Arthur C. Clarkes Roman „The Deep Range“ verbindet die Liebe des inzwischen seit einigen Jahren auf Sri Lanka lebenden Briten mit dem Meer, aber auch einem Auge für die Gefahren der Raumfahrt. Der Roman scheint aus drei unabhängig voneinander, aber gut miteinander verbundenen Novellen zu bestehen. Es gibt zwei deutliche Hinweise auf die Expansion des Menschen im Sonnensystem. Zum Einen ist der Mars besiedelt, wobei eine regelmäßige Raumfahrt vor allem den Menschen Hindernisse in den Weg stellt. Walter Franklin hat Familie auf dem Mars, aber nach einem Unglück im All ist er gesundheitlich nicht mehr in der Lage, zum Mars zurückzukehren. Diese Idee wirkt ein wenig bemüht, denn medikamentös eingestellt oder sogar im tiefen künstlichen Koma wäre ein abschließender Flug möglich. Seine auf dem Mars geborene Familie kann nicht auf der Erde überleben.
Im letzten Drittel des Romans beginnen die Menschen die Venus zwar noch nicht zu besiedeln, aber für den Menschen nutzbar zu machen. Auch wenn die Beschreibungen beider Planeten vor allem für einen utopisch- technischen Roman aus Arthur C. Clarkes eher ambivalent, als dem damaligen Wissensstand entsprechend sind, dienen sie vor allem als Katalysatoren für die auf der Erde spielenden Ereignisse.
Auch hier zeigt Arthur C. Clarke ein futuristisches wie gleichzeitig auch archaisches Bild. Das die Züchtung von Walen und deren Schlachtung viele Probleme der menschlichen Bevölkerung heilen sollen, erscheint befremdlich. Vor allem weil schon in den vierziger und fünfziger Jahren sehr viele „Ersatzstoffe“ gefunden und kostengünstig hergestellt worden sind und die Waljagd sich vor allem auf den asiatischen Raum beschränkte. Da helfen auch die Anspielungen vor allem natürlich auf Melville „Moby Dick“ wenig. Aber Clarke braucht diese Ausgangsbasis im letzten Abschnitt, um neue Wege aufzuzeigen, die vor allem durch den Starrsinn der Politiker blockiert werden, bis eine heldenhafte Aktion auch ihnen indirekt die Augen öffnet.
Das wirkt ein wenig naiv beschrieben und erscheint eher für ein jugendliches Publikum verfasst, das sich an den Schlagwörtern entlang hangelt, um das Gefühl für eine bessere Welt zu erlangen. Auf der anderen Seite präsentiert Clarke dann aus dem Nichts die Möglichkeit, die Menschen mittels Protoplanktonstoffen vegetarisch nachhaltig, aber vor allem in ausreichender Menge zu ernähren. Der Brite beschwört zwar nicht den Konflikt zwischen Farmern und Ranchern des amerikanischen Westerns aus dem 19. Jahrhundert, aber nutzt deren gegenseitige Argumente aus, um Spannung zu erzeugen. Am Ende präsentiert der Brite fast aus dem Nichts heraus eine andere Lösung, die eher Burroughs als Clarke entspricht.
Zwischen diesen beiden Extremen findet der Leser eine in Ehren ergraute, aber immer noch gut lesenswerte spannende Abenteuergeschichte um zwei sehr unterschiedliche Menschen, die über gegenseitigen Respekt zu Freunden werden, bevor das Schicksal sie wieder trennt. Zwei Männer und das weite Meer in einer nicht näher bestimmten, auf der Erde durchaus greifbaren, hinsichtlich der Besiedelung des Mars und der anstehenden Nutzung der Venus aber auch ferneren Zukunft.
Interessant ist weiterhin, dass auf der Erde die nautische Technik im Grunde stehen geblieben sind. Carkes U- Boote sind nur wenig moderner als es in den fünfziger Jahren schon möglich und für die sechziger Jahre in Planung gewesen ist. Mit diesem vielleicht unbewussten Trick rückt der Autor die Leser näher an die Protagonisten heran.
Es gibt auf der Erde Walhüter. Sie beobachten und schützen die gigantischen Walherden, die wie angesprochen teilweise der Ernährung der Bevölkerung dienen. Don Burley ist einer dieser Männer. Er ist mutig und manchmal auch ein wenig leichtsinnig. Das Leben scheint für ihn nur aus Herausforderungen zu bestehen.
