Casino Royale

Ian Fleming & Van Jnsen

Im Vorwort zu dieser Classic Adaption wird auf die ersten Schritte Ian Flemings in der literarischen Spionagewelt hingewiesen, wie er im Winter auf einer  später goldenen Schreibmaschine auf Jamaica das erste Abenteuer um den Agenten mit der Lizenz zu Töten verfasst hat. Vielleicht benötigt es nicht einmal den Text des Autoren van Jensen, um  den einzigen dreimal verfilmten James Bond Roman  zum Leben zu erwecken. Er greift  im Gegensatz zu Dennis Caleros eigene Wege suchenden so dunklen, fast rudimentären Zeichnungen gerne auf Ian Flemings Originalsätze zurück und lässt seine Comicadaption von "Casino Royale" genau mit den gleichen, heute fast klischeehaft wirkenden Worten beginnen wie Ian Fleming es in seiner Vorlage gemacht hat.  Heute ist "Casino Royale" weniger durch den 1954 entstandenen Fernsehfilm mit Barry Nelson als James Bond, der sich ausschließlich auf die Casinosequenz konzentriert hat.

  Oder durch die Klamaukadaption von "Casino Royale", welche den Plot nicht zuletzt aufgrund der zahllosen Comedystars zu einer Farce geworden ist. Die meisten erinnern sich an den ersten Daniel Craig James Bond, der eine Art Relaunch der Franchise darstellte und sich auf die ersten sechzig Prozent des Romans konzentrierten.  Und genau diese Stimmung versuchen Caleros und van Jensen in ihrem Buch über die finale Auseinandersetzung zwischen Le Chiffre hinaus bis ins süßsaure Finale zu tragen,  das so signifikant vor allem für die späteren Ian Fleming Romane werden sollte.  Deutlich wird, das James Bond von seinem Schöpfer seit Beginn der Serie an fast sadistisch demontiert und demoralisiert worden ist.  Höhepunkt ist ohne Frage "Der Spion, der mich liebte", in dem James Bond romantechnisch fast keine Rolle mehr spielt, nachdem er in den vorangegangenen Einsätzen mehrmals schwer verwundet worden ist.

 In Rückblenden erfährt der Leser über James Bonds Werdegang zum Doppelnullagenten. Zwei Auftragsmorde, von denen keiner wirklich zufriedenstellend und sauber abgelaufen ist. Der Zynismus, der Frust und schließlich auch die beginnende fehlende Freude an der Verteidigung des Vaterlandes dominieren den Charakter.

 Die Mission ist auf seinen Leib geschnitten. Le Chiffre als kommunistischer Agent und gleichzeitig Gewerkschaftsführer in Frankreich hat anscheinend in die Kasse der Gewerkschaft gegriffen, um seinen opulenten Lebensstil zu finanzieren. Jetzt will er am Spieltisch das Geld gewinnen, damit niemand die Unterschlagung merkt. James Bond Auftrag ist es, ihn am Spieltisch zu besiegen, die Kriegskasse zu gewinnen und damit Le Chiffre in Moskau bloßzustellen. Ob man ihn dadurch zum Überlaufen animieren möchte, sprechen weder Ian Fleming noch die fast sklavisch sich an die Vorlage haltende Adaption aus. Was James Bond von Doppelagenten hält, wird im letzten Viertel des Buches überdeutlich.  Interessant ist, dass die westliche Geheimdienste – auch Felix Leiter agiert direkt an vorderster Front und die Franzosen drücke beide Augen zu – davon ausgehen, dass Le Chiffre als Mitglied von SMERH – Tod allen Spionen – am Spieltisch ruiniert sowieso von den eigenen Kameraden für seine Taten getötet wird. Eine komplizierte Vorgehensweise, die noch schwieriger zu glauben wird, weil SMERH genau weiß, wer James Bond ist. Alleine es fehlt in einer der späten Schlüsselszenen der Auftrag, den britischen Agenten hilflos zu töten.  SMERH eigenartige Selbstdisziplin wird sich durch die ersten James Bond Romane mit ihren Ostwestkonflikten wie ein roter Faden ziehen, wobei in „Liebesgrüße aus Moskau“ nicht mehr so sensibel mit diesen Idealen und Aufträgen umgegangen wird.

 Van Jensen geht technisch geschickt vor, auch wenn diese Aufteilung ein wenig dem Retrostil des Comics widerspricht. Wichtige Informationen und zahlreiche Zitate aus der Romanvorlage werden quasi im Off in relativer moderner Schrift abgedruckt. Sie sollen nicht nur die Spielregeln erklären, sondern vor allem James Bond Gedanken dem Leser transparenter machen. Höhepunkt ist dieser Hinsicht ist die Analyse der potentiellen Gegner am Spieltisch. Negativ ist, dass James Bond in dieser durchaus interessanten und rauen Frühform dem Leser aber nicht näher gebracht wird. Dadurch erscheint auch die Romanze sehr aufgesetzt und wenig glaubwürdig, dass James Bond sich erstens so schnell verliebt und zweiten sogar seinen Dienst für Majestät und Vaterland aufkündigen möchte. Ian Fleming hat diese Idee ein weiteres Mal natürlich in „Im Geheimdienst ihrer Majestät“ verwendet, wo James Bond heiraten darf, bevor ihm dieses Mal direkt als Racheaktion die Geliebte entrissen wird.  

