Starefire - Kreuzzug

David Weber & Steve White

Bei der Lektüre des zweiten von insgesamt vier auf dem Strategiespiel STARFIRE basierenden Romanen „Kreuzzug“, der dieser Tage im Heyne Verlag erschienen ist, sollte und muss sich der Leser vor Augen halten, dass das Buch ursprünglich aus dem Jahre 1992 stammt. Unwillkürlich denkt man bei den Raumraumschiffen der Aggressoren an den 11. September und weniger an die fanatischen Kamikazepiloten des zweiten Weltkriegs. Der im Hintergrund schwelende Glaubenskrieg – immerhin werden die Ungläubigen ja von religiös verblendeten Fanatikern angegriffen – ist aus den Folgen des ersten Irakkriegs extrapoliert worden, der zum Zeitpunkt der Entstehung des Romans noch vor aller Augen gewesen ist.  Die Erfahrungen späterer „Vergeltungsmaßnahmen“ – siehe Afghanistan und der zweite Irakkrieg – haben gezeigt, dass ein Krieg zu führen manchmal einfacher ist als die Ordnung nach dem militärischen Konflikt aufrechtzuhalten.  David Weber und Steven White zeigen am Ende des Buches radikal ihre Vision einer friedlichen Nachkriegsordnung auf, die eher auch historisch bedingt an die Behandlung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg erinnert.

Während der erste Band der Serie „Rebellion“ den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg in die Tiefen des Alls verlegte, muss die Menschheit mit ihren anfänglich kritischen Verbündeten – die Orionbewohner erinnern nicht nur an große Katzen, sie handeln nach einer Art japanischen Ehrenkodex – jetzt wie schon angesprochen Religionskriege ausfechten.

Der zweite Roman spielt eine noch menschlich erfassbare Zeit vor dem ersten Band. Ist aber nicht notwendig, die Romane in einer chronologischen Reihenfolge zu lesen. Es stört in Bezug auf die Verwandschaftsverhältnisse sogar die Lektüre, da White und Weber im ersten Band die Nachfahren entwickelt haben und sich deren Züge in den Protagonisten des zweiten Buches besser rückblickend ablesen lassen. Handlungstechnisch folgt der Band allerdings bekannten Mustern.

Die menschliche Föderation wird durch anfänglich um Gespräche bittenden Raumschiffe überfallen, eine Flotte vernichtet. Die Angreifer sind aus einem bislang verschlossenen Wurmloch aufgetaucht. Da bei den Kämpfen auch Angehörige des Orions ums Leben gekommen sind, befürchten die Menschen, dass der brüchige Waffenstillstand nach einem ermüdenden Krieg nicht mehr hält. Um diesen potentiellen Konflikt zu entschärfen, wollen die Menschen dem Problem selbst auf den Grund gehen und erleiden eine weitere Niederlage gegen die aggressiven "Fremdlinge", die sich als Thebaner und damit lange verschollene Nachkommen einer Flotte von Siedlerraumschiffen herausstellen, die bei einem Angriff aus Verzweiflung durch ein geschlossenes Wurmloch ins Unbekannte geflohen sind. Eine Bitte an die Orioner um Waffenbrüderschaft würde mit einem Gesichtsverlust einhergehen. So entschließt man sich, nur einen General der Fremden mit aufzunehmen, der die "guten" Menschen im Kampf gegen die religiösen Fanatiker unterstützt und zu ersten Erfolgen führt.

 Wie schon angesprochen ist die zugrundeliegende Handlung ausgesprochen stringent. Es ist eine Aneinanderreihung von sehr unterschiedlichen Raumschlachten und schließlich auch einer umfangreichen Bodenaktion, die aber nur möglich ist, weil hochrangige Offiziere des Feindes vom fatalistisch rechten Glauben sich abkehren und überlaufen. Schon zu den Stärken des ersten Romans gehörte ist, Raumschlachten auf einem überdurchschnittlichen taktischen Niveau zu beschreiben. Dabei haben die Autoren nicht nur auf wechselnde Perspektiven zurückgegriffen, sondern den Lesern ebenfalls exemplarisch ausreichenden Mustern aus dem Zweiten Weltkrieg folgend die intensive Zusammenarbeit zwischen im übertragenen Sinne Luft- und Seestreitkräften zu erläutern. Hinzu gefügt haben sie die notwendigen  taktisch noch wichtigeren dreidimensionalen Konturen des Alls in Kombination mit den gigantischen Entfernungen, die teilweise überbrückt werden mussten. Hinzu kommt die Nutzung natürlicher Objekte und aus dem Nichts fast herausgezaubert Stealth Technologie.  Aus dem Zweiten Weltkrieg haben sie in erster Linie die Gefechte der amerikanischen und japanischen Streitkräfte herausgesucht. Während die thebanischen Streitkräfte anfänglich waffentechnisch überlegen sind, müssen sie ihre Vorteile mangels ausreichender Träger und vor allem dem Verzicht auf die kleinen Raumjäger aufgeben. Die Menschen sprich Amerikaner haben sich von Beginn an auf eine Mischung aus unterstützenden Raumjägerträgern und gigantischen Schlachtschiffen konzentriert, die wechselseitig defensiv und offensiv in der Schlacht eingesetzt werden. Dazu kommen noch einige Rammraumschiffe der Feinde, die natürlich den Kamikazejägern der Japaner nach gebildet worden sind. Einzig die gigantische Verteidigungsfestungen um die Wurmlöcher sind wirklich innovative Erfindungen, während die auf Asteroiden befindlichen Stellungen der wahren Gläubigen - selbst die Idee eines Dschihads, eines heiligen Krieges wird in die Handlung eingebaut - den Inseln ähneln, welche die Japaner während der Rückzugsgefechte immer stärker ausgebaut und welche die Amerikaner bei ihrer Offensiven im Grunde mit ihrer inzwischen überlegenen Technik förmlich ausradiert haben. Die Lenkwaffen stammen dagegen aus den Irakkriegen und die finale Invasion unter dem Schutz ablenkender Luftstreitkräfte aus den Kommandoaktionen, welche die Amerikaner zumindest während der Irankrise zumindest in der Theorie versucht haben. Interessant und die eigentliche Stärke des Buches sind neben den schon angesprochenen intensiven Raumschlachten mit teilweisen hunderttausenden von Toten, denen zumindest kurz militärisch knapp gedacht wird, die Vorbereitung dieser Auseinandersetzungen auf beiden Seiten. White und Weber suchen den Lesern eine kurze taktische Schulung zu geben und das Zusammenspiel sehr vieler Fakten inklusiv des Zufalls zu verdeutlichen. Das Zusammenspiel von Aktion und Reaktion ist dabei wichtig, wobei White/ Weber über den Tellerrand des unmittelbaren Geschehens allerdings auch deutlich manipulieren.

