Himmelskrieg

David S. Goyer & Michael Cassutt

„Himmelskrieg“ ist der Mittelteil der von David S. Goyer und Michael Cassutt konzipierten Science Fiction Trilogie. Inzwischen ist bekannt, dass Goyer als Regisseur und Drehbuchautor den Auftaktband „Himmelsschatten“ als großzügig budgetiertes Kinoabenteuer adaptieren darf. Auch „Himmelskrieg“ erscheint eher wie ein Drehbuch, das nachträglich zu einem Roman umgearbeitet worden ist. Goyer als Drehbuchautor von zwei Batman Filmen, der Adaption von „Jumper“ und schließlich dem visuell verklärten, aber inhaltlich überschätzten „Dark City“, sowie Michael Cassutt als Produzent von „Max Headroom“ und „Stargate“ haben ohne Frage ein sehr geradliniges futuristisches Abenteuer niedergeschrieben, das allerdings die Konzeption eines Romans geschweige denn einer Trilogie verfehlt und sich zu sehr an den Gesetzmäßigkeiten Hollywoods orientiert. Es ist – keine große Überraschung – nicht unbedingt notwendig, den ersten Band der Trilogie gelesen zu haben. Mit einigen kleinen Exkursen holen die beiden Autoren Neueinsteiger mit an Bord des plötzlich in das Sonnensystem eingedrungenen Himmelskörpers Keanu – kein Hinweis auf den potentiellen Star der Kinoverfilmung. Wie es sich fürs Kino gehört, haben zwei Expeditionen – eine amerikanische und eine in Indien gestartete multikulturelle – den Eindringling erreicht, der sich als künstlicher Flugkörper entpuppt. Obwohl die paranoiden Amerikaner in unweiser Voraussicht einen atomaren Sprengkopf mitgenommen haben, der positiv für die weitere Erforschung des Hohlkörpers an der Oberfläche explodiert worden ist, suchen die Unbekannten im Inneren die Hilfe der Menschen. Mit Hilfe unbekannter Blasen entführen die bislang im Hintergrund agierenden „Wesen“ verschiedene Menschen von der Erde. Dabei greifen sie – für einen Kinofilm nachvollziehbar, bei einem Roman eher ein fauler Kompromiss – auf eine unterschiedliche Handvoll von Charakteren zurück, wobei einige Klischees erfüllt werden. So befindet sich die Tochter eines der Astronauten bei den Entführten, ein verkrüppelter Ex Astronaut, ein sterbender Farbiger, ein chinesischer Spion als Gegenentwurf zu den nicht gerade vorsichtig operierenden Amerikanern, ein indianischer Guru und ein Science Fiction Autor, was allerdings nicht als Comic Relief genutzt wird, sondern das Geschehen angesichts der Erfahrungen dieses Mannes noch absurder und zu ernst erscheinen lässt.

Abgeschnitten von einer Rückkehr zur Erde und vor allem angesichts der Geschwindigkeit, mit welcher Keanu das Sonnensystem wieder zu verlassen droht, unter extremer Zeitnot müssen es sich die Menschen in dem fremden Himmelskörper erst einmal “bequem“ machen. Hilfe erhalten sie vom künstlichen Satelliten selbst, der den Eindringlingen trotz der Atombombenexplosion auf der Oberfläche mehr und mehr eine bewohnbare Umgebung schafft. Während Clarkes „Rendezvous mit Rama“, Bears „Eon“ und selbst Nivens „Ringwelt“ bzw. die augenblicklich veröffentlichte Kooperation zwischen Niven/ Bendford sehr viel mehr Wert darauf gelegt haben, eine wirklich fremde Umgebung zu beschreiben, in welche Menschen eindringen, gehen Goyer und Cassutt einen frustrierend anderen Weg. Sie entwickeln ein Hindernis und relativieren die Herausforderung förmlich für den Leser ersichtlich nach der nächsten „Werbepause“ im Kopf.