 Ian Fleming ist immer ein Autor gewesen, der den Luxus geliebt hat. Nicht nur in seinen Agententhriller, die gerne an den Urlaubsorten der Schönen und Reichen spielten, sondern auch im eigenen Leben. Immer wieder hat er sich über exzellente Weine und erlesene Speisen ausgelassen. Eine solche Szene findet sich auch in dieser Comicadaption, aber  ausgerechnet der eher karge, fast distanziert erscheinende Zeichenstil macht dieses besondere Flair zu Nichte. In dieser Hinsicht spiegelt Daniel Craigs „Casino Royale“ wahrscheinlich am ehesten das Lebensgefühl wider, das  Ian Fleming gleich zu Beginn seiner  Romanserie adaptieren wollte.

 Da sich „Casino Royale“  ja fast sklavisch an die Romanvorlage hält,  wirkt die Struktur genauso  unrund wie der Roman. Das Duell zwischen Le Chiffre und James Bond ist ein Höhepunkt, der spannungstechnisch durch die verschiedenen Perspektiven und die Freiheit der ausgewählten Bilder noch interessanter als im Film wirkt. Die Folter von James Bond hat Daniel Craig im Kino schon durchlebt. Ian Flemings Obsession mit Genitalien wird selten nachhaltiger ausgedrückt. Viele seiner Schurken sind ja anscheinend entweder schwul oder steril,  so dass sie nicht selten James Bond über seine Manneskraft, seine Faszination auf Frauen zerstören wollen. Und genau das zeigt der Comic auch.

 Der lange Epilog ist auf der einen Seite emotional ansprechend und am Ende sogar ergreifend, auf der anderen Seite aber auch gewöhnungsbedürftig.  James Bond wirkt in den Armen einer schönen Frau wie ein vor  Liebe blindgewordener Jüngling,  wobei Ian Fleming diese Liebe in seinem Roman ein wenig differenzierter beschrieben hat. Der Funke zwischen den beiden Protagonisten springt nicht einhundertprozentig über, aber das düstere Finale mit einem verrückt werdenden James Bond entschädigt wie der Paukenschlag im Roman dafür. 

 Für manche Generation der James Bond Anhänger ist diese auch farblich auf klassisch gemachte sehr interessante Adaption wahrscheinlich ein Schock. Es gibt nur eine Verfolgungsjagd, bei der James Bond fast naiv in die Falle fährt.  Die Folterszene ist sehr lang und  Zeichner/ Autor bemühen sich im Gegensatz zur literarischen Vorlage auch die Fronten zu wechseln.  Le Chiffre muss den clever versteckten Scheck über die Summe haben, welche James Bond ihm in einem spektakulären Kartenfinale abgenommen hat, nachdem er mit amerikanischer Hilfe zurückkommen konnte. Le Chiffre ist im Grunde der Profi, der James Bond noch werden wird. Rücksichtslos,  skrupellos,  egoistisch und brutal. Sein Ende ist fast eine doppelte Ironie. Das beste Werkzeug  im Stall erweist sich als  schwach gegenüber dem süßen Leben. 

Der beste im Grunde für seinen Job lebende Agent  des Westerns lässt sich von den Millionen France, mit denen er spielt und die er verliert, nicht beeindrucken, aber vom einfachen Leben mit einer einzigen Frau. Es sind diese zahlreichen Facetten des  Originalromans, die in der Comicadaption zwischen den guten Actionszenen aufgerufen werden und dem Leser noch einmal deutlich machen, dass in mehrfacher Hinsicht die Ian Fleming James Bond Bücher nicht nur wegen der exzentrischen Schurken oder ab dem fünften Roman „From Russia with Love“ den interessanten Plots aus der Masse der Agententhriller herausgeragt haben. 

 Und genau auf  diese Stärken konzentriert sich die überzeugende, teilweise extremst verdichtete Adaption eines der auch heute noch interessantesten James Bond Roman aus Ian Fleming Feder.  Liebevoll gestaltet mit einigen Beispielen für  die exemplarische Farbgestaltung im Anhang ist es eine Fokussierung auf den Urbond,  die ansonsten nur durch die Lektüre der englischen Originalromane erreicht werden kann.

ISBN:
978-3-96219-164-1
Erschienen am:
20.08.2018
Autor
Ian Fleming, Van Jensen
Zeichner
Dennis Calero
Einband
Hardcover, Bookformat
Seitenzahl
176 inkl. Bonusmaterial
James Bond Classics: Casino Royale
Kategorie: