Arthur C. Clarke

Fritz Heidorn

Fritz Heidorns Arthur C. Clarke- Jenseits des Möglichen“  sieht sich weder als klassische Biographie noch als umfassende Studie des umfangreichen Werkes des Engländers, der mit Kubricks „2001“ ohne Frage Welt berühmt geworden ist. Fritz Heidorn möchte andere Akzente im Werke Clarkes setzen, sich mit den technischen Artikeln und daraus extrapoliert den entsprechenden Vorhersagen des Autoren Arthur C. Clarke auseinandersetzen. Auch wenn das allein stehende Werk Clarkes ausschließlich im 20. Jahrhunderts erschienen ist, sieht Fritz Heidorn ihn nicht zu Unrecht als technokratischer Visionär des 21. Jahrhunderts, wobei der Autor den Schriftsteller mehr verallgemeinert als er es vielleicht selbst gewollt hat.

 Wissenschaftler und Autor. Ein Mann, der mit wenigen Worten und immer auf den Punkt gebracht technische Entwicklungen und Erfindungen markant, aber auch allgemein verständlich seinen Lesern präsentieren konnte. Schon in seinem ersten Science Fiction Roman nach einer Reihe von Kurzgeschichten und vor allem sehr vielen sekundärliterarischen Artikeln und Fachbüchern hat Arthur C. Clarke für die Kommunikation mit dem Leser eine ideale Brücke gefunden. Ein Historiker soll den ersten Flug ins All aus der Ich- Perspektive erzählen, damit für zukünftige Generationen keine wichtigen Fakten verloren gehen. Die Vergangenheit ist wichtig, um die Zukunft zu katalogisieren. Gleichzeitig wird der Protagonist stellvertretend für den Leser in den ersten Kapiteln in das Projekt eingeführt.

 Fritz Heidorn führt über viele Kapitel seiner lesenswerten Studie diese markanten Züge Clarkes beispielhaft vor. Dabei ist das Spektrum des nicht nur wegen der Natur frühzeitig nach Ceylon, später Sri Lanka ausgewanderten Briten konsequent erst erweitert. Heidorn geht auch auf die Arbeiten zum Tauchen und vor allem der einzigartigen Natur der Insel trotz oder vielleicht auch wegen der kontinuierlichen politischen Unruhen ein, die sich in dem pazifistisch optimistisch orientierten Werkes Clarkes nicht unbedingt widerspiegeln. Immer wieder erläutert der Autor vielleicht aber auch ein wenig zu sehr auf Clarke fokussiert, wie dessen wissenschaftliche Voraussagen von der Realität schließlich eingeholt worden sind. Dabei ignoriert der Autor, dass Arthur C. Clarke ein wichtiger Science Fiction Autor gewesen ist, aber nicht der einzige, der sich mit der erdnahen Weltraumfahrt auseinandergesetzt hat. Selbst K.H. Scheer hat mit einigen sehr nahen Bezügen zur echten Mondlandung und vor allem nur knapp zwei Jahre zu spät sich zu Beginn der Perry Rhodan Serie mit der entsprechenden Technik auseinandergesetzt.

 Auch wenn in den verschiedenen Kapiteln beginnend mit dem obligatorischen biographischen Teil alle markanten Aspekte in Clarkes Leben und Werk mindestens gestreift worden sind, wirkt das Essay in der vorliegenden Form nicht immer harmonisch. So wiederholt sich Fritz Heidorn an einigen Stellen teilweise schon auf der nächsten Seite. In anderen Kapiteln hat der Leser das unbestimmte Gefühl, als wenn sich der Band nicht unbedingt nachteilig, aber bei einer chronologischen kompakten Lektüre doch auffällig aus verschiedenen gesondert verfassten Artikeln zusammensetzt. Eine härtere Hand bei der Zusammenfassung einzelner Themen und Ansichten hätte dem Band gut getan.

 Heidorn betont mehrmals, dass er nicht das ganze Werk Clarkes analysieren möchte, ist es erstaunlich, wie einzelne wahrscheinlich durchschnittliche Arbeiten quasi in den Himmel gehoben, andere Bücher aus der Spätphase wie „Imperial Earth“ überhaupt nicht stattfinden. Der Autor stellt eher als inhaltliche Zusammenfassung auf nur drei Seiten die wichtigsten Romane Clarkes vor. Natürlich handelt es sich im Gegensatz zu den sekundärliterarischen Arbeiten – die bebilderte Tour durch das Sonnensystem nimmt mehr, wenn auch ähnlich unkritischen Raum ein – um bekannte Arbeiten. Alle Kooperation Clarkes werden ausführlicher vorgestellt, wobei Fritz Heidorn vor allem versucht, Arthur C. Clarkes Anteil an den Büchern herauszuarbeiten.

 Spätestens in diesem Kapitel fällt dem Leser aber auch auf, dass Fritz Heidorn mit einigen Begriffen nicht richtig umgehen kann oder manchmal auch will. Das Buch zum Film im Gegensatz zur Vorlage eines Films wird ambivalent eingesetzt. So gibt es keinen Roman, auf dem „Escape from New York“ basiert, sondern nur eine Adaption, die den Autoren nicht unbedingt gleich qualifiziert, vor allem nicht berühmt gemacht hat.  Den gleichen Fehler macht Fritz Heidorn an einer Stelle bei der Arbeitsaufteilung zwischen Kubrick und Clarke. Während Kubrick abschließend für das Drehbuch verantwortlich zeichnet, hat Clarke die Buchadaption übernommen und einzelne Aspekte ergänzt. An keiner Stelle ist in Clarkes Werke aber klar erkennbar, dass er für HAL verantwortlich zeichnet. Viel mehr nutzt Fritz Heidorn Clarkes Buchvorlage ambivalent. Wenn er es benötigt, wird der Inhalt des Buches vor den Film geschoben.

Frustrierend wird es, wenn er die Zusammenarbeit zwischen Stephen Baxter und Arthur C. Clarke anspricht. Auch wenn Baxter knapp Anfang vierzig zu dieser Zeit gewesen ist, hat er sich schon mit einer Reihe von Werken und der ersten von zwei offiziellen Fortsetzungen der Romane H.G. Wells als einer der besten neuen britischen Science Fiction Autoren etabliert gehabt, als die Zusammenarbeit der Beiden begann. Das ein anderer Brite Bob Shaw Jahre vorher mit „Andere Auge, andere Tagen“ ein ähnliches Thema schon aufgegriffen hat, fehlt auch in diesem Kapitel.

 Fritz Heidorns Buch ist daher mehr ein Essay als eine wirklich nachhaltige und kritische Auseinandersetzung mit Clarkes Werk. Dazu ist die Bewunderung des Autoren zu groß. Selbst bei Enttäuschungen wie „3001- The Final Odysee“ gelingt es dem Autor, nicht nur gute Züge in Clarkes Werk zu finden, sondern es auf einen kleinen Sockel zu heben. Immer wieder überbetont der Autor die ohne Frage vorhandenen literarisch wissenschaftlichen Fähigkeiten des Briten vor allem in seinem Spätwerk, während seine frühen Romane, in denen es deutlich schwieriger gewesen ist, naturwissenschaftlich technisch einen Stoff spannend und lehrreich zu gleich zu erzählen, zu sehr unter den Teppich fehlen. Diese Schwäche gleicht der Autor durch eine intensive Auseinandersetzung mit den verschiedenen Artikeln und sekundärwissenschaftlichen Arbeiten aus, in denen Fritz Heidorn aufzeigt, dass Clarke sich am wohlsten auf einer durch Forschungen und technische Extrapolation sicheren Basis bewegte.

 In einem kleinen Exkurs geht Fritz Heidorn zusätzlich auf die verschiedenen Briefwechsel und Diskussionen Clarkes mit anderen Autoren wie Asimov oder Carroll ein, in denen ein typischer Brite hinter dem immer adretten Anzug hervorlugt, der subversiv und schwarzhumorig seine als zu ernste Umwelt auch auf den Arm nimmt. Es ist ein Clarke, der sich in seinem literarischen Werk fast zu wenig widerspiegelt und dem man sich auch neben den „Geschichten aus dem weißen Hirschen“ gewünscht hätte.

 Interessant ist auch der Vergleich zwischen Clarke und Cixin Liu, der mit seiner Trilogie, aber vor allem auch den inzwischen teilweise gesammelten vorliegenden Kurzgeschichten viele Ideen des Briten auf eine gänzlich andere Art und Weise extrapoliert hat. Beides sind Wissenschaftler, die selbst in der technokratischen Katastrophe nach Hoffnung suchen. Beides sind Visionäre, die gerne groß und wie Stephen Baxter über einen gewaltigen Zeitraum denken. Aber im Gegensatz zu Baxter, der sein ganzes Werk betrachtend wahrscheinlich ein würdiger Nachfolger Clarkes ist, distanzieren sich beide Autoren auch durch ihre Erzählstrukturen immer ein wenig vom Leser, um ihnen Denkmodelle an die Hand zu geben, aber nicht ins Hirn zu pusten.

 Der Leser hat das unbestimmte Gefühl, als wenn sich Fritz Heidorn neben den immer wieder persönlichen Anmerkungen dann am Wohlsten fühlt, wenn er gänzlich frei fabulieren und wahrscheinlich auch spekulieren kann.  Dann hebt er sich auch von den anderen Quellen ab, die er einmal im Original und dann überwiegend in eigenen Übersetzungen zitiert.

 Zusammengefasst ist „Arthur C. Clarke Jenseits des Möglichen“ trotz der angesprochenen Schwächen nicht zuletzt aufgrund der Vielzahl von Themen, die ausgesprochen kompakt angerissen, aber nicht abgehandelt werden, eine gute und empfehlenswerte Einstiegslektüre in das Werk und darüber hinaus auch das Leben und den Einfluss des Briten. Es regt an, dessen Romane noch einmal zu lesen und wie bei „Aufbruch zu den Sternen“ mit einer Vor Apollo Entstehung  und einem nach der Mondlandung geschriebenen Vorwort zu vergleichen, wie technisch genau der Brite die Zukunft vorhergesehen hat. Daher ist das Untertitel „Jenseits des Möglichen“ auch nicht gänzlich richtig. Clarkes Werke ist in dieser Hinsicht zweigeteilt. Jenseits des Möglichen sind vielleicht die immer friedlichen Begegnungen mit Überwesen, die bis auf den Exkurs in „3001“ den Menschen hilfreich bei seinem Weg in den Kosmos zur Seite stehen wollen, während technisch der Mensch alleine seinem Forscherdrang und seinem Intellekt vertrauen muss, um den Welten dort draußen einen kleinen Schritt entgegen zu gehen. Dieser Zwiespalt zeichnet das Werk des Briten so sehr aus, dass er in beiden Jahrhunderten ein wichtiger und im Gegensatz zu seinem Vorbild Olaf Stapledon auch noch aktueller Science Fiction Autor ist. Diese Ambivalenz zeigt sich in Fritz Heidorn nicht immer konguenter, an einigen Stellen nicht einmal komplexer Studie des Briten und seiner Arbeiten. 

 Das Buch ist aber durch die reihhaltige Bebilderung mit zahlreichen Titelbildern und Wiedergaben von Briefen und kleineren Artikeln mehr als einen Blick wert.        

Jenseits des Möglichen. Visionär des 21. Jahrhunderts
Klappenbroschur, 235 S., 80 Abb. Verlag Dieter von Reeken
 
ISBN 978-3-945807-48-4

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