag haben Rainer Schorm und Karla Weigand dem Herausgeber, Autor, ZDF Redakteur und inzwischen auch Musiker einen umfangreichen Jubiläumsband geschenkt. Nach einer Veröffentlichung im EDFC zu seinem 60. Geburtstag und den Memoiren/ Erinnerungen  "Abenteuer Literatur" im Verlag Dieter von Reeken rundet dieses empfehlenswerte Buch den Blick auf eine der wichtigsten Persönlichkeiten der Nachkriegs Science Fiction in Deutschland mehr als zufriedenstellend ab.

Rainer Schorm und Karla Weigand würdigen in ihrem gemeinsamen Vorwort nicht nur die stetige Vielseitigkeit Jörg Weigands, sondern versuchen kurz dessen Bedeutung vor allem auch für die deutschsprachige Science Fiction Kurzgeschichte zu umreißen. Thomas Le Blanc wird dieses Thema in seiner sehr persönlichen Würdigung wieder aufnehmen, während Karla Weigand den Inspirator und Motivator Jörg Weigand in den Mittelpunkt ihrer liebevollen „Dankesrede“ stellt.  

Andere Mitarbeiter wie Rainer Erler, Dr. Andreas Schäfer oder Herbert W. Franke danken eher allgemein, wobei Herbert W. Franke zusammen mit Susanne Päch deutlich macht, dass auch im Alter ein kreativer Mensch an sich neue Seiten entdecken kann. Das Komponist und Texter Jörg Weigand hat es in dieser Hinsicht positiv dem Anthologieherausgeber Jörg Weigand kräftig gegeben, wie auch der Romancier unterstrichen hat, dass es mehr als Kurzgeschichten im Schaffen des ehemaligen Bonner Journalisten gibt.

Andere Beiträge punkten vor allem durch ihre Originalität. Karl- Ulrich Burgdorf untersucht etymologisch Jörg Weigand zwei Vornamen und seinen Nachnamen. Auch wenn Jörg Weigand nicht so kriegerisch ist, wie die Namensnennung impliziert, ist er doch, wie der Autor unterstreicht, immer ein entschlossener Kämpfer für die Sache gewesen.  

Hans- Dieter Furrer schreibt mehr über die sechziger Jahre in Paris. Jörg Weigand und Hans- Dieter Furrer waren im gleichen Jahr in der französischen Hauptstadt und könnten sich sogar begegnet sein.   Auch Dietmar Kuegler spricht über „Eine lebenslange Freundschaft!“, die mit einem eher kritischen Beitrag fürs ZDFs begonnen und mit jährlichen Besuchen auf Föhr noch kein Ende gefunden hat. Herbert Kalbnitz setzt an seine Laudatio zum 60. Geburtstag – der Band erschien beim EDFC – an und  fasst zwanzig Jahre mit wenigen, dann aber pointierten Stichworten zusammen.

Über die Jahre hat Jörg Weigand nicht nur mit vielen Verlagen, aber vor allem später Kleinverlagen positiv zusammengearbeitet und damit unterstrichen, dass es ihm immer um das Thema und weniger das reine Geldverdienen ging. So für den EDFC Gustav Gaisbauer, während dessen Frau Roswitha noch einige persönliche Anmerkungen hinzufügt.

 Dieter von Reeken beschreibt, wie die Zusammenarbeit mit seinem Verlag zu Stande gekommen ist. Karl Jürgen Roth greift mit „Erotisch- pornographische Taschenbuchreihen“ einem Thema vorweg, mit dem sich Jörg Weigand wahrscheinlich 2021 publizistisch beschäftigt. Der Sittenroman im Fokus der Bundesprüfstelle.

Aber informativ und anscheinend Jörg Weigands bestimmte, aber auch herzliche Art unterstreichend sind die Anmerkungen von heute bekannteren Autoren wie Iny Klocke & Elmar Wohlrath oder Marianne Labisch. Alle drei berichten über Jörg Weigand als Motivator und Inspiration, nicht nur den Status Quo zu akzeptieren, sondern sich auch kontinuierlich weiterzuentwickeln. 

Hans Jürgen Kuglers  „Der Standhafte“ beschreibt, wie Jörg Weigand ihn quasi als Leser zurück zur Science Fiction, weil er einen Betrag für seine Zeitung über einen in die Gegend gezogenen Autoren, Herausgeber und ehemaligen ZDF Redakteur schreiben sollte.  

 Mit der Bandbreite des Weigand´schen Werkes setzen sich einige Autoren auseinander. Franz Schröpft streift durch die Welt seiner Sachbücher mit einem Schwerpunkt auf dem Leihbuch, während Udo Weinbörner mit „Der Erzähler im Raumschiff der Generationen“ auf die pointierte Kürze seiner Geschichten bis hin zu zwei Gedichten eingeht. Allerdings übersieht der Autor, dass Jörg Weigand in der Zwischenzeit auch einen dreihundert Seiten umfassenden Science Fiction Frauenroman mit Dinosauriern, unheimlichen Brücken und schließlich auch einem bizarren Ende unter Pseudonym veröffentlicht hat.

