„Der letzte Enduro“ schließt die in „Exogenesis“ begonnene Handlung ab. Es ist nicht unbedingt notwendig, den ersten Band zu kennen, aber da Ben Calvin Hary die Geschichte als einen fortlaufenden Roman konzipiert hat, beschränkt sich der Autor bei den Rückblenden auf das Wesentliche. In einem Zug gelesen offenbaren die beiden Teilstücke des Plots allerdings die ambitionierte Konzeption, die anfänglich nur angedeutet wird. Am Ende des Buches ist es Tiko, von dem eine Entscheidung verlangt wird.
Gute Science Fiction versucht durchaus pseudointellektuelle Ideen immer mit einer zwischenmenschlichen Komponente zu verbinden. Während Ben Calvin Hary im ersten Teil des Doppelbandes das Zwischenmenschliche noch nicht überzeugend genug herausarbeiten konnte und vor allem das Potential der Dreieckskonstellation viel zu schnell zur Seite gelegt hat, wirkt die Entscheidungsphase Tikos wie der emotionale Rückblick, den der erste Roman so schmerzlich vermisst hat.
Die Begegnung mit dem Bruder bedeutet einen hohen Preis zu zahlen, dessen Ursachen weder Tiko noch indirekt das Team des „Rettungskreuzer Ikarus“ ermessen kann. Im Grunde stellt Ben Calvin Hary seine Protagonisten vor eine unmögliche Aufgabe, deren abschließender Beantwortung sich der Autor aber auch ein wenig entzieht. Die ungeheuren Folgen dieser Entscheidung – egal in welche Richtung – werden nur angedeutet und die Idee, einen ungeheuren Zeitraum der Geschichte ungeschehen zu machen und dadurch folgerichtig ja mit etwas Anderem zu überschreiben, hätte ausreichend Potential, um einen dritten Roman zu füllen.
In dieser Hinsicht zeigt sich, dass erstens der Plot sich zu spät und dann zu rasant entwickelt und zweitens dieser vorliegende “Rettungskreuzer Ikarus“ Roman durchaus ein wenig umfangreicher hätte sein Können. Räumlich ist angesichts der Seitenzahl auf jeden Fall Platz gewesen.
Die Crew des „Rettungskreuzer Ikarus“ ist in diesen kosmische Geschehen nicht involviert. Sie beschäftigen sich einmal damit, Tiko zu suchen, der ja auf eine seltsame Art und Weise im ersten Buch noch von seinen Begleitern getrennt worden ist und zweitens die Ruinen einer rätselhaften, untergegangenen Zivilisation zu untersuchen. Nicht unbedingt ein dankbares Thema für einen Autoren. Aber hier zeigt sich, dass Ben Calvin Hary mit exotischen Hintergründen umgehen kann. Die kleinen Äffchen sind vielleicht eine Art Kompromiss gegenüber dem wahrlich exotischen Hintergrund. Ihre Bedeutung wird in einer der originellen Wendungen am Ende der Geschichte offenbart. Aber ohne wirklich nachhaltig an der Spannungskurve zu drehen entwickelt der Autor auf dieser sekundären Handlungsebene zumindest einen interessanten Plot.
Der Titel bezieht sich auf die besondere Bedeutung Tikos. Hier greift der Autor allerdings auch wieder in die Klischeekiste des Boten mit der besonderen Bedeutung. Die Idee der Zwillinge – anscheinend ein terranisches Phänomen – dient eher als eine Art Katalysator, wird aber abschließend nicht zufrieden stellend genug genutzt.
Wie schon bei „Exogenesis“ angedeutet verzichtet Ben Calvin Hary auf ein klassisches Happy End und stellt damit die Bedeutung dieser nicht einfachen Entscheidung noch einmal heraus. Als Doppelband sind die beiden „Rettungskreuzer Ikarus“ Abenteuer trotz mancher Hektik des Autoren und vor allem im zweiten Buch auch einigen Rückfällen auf eher bekannte Ideen des Genres kurzweilig zu lesen und bitten vor allem hinsichtlich des sehr ambitioniert konzipierten Plots eine deutliche Abwechselung zu den letzten „Rettungskreuzer Ikarus“ Romanen, in denen nicht selten zu oft auf reine galaxisweite Bedrohungen von eher eindimensionalen und überzeichneten Antagonisten zurückgegriffen worden ist.
- Format: Kindle Ausgabe
- Dateigröße: 24491 KB
- Seitenzahl der Print-Ausgabe: 119 Seiten
- Gleichzeitige Verwendung von Geräten: Keine Einschränkung
- Verlag: Atlantis Verlag Guido Latz (20. Januar 2019)
- Verkauf durch: Amazon Media EU S.à r.l.
- Sprache: Deutsch
- ASIN: B07MDPZLC8