Während die Politiker der menschlichen Ferderation als eitel und feige, aber mit sich selbst beschäftigt beschrieben werden - nur ein alter Mann kann immer wieder so etwas wie Menschlichkeit in die Debatten einbringen -, sind es auf Seiten der Thebaner die fanatischen Priester mit ihrer absichtlich falschen, verzerrten Interpretation keiner Lehre, sondern von Aufzeichnungen, welche den Generalen des Leben unter Androhung der Todesstrafe schwer machen. Völkermord und Genozid sind schwierige Themen, die im Roman natürlich politisch einseitig behandelt werden. So radieren die Fanatiker kleinere Bevölkerungsschichten komplett aus, um keine Truppen zurücklassen zu müssen. Wenn die Bekehrung auf einer anderen Welt nicht klappt, werden die Ungläubigen einfach hingerichtet. Wie passend, das ein Stoßtrupp der Ungläubigen dort landet und so lange einen Widerstand am Leben hält, bis der ebenfalls zwangsversetzte thebanische General seinen Hut vor ihnen zieht und ihnen indirekt gegen die immer verrückter werdenden Priester hilft. Auf Theban selbst zeigt sich das kranke Ausmaß des Hauses, der zu Lasten der Bevölkerung mit falschen Lehren geschürt wird, was die Ungläubigen in doppelter Hinsicht zu einer "bekehrenden" Reinigungsmission gegen die richtigen Subjekte zwingt. Die Frage, ob die Thebaner an ihrem fast fanatischen Größenwahn scheitern oder sich falsche Religionen niemals gegen oligarchische Demokratie durchsetzen können, wird nicht unbedingt tiefsinnig behandelt, aber zumindest nicht gänzlich ignoriert. White und Weber sind Amerikaner und haben auch einen amerikanischen Roman geschrieben. Interessanterweise verschiebt sich im später spielenden Auftaktroman später der Fokus und die hier noch guten Hauptwelten werden zu einem Problem für die nach Unabhängigkeit strebenden Kolonien. Beide Roman zusammengenommen schließt sich ein schwieriger, wenig differenziert beschriebener Kreislauf am Ende von "Rebellion".

Wie im ersten Band sind die Protagonisten in erster Linie grob umrissen charakterisiert. Es gibt nur wenige Figuren, die grau abgestuft erscheinen. Gut und böse sind klar ausformuliert. Interessant ist, das die Militärs grundsätzlich zu den Guten im Grunde auf beiden Seiten gehören. Sie verteidigen die Interessen ihrer Völker oder werden von den bösen Politikern missbraucht und manipuliert. Diese Ignoranz von möglichen Fakten und die Ambivalenz bei der Charakterisierung inklusiv des potentiellen Kriegsfrontbabys rücken die beiden Weber/ White Romane an die militärische Science Fiction eines Jerry Pournelle oder später eines John Ringos heran, ohne das die Romane plottechnisch diese Eindimensionalität nötig haben. In Details gelingen den Autoren gute Charakterisierungen von vielschichtigen Figuren. Der begleitende Katzenmensch aus dem Orion ist so eine Figur. Schwarzer Humor, einen Hang zum Fliegen und nicht selten das moralische Gewissen der schwächelnden Menschen. Nur gehen diese im Geschehen unter oder werden im Verlaufe der Handlung gegen zahllose Klischees ausgetauscht.

 Zusammengefasst ist "Kreuzzug" ein oberflächlicher dynamischer wie dramaturgisch spannender Roman. Wie schon angesprochen sind insbesondere die Schlachten sehr dreidimensional und intensiv ausführlich mit einem Schwerpunkt auf den taktischen Unternehmungen beschrieben, während die Figuren teilweise zu oberflächlich beschrieben worden sind und alleine von möglichen Verwandsschaftsverhältnissen mit ihren dem Leser schon bekannten Nachkommen leben. Die politischen Untertöne sind aus amerikanischer Sicht manipulierend und teilweise ungewöhnlich eindimensional bis klischeehaft insbesondere den islamischen Religionen gegenüber, deren Grundzüge an jeder Stelle des Romans trotz der wenig überzeugenden "Tarnversuche" zu erkennen sind.   

       

 

 

    

 

Originaltitel: Crusade - Starfire
Originalverlag: Baen Books
Aus dem Amerikanischen von Heinz Zwack

Deutsche Erstausgabe

Taschenbuch, Broschur, 624 Seiten, 11,8 x 18,7 cm
ISBN: 978-3-453-31508-2