
Martin Kays Science Fiction Roman „Kampf um Thardos” ist weniger ein gegenwärtiger Military SF Roman nach bekannten Strickmustern, sondern eine interessante Modernisierung der vor dem golden Age der Science Fiction gelegenen Ära eines E.E. Smiths. Große Ideen werden mit einer rasanten Handlung unterlegt und verschiedene, auf den ersten Blick Klischees des Genres variiert.
Am Ende wirkt die Auflösung ein wenig angesichts der Vorgabe zu clever für die Prämissen – warum soll das System jetzt gereinigt werden, wenn selbst die Terraner nur aufgeklärt und nicht als Nachbarn anerkannt werden ? – und lässt rückblickend vieles als ein großes Experiment in Sachen Gier und falsche Hilfeleistung erscheinen. Im Verlaufe seiner Handlung greift der Autor auf verschiedene Ideen zurück: ein Neuer an Bord; ein Wunderstoff in Form eines „MacGuffin“, verschiedener außerirdische Völker, Schläfer, Sex und Liebe, Raumschlachten und schließlich wie schon angesprochen eine abrupte, fast an die technologische Gottgleichheit von Fremden erinnernde Auflösung.
Zieht man den Roman vom Ende vor allem in Verbindung mit dem Prolog auf, dann macht es sich Martin Kay zu einfach. Die irdischen Truppen, die aufgrund eines vor fünfhundert Jahren ausgesendeten Notsignals in das System der Thardier gestoßen sind, drohen nach anfänglich schon schweren Verlusten zerrieben zu werden. Zu Beginn des Romans verfolgt der Leser, wie dieses Notsignal abgeschickt wird.
Thardos ist von einer ihnen unbekannten Rasse angegriffen worden. Den aggressiven Angreifern können die Thardier keinen entscheidenden Widerstand entgegen setzen. Fünfhundert Jahre hat es gedauert, bis das Signal unterlichtschnell die Erde erreicht hat. Als die irdische PRIME Elite Streitmacht mit einem gigantischen Trägerzerstörer sowie dem frisch versetzten Lieutnant Lance Calhem nach den vernichteten Fernaufklärern der Menschen das Thardos System erreicht, stellen sie fest, dass es erstens keine Spur mehr von den Ureinwohnern gibt und die Ruinen ihrer ehemaligen Hauptstadt zu einer Art neutralen Zone geworden ist. Auf dem Planeten haben sich drei außerirdische Rassen – bislang sind die Menschen davon ausgegangen, dass sie alleine im Kosmos sind – niedergelassen, die einen brüchigen, aber anscheinend schon länger währenden Frieden miteinander geschlossen haben. Diesen Status Quo bringen die Terraner durcheinander.
Während sie anfänglich nur nach den verschwundenen Thardier suchen wollen, erkennen sie, dass die anderen Völker nach einem Wundermetall schürfen, das es anscheinend nur auf dieser Welt gibt. Dabei ahnen die Menschen nicht, dass zumindest ein Volk sich intensiv und perfide auf die Menschen vorbereitet hat. Martin Kay hat mit „Kampf um Thardos“ wie schon angesprochen einen ausgesprochen geradlinigen Roman verfasst, dessen überraschende, aber nicht immer gänzlich in sich logische Wendungen die zweite Hälfte des Plots dominieren. Anfänglich wird der Leser zusammen mit Lance Calhem unter entsprechendem martialischem Getöse in die streng hierarchische Wunderwelt der Elitetruppen und ihres gigantischen Spielzeuges GAIA eingeführt. Kay nimmt sich so viel Zeit für die Vorstellung der fliegenden Festung – natürlich der ersten, welche die Menschen fertig gestellt haben, dass ohne zu viel vom Plot zu verraten der Ausgang einiger Raumschlachten den Leser verblüfft zurücklässt. Calhelm wird nach einem ersten Ausrufezeichnen auf die „Intruder“ versetzt, die kleinere Eliteeinheiten auf Thardos absetzen soll.
Als Charakter stellt ihn Martin Kay eher ambivalent dar. Ein Mann mit einer Vergangenheit, eine „Bestie“ im Bett und anscheinend zumindest teilweise unter kleineren Erinnerungslücken leidend. Anstatt es im Verlaufe der Handlung bei diesem besonderen Vertreter der Spezies Mensch zu belassen, agiert Martin Kay im weiteren Verlauf ein wenig überambitioniert und erschafft ein zweites Muster dieser besonderen Gattung. Damit negiert er nicht nur den Effekt, sondern versucht dem bis dahin dunklen, brutalen Geschehen auf einer eher konstruierten wie eindimensionalen Ebene eine Art Liebeslichtblick zu geben.
Das Calhem mehreren Frauen auffällt, die sich aktiv um ihn Bemühen, ist rückblickend vielleicht eine zu wenig nachhaltig herausgearbeitete ironische Note. Für den ganzen Plot positiv erfolgt die Einführung des Lesers in dieses futuristische Universum auf Augenhöhe des Protagonisten, der bis auf wenige Ausnahmen immer im Mittelpunkt der Ereignisse steht. Das wirkt ein wenig zu konstruiert, ist aber angesichts der Tatsache, dass Calhem im Verlaufe der Handlung vom kleinen Helden über den unfehlbaren Planer zum Verräter und schließlich wieder zum Retter der schwierigen Situation wird. Und dabei muss er nicht immer aktiv in das Geschehen eingreifen. In mehreren schwierigen Situationen wird er zu Gunsten der Glaubwürdigkeit einfach mitgerissen und die finale, wie schon angesprochen zu stark konstruierte und angesichts der Vorgaben aus dem Ärmel geschüttelte Lösung – bei Bedarf hätten die Probleme de Sonnensystems anscheinend schon viel früher gelöst werden können – initiiert er nur als das er sie aktiv mit gestalten darf.