Auf den Herausgeber und Anthologisten Jörg Weigand gehen nicht nur Jürgen vom Scheidt, sondern auch Rainer Schorm in seinem zweiten Beitrag „Das Jade-Ei, Teil zwei: ausgeblasen“ ein. Auch Uschi Zietsch spricht über nicht nur einige Treffen beginnend auf der Buchmesse und endend bei der Herausgabe einer Anthologie.

Einige der Gratulanten haben auf Geschichten zurückgegriffen. Kai Riedemann eröffnet den Reigen mit „Ach, wie gut, dass niemand weiß…“ Der Bezug ist eine Arbeit von Jörg Weigand; der Plot natürlich an dem entsprechenden Märchen orientiert und die Auflösung nur ein wenig komplizierter, als es die daytradenden Heinzelmännnchen sich vorstellen können.

Auch Monika Niehaus „Die grüne Fee“ nimmt im Grunde nur die Idee der Scherenschnitte auf und erzählt kurzweilig die Begegnung eines jungen Künstlers mit einer älteren Muse und die anschließende Obsession mit einem besonderen Bild.

Gisbert Haefs „Duftmarken“ greift auf einem alten vertrauten Charakter zurück. Vor vielen Jahren erschienen eine Reihe von Abenteuern des Mungo Carteret in der Edition Phantasia. Diesem Kosmos fügt der Autor einen neuen Text hinzu. Carterets Cousine ist auf einer Randwelt quasi verschwunden, als sie seltene Dokumente in einem lange verschütteten Archiv untersucht. Die Besonderheit der Bedrohung und die abschließend dann allerdings konsequente Auflösung machen den Reiz dieser in einem gefälligen Stil geschriebenen und über einen exzentrischen Jack Vance würdigen Charakter verfügenden Geschichte aus.   

Rainer Schorm präsentiert als Hommage eine Meister Li Miniatur. Verklausuliert,  verspielt, intellektuell stimulierend ist „Meister Li und das Jade-Ei“- Sabine Frambach und Kai Focke lassen in ihrer Miniatur „Drachensucher“ den Protagonisten ein bestimmtes Haus in Wetzlar aufsuchen, um Drachen zu finden.

Peter Mathys „Ameisen“ ist eine der längsten Geschichten dieses Jubiläumsbandes. Eine First Contact Geschichte mit intelligenten Ameisen aus dem Tiefen des Alls auf der Suche nach einer neuen Heimat. Der Autor gibt sich Mühe, die Insekten vor allem sympathisch zu zeichnen, wobei der Pointe sich relativ frühzeitig abzeichnet und der Autor in der stilistisch allerdings sehr ansprechenden Geschichte abschließend nur im Detail neue Facetten der bekannten First Contact Thematik hinzufügen kann.

Karla Weigands „Je später der Abend“ ist auch eine der Storys, die vergnüglich zu lesen sind, aber außerhalb dieses Bandes wahrscheinlich zu wenig originell erscheinen. Am Abend seines neunzigsten Geburtstags erhält ein Schriftsteller einen besonderen Besuch und muss einen entsprechenden Pakt abschließen.  Aus dessen Vorgehensweise lässt sich das Ende schnell erkennen.  

Dagegen geht Karl Ulrich Burgdorf in seinem zweiten Beitrag „Mekong“ nicht nur auf eine wahre Begebenheit ein, sondern erläutert oder besser impliziert eine Möglichkeit, wie Jörg Weigand Vampirroman seinen Platz auf einem der Dampfer gefunden haben könnte, welche den Mekong entlang schippern.  Damit hebt sich der Münsteraner Autor positiv aus der Masse vieler kurzer Texte hervor, deren Bezug zu Jörg Weigand eher vage ist.

Jan Osterlohs „Oppa“ lässt zwischen den fast anarchistisch agierenden Heinzelmännchen als Untermieter Jörg Weigand in seinem ehemaligen Hauptberuf, als ZDF Redakteur, auftreten.  Auch Katja Göddemeyers „Für Jörg Weigand und all die Unbeugsamen dieser Welt“ nimmt sich dessen journalistische Tätigkeit zum Thema. Bernd Schuh spricht in „Der Raum der Erkenntnis“ die musische Seite des Multitalents an, in dem er ein besonderes Konzert vorstellt, in dem mehr und mehr die Technik den Menschen beherrscht und es nicht mehr alle auf die Schönheit des Klangs ankommt.  

Helmut Ehls „Dickes Papier 2.0“ geht auf die einzelnen Themen ein, mit denen sich Jörg Weigand als Sammler und Sekundärbuchautor auseinandergesetzt hat. Das E- Book als moderne unabdingbare Variante des Leihbuchs ragt dabei aus dieser sympathischen Miniatur positiv heraus.

Zwei Gruselgeschichten von sehr unterschiedlicher Art und Weise leiten zu den besten Texten der Anthologie aus dem Bereich der Science Fiction über. Paul Felbers „der Baum“ ist ein Nachdruck. Eine Hommage an Algernon Blackwood, aber auch von Jörg Weigand im Hintergrund motiviert, steuert die Geschichte zu schnell auf ihren Höhepunkt zu. Rene A. Raischs „Wellegang“ besticht nicht nur durch das liebevolle wie authentisch recherchierte Lübeck mit seiner langen Geschichte, der Protagonist erweist sich auch als Gourmet. Das seltsame Phänomen um das Rettungsboot der Pamir wird stimmig beschrieben, auch wenn der Leser das Ende ahnen kann. Vor allem, wenn er sich mit der Seefahrt im Allgemeinen und der Pamir im Besonderen nur ein wenig auskennt. Aber die Atmosphäre ist stimmig, die einzelnen Aspekte passen gut zusammen und indirekt agiert der Protagonist wie wahrscheinlich es Jörg Weigand auf seinen Recherchereisen getan hätte.

Frank G. Gerigks „Barsoom- 11“ ist eine überdrehte Science Fiction Geschichte über seltsame Erfindungen, Spionage und einen Antihelden, der über sich hinauswachsen muss, auch wenn die Verwendung eines marktreifen Prototyps zur Abwehr des Spions ein wenig zu viel des Guten erscheint. Aber der Autor findet die richtige Balance zwischen vor allem verbalen Slapstick Humor und einzelnen Actionszenen.

Ruben Philipp Wickenhäusers „Das Gesetz!“ bürgt in seiner Grundidee eine Menge Sprengstoff, aber die Idee ist zu fokussiert auf Politiker. Angeblich gibt es in der Zukunft ein Gesetz, das Politiker für ihn Handeln verantwortlich machen sollen. Das reicht bis zum Selbstmord, wobei einige Politiker diese Tat auch willig durchführen. Aber der Autor denkt mit seiner Idee ein wenig zu kurz. Theoretisch ist die Ausformulierung des Gesetzes auf alle Bereich des öffentlichen und privatwirtschaftlichen Lebens anwendbar, was zu Chaos führen würde. Auch müssen die zu bestrafenden Taten einwandfrei definiert werden. Dadurch fallen zu viele graue Bereiche durch das Raster, was wiederum die Ausgangsbasis des Gesetzes unterminiert.

Eine der besten Kurzgeschichten bis zum ein wenig zu ambivalenten Ende ist Werner Zilligs „W. und die Zeitmaschine“.  Auf einem Schloss steht eine Zeitmaschine. Jeder kann sich dort anmelden und sowohl in die Vergangenheit als auch die Zukunft reisen. Es werden kleine Gruppen gebildet. Der Schlüssel ist quasi eine monatelange Vorbereitung in Form von Kurzgeschichten, welche die Teilnehmer schreiben müssen. Eine der Initiatoren macht anschließend daraus einen Roman. Lange Zeit in einem träumerischen Stil geschrieben mit exzentrischen, aber trotzdem lebendigen Charakteren entwickelt der Autor ein Feuerwerk von Ideen und schenkt dem Zeitreisegenre bis zum verträumten Ende eine neue Perspektive.

Wie wichtig Jörg Weigands Forschung für die Geschichte des Genres ist, zeigt Dr. Walter Göddens „Wie Jörg Weigand die westfällische SF- Forschung beflügelte“. Unabhängig von der Tatsache, dass die Lektüre dieses Beitrags eine Reihe von unbekannten Büchern streift, die eine neue Entdeckung wert sind, zeigt der Autor auf, wie schwierig und doch erfüllend zu gleich es sein kann, ein im Grunde obskures Thema vielschichtig aufzubereiten und als Ausstellung zu präsentieren.

Durch die ausgeglichene Mischung von thematisch vielschichtigen und vor allem auch inhaltlich überzeugenden Kurzgeschichten sowie vielen persönlichen, ohne ins von Jörg Weigand wahrscheinlich gehasste Kitschige verfallenden sekundärliterarischen Beiträgen ist „In achtzig Jahren um die Welt“ nicht nur eine ideale Ergänzung zum antiquarisch kaum noch zu erhaltenden Jubiläumsband anlässlich des 60. Geburtstag, sondern vor allem auch zum erst 2018 veröffentlichten Memoirenband „Abenteuer Literatur“ .  Die Mannigfaltigkeit der Interessen Jörg Weigands; seine vielschichtigen aktiven wie hinter den Kulissen „passiven“ Einflüsse und seinen Optimismus, immer wieder etwas Neues anzupacken und nicht in Ehrfurcht zu erstarren werden in den vielfältigen Beiträgen gut umrissen und  eindrucksvoll zusammengefasst. Ein mehr als würdiger Jubiläumsband für ein Urgestein der deutschen professionellen Science Fiction Szene.   

Karla Weigand & Rainer Schorm (Hrsg.)
IN 80 JAHREN UM DIE WELT
Jörg Weigand zum Jubeltage
AndroSF 134
p.machinery, Winnert, 21.12.2020, 288 Seiten, Paperback
ISBN 978 3 95765 223 2 – EUR 15,90 (DE)
E-Book: ISBN 978 3 95765 873 9 – EUR 7,99 (DE)

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