An seine Seite wird Walter Franklin gestellt. Ein Mann mit einem Geheimnis. Auch hier scheint es unwahrscheinlich, dass wirklich niemand das Gesicht mit dem Mann vor ihnen in Verbindung bringt. Auch in der Zukunft wäre eine solche vor allem menschliche „Tragödie“ medientechnisch behandelt worden und sein Geheimnis niemals so lange sicher gewesen. Aber Clarke braucht diese Einseitigkeit, um erst Spannung zwischen den beiden unterschiedlichen Männern, aber auch später eine tiefe Freundschaft aufzubauen.
Durch Walter Franklins Ausbildung lernt der Leser den Hintergrund der Geschichte abschließend kennen. Das Leben auf und mit dem Meer, der Schutz der Wale vor nicht nur räuberischen Haien oder Schwertwalen, sondern auch vor den Wilderern, die einen besonderen Kick daraus erlangen, unter Wasser die Tiefe zu jagen und zu töten. Wobei sich hier wieder die Frage stellt, wie sie in den durchaus überwachten Gebieten wieder unerkannt entkommen. Im ersten Abschnitt wird gleich gezeigt, wie gut die Überwachung der wertvollen Walherden wirklich ist.
Hier erweist sich Clarke als klassischer Abenteuerschriftsteller, der die Faszination des Weltraums, der Eroberung neuer Welten im Grunde gegen einen Blick zurück auf die ewige Versuchung der Meere ausgetauscht hat. Er zeichnet ein ambitioniertes Bild einer nicht einmal fernen Zukunft, in welcher grünes Gedankengut vorherrscht und der Mensch beginnt, mit natürlich einigen Einschränkungen den Einklang mit der Natur zu suchen. Dazu kommen eine Reihe von spannenden Sequenzen beginnend im Grunde mit der Entblätterung Walter Franklins Geheimnis indirekt durch eine attraktive Biologin; die Jagd nach einem Unterwasserpolypen gigantischen Ausmaßes als eine Hommage an Jules Verne und „20.000 Meilen unter den Meeren“ und schließlich eine fatalistische Rettungsmission, die ein wenig Irwin Allens Katastrophenfilme der siebziger Jahre vorwegnimmt. Interessant ist, dass sich Arthur C. Clarke in seinem nächsten Buch ebenfalls auf eine besondere Rettung aus dem Mondstaub konzentrieren wird.
Während die Charaktere eher pragmatisch entwickelt worden sind und die Beziehung zwischen Walter Franklin und der anfänglich selbstbewusst intelligenten Indra auf das klassische Heimchen-am-Herd-wartet-auf-den-Ehemann reduziert wird, zeichnet Clarke ohne belehrend zu agieren ein wundervolles Bild der Tiefsee, deren Geheimnisse auch fünfzig Jahre nach der Entstehung des Buches immer noch locken. Clarke plädiert immer wieder für einen sinnvollen Umgang mit den natürlichen Resourcen in einem engen Einvernehmen mit dem unabänderlichen Fortschritt. Dreh- und Angelpunkt wird in diesem Buch mehr und mehr Walter Franklin, als ein Mann, der buchstäblich aus dem Himmel – in diesem Fall dem All – auf die Erde zurück gestiegen ist, um die eigenen psychologischen Schwächen zu überwinden und nicht nur durch seine Rettungsaktion, sondern vor allem dank seines entschlossenen Auftretens zu einer neuen Art Held wird. Fast provozierend ist allerdings, dass der Anstoß von einem grob gesprochenen Sektierer kommt, der als Vegetarier der Menschheit andere Wege zum Sattwerden aufzeigen möchte. Es ist das erste Mal in Clarkes Werk, das nicht alleine die Wissenschaft für den Fortschritt steht, sondern ein spürbarer Glaube viel eher Berge versetzen kann als die bekittelten Männer in ihren Laboren.
Es ist aus heutiger Sicht vielleicht ein ökologisch politisch unentschlossener Weg, den der Brite mit diesem kurzweilig zu lesenden, sehr kompakt geschriebenen Buch einnimmt. Aber versetzt sich der Leser in die fünfziger Jahre zurück, in denen dieser Roman entstanden ist, dann wirken einige der aufgestellten, aber nicht abschließend zufrieden stellend extrapolierten Thesen ausgesprochen modern wie zeitlos.
Obwohl plottechnisch sich „In den Tiefen des Meeres“ manchmal zu nahe am Klischee der Abenteuerliteratur bewegt, ist es die erste von einigen Geschichten, in denen sich Clarke indirekt mit der Faszination seiner neuen Heimat Sri Lanka auseinandersetzt und seinen Lesern neue, noch nicht gänzlich alternative Wege aufzeigt, um optimistisch trotz aller Herausforderungen in die nähere Zukunft zu schauen und trotzdem respektvoll mit dem Planeten Erde umzugehen.