Im Vergleich allerdings zu vielen anderen, deutlich schwächeren Military SF Romanen versucht Martin Kay die nicht seltene eindimensionale Entwicklung der Figuren zumindest auf der männlichen Seite zu durchbrechen, während seine „Frauen“ noch ein wenig zu stark nach Machowunschdenken gestaltet worden sind. Zu sind zu willig und zeigen gleichzeitig als Mitglieder des Militärs – die GAIA ist tatsächlich paritätisch „bemannt“ – Führungsqualitäten. Nur baut Martin Kay diese Prämissen in seinen Figuren nur selten über das Notwendigste hinaus aus. Pragmatisch schiebt der Autor seine Figuren auf dieser interstellaren Bühne hin und her.
Bei den Außerirdischen beschreibt Martin Kay die fremden markanten Züge, lässt sie aber zu sehr in menschlichen Bahnen handeln. Ob der Langzeitplan, der auf einigen Zufälligkeiten basiert, wirklich so nachhaltig umgesetzt werden kann und vor allem angesichts der weiteren Entwicklung im Grunde ins Nichts zielt, darf bezweifelt werden. Ein wenig mehr Exotik hätte den Fremden gut getan. Auch die Idee, Vergangenheit und Gegenwart für eine gemeinsamere Zukunft in einer Protagonistin zu vereinen ist gewöhnungsbedürftig. Themen wie latente Unsterblichkeit aufgrund entwickelter Prämissen werden im Zusammenhang mit Einsamkeit und Isolation gestreift, aber sie wirken angesichts der realistisch bodenständigen Handlung nett, aber auch sperrig.
Auch die Zufälligkeiten, mit denen die Unsterbliche und Calhem schließlich auch unter Einschließung mutiger Überlebender der ersten menschlichen Expedition den Spieß aus einer ausweglosen Situation drehen, ist klassischer, wenn auch stellenweise ein wenig bemühter Smith. Im Vergleich zu vielen anderen Military SF Romanen liebt Martin Kay es nicht nur in bekannter Manier – Waffen und Raumschiffe – groß. Das Überraschende ist , dass Aufwand und Ertrag nicht immer in einem vorhersehbaren Nutzen stehen und Martin Kay teilweise subversiv die Arroganz insbesondere der irdischen Flotte unterminiert.
Damit nimmt er seinem Roman positiv die grimmige Ernsthaftigkeit eines John Ringos und nähert sich wieder der Space Opera eines E.E. Smith oder mit Abstrichen auch eines Murray Leinsters an, die mit verschiedenen Genreversatzstücken wie Agenten, falschen Identitäten aber rechten Herzen und großen Raumschiffen insbesondere jugendliche Leser solide unterhalten haben. Die lebenden Wälder werden pragmatisch eingesetzt, wirken aber wie die Unsterbliche eher wie ein Dorn im Auge eines technokratisch gestalteten Pulpabenteuers. Zu fremdartig sollte es auch nicht sein, da ansonsten Martin Kay aus Verständnisgründen zu viele Kompromisse eingehen muss. Martin Kay hält sich mit den teilweise detaillierten Beschreibungen unterschiedlichen Kriegsgeräts nicht so sehr wie zum Beispiel Stefan Burban auf und bei ihm ist das Sterben der zahllosen Protagonisten in endlos erscheinenden Auseinandersetzungen auf dem Boden und im Raum vielleicht noch ein weniger dramatischer, emotionaler, aber auch martialischer und opferbereiter.
Martin Kay schafft es, die verschiedenen Auseinandersetzungen trotz der Brutalität und der stark wechselnden Fronten teilweise in einem Kapitel gut miteinander zu verbinden. Auch die recht einfach erscheinende Kombination aus First Contact Geschichte – wobei sich hier die Frage stellt, warum die Menschheit anscheinend nach Jahrhunderten im All bislang keine fremden Intelligenzen oder zumindest nicht expliziert angesprochen weitere bewohnbare Welten gefunden hat, aber über eine derartige Tiefenraumrüstung verfügt, dass man sich für den über Thardos heraufdämmernden Erstfalls eines Mehrfrontenkrieges vorbereiten und sogar aktiv eingreifen kann- und Invasion Story wird als Variation zwar bekannter Handlungsmuster angeboten.
Interessant ist, dass die guten Menschen am Ende nicht gut genug sind. Angesichts ihres anfänglichen Auftretens erscheinen sie auch nicht reif genug und unterscheiden sich nur von den anderen Fremdrassen, weil das Signal viel zu lange zu ihnen gedauert hat und ihre Raumschiffe noch nicht „groß genug“ sind. Da helfen auch einzelne Lichtblicke innerhalb der handelnden Personenschar nichts und Martin Kay verzichtet auf ein zu zuckersüßes Ende in dieser Hinsicht. Im Vergleich zu seinem sperrig verfassten Thriller „Kalte Spuren“ hat sich der Autor auch stilistisch deutlich verbessert. Er variiert nicht nur das Tempo, seine Beschreibungen sind passender, während er auf der Charakterebene noch an sich arbeiten muss.
Titelbild: Emmanuel Henné