Spannung wird erzeugt, durch das Wiedererscheinen von Toten, die während der Untersuchung des Asteroiden gestorben sind. Sie sind in der Lage, den Menschen bei der Untersuchung der Welt zu helfen. Auch wenn die Autoren in diesem Mittelband nicht alle Fragen beantworten, zeichnen sich einige Eckpfeiler ab. An Bord befinden sich ebenfalls Aliens von mindestens zwei Interessengruppen, die in einem Konflikt miteinander stehen. Dabei wird nicht weiter extrapoliert, ob dieser Konflikt alle in ihrer Herkunft verwurzelt ist, oder ob es verschiedene Ideen gibt, wie man mit den Menschen umgehen kann und vielleicht auch muss. Dabei schwanken die Positionen der Autoren. Neben der Idee, dass die Fremden auf einer gänzlich anderen, teilweise unerreichbaren Intellektebene agieren wird angedeutet, dass Keanu nicht nur ein sehr alter, künstlicher Himmelskörper ist, sondern dass die Technik nicht mehr so gut funktioniert. Es bleibt zu hoffen, dass die Autoren nicht im abschließenden Band auf das Klischee der guten Aliens auf die Erde und der bösen Aliens, die ausgerottet werden, zurückgreifen. Vieles bleibt vage und der Versuch, mit diesen Unsicherheiten, die fast ausschließlich aus menschlicher Perspektive Spannung zu erzeugen, bleibt oberflächlich.

Obwohl die beiden Autoren auf sehr viele Grundideen des Genres zurückgreifen und diese bislang unbefriedigend extrapoliert haben, könnte die „Himmels“ Trilogie gute Science Fiction werden. Das große Problem ist, dass weder Cassutt noch Goyer gute Autoren, respektive Buchautoren sind. Sie strukturieren ihre Roman nicht einmal wie ein Kinofilm, sondern eine Fernsehserie. Eine der Fernsehserien, die in erster Linie im Science Fiction Channel laufen und von der Struktur her teilweise an die modernen Superheldenadaptionen wie „Arrow“ erinnern.

Die erste Handlungsebene ist die Erkundung des fremdartigen Flugkörpers in Kombination mit dem Versuch, wieder auf die Erde zurückzukommen und zumindest zu eruieren, ob die Fremden ein Interesse an der Erde haben. Technologisch sind sie den Menschen überlegen und die einzige effektive Waffe – die Atombombe – ist ja schon explodiert. Obwohl sich die Autoren sehr viel Zeit nehmen, diese fremde Umgebung zu erkunden und der Plot eher schrittweise voranschreitet, gelingen ihnen einige fremdartige Beschreibungen. Am Ende des vorliegenden Mittelteils bemerken die Autoren die wenig zufrieden stellende Strukturierung des Buches, ziehen das Tempo zu deutlich an und versuchen einen wenig zufrieden stellenden Übergang zum abschließenden Band der Trilogie herzustellen. Ohne zu viel zu verraten ist dieser Cliffhanger weder spannend noch wirklich interessant. Anstatt von Autoren wie Benford, Niven oder Clarke zu lernen und die Struktur ihres Buches deutlich stringenter zu fassen, versuchen sie die Leser zu verblüffen, wenn nicht sogar an der Nase herumzuziehen. Diese strukturellen Schwächen wären noch zu verkraften, wenn die Autoren zumindest interessante Figuren etabliert hätten. Während ein Larry Niven in erster Linie durch seine Schöpfung überzeugen konnte, konzentrierten sich Benford und Clarke in ihren deutlich überzeugenderen Romanen auf vielschichtige, teilweise auch schwache Charaktere, die über sich selbst hinauswachsen müssen, um diesen unerklärlichen, den menschlichen Verstand übersteigenden Phänomenen zu begegnen. In allen drei Büchern gab es keine „Deus Ex Machina“ Lösung und die Menschen waren in einer gänzlich fremden Umgebung auf sich selbst gestellt.

Diesen Ansatz versuchen Goyer und Cassutt in Fernsehmanier. Stellten die Charaktere schon im ersten Roman die größte Schwachstelle neben der zu lang gezogenen, kaum vorhandenen Handlung dar, wirkt „Himmelskrieg“ noch unstrukturierter. Immer wieder unterbrechen die Autoren schon nicht unbedingt spannende Szenen, um in langen – teilweise sehr langen – Rückblicken voller Klischees die Hintergründe der wirklich nicht interessanten Protagonisten zu entwickeln. Dabei werden einige Mechanismen des modernen amerikanischen Fernsehens gestreift. Da man keine „echten“ Verbrecher an Bord haben möchte, wird selbst beim Drogenkurier eine kitschige Hintergrundhandlung mit der schwerkranken Mutter und der Rehabilitierung dank Umschulung bemüht. Mit der Tochter eines Astronauten soll wohl das jugendliche Publikum angesprochen werden und der verkrüppelte Ex Astronaut ist der Zyniker der Gruppe, der mit seinen nicht unbedingt flotten Sprüchen die überforderten, aber für diese Mission zumindest rudimentär ausgebildeten Astronauten an ihre nicht mehr vorhandenen Pflichten erinnern soll. Der indianische Guru deckt die religiösen Aspekte und wahrscheinlich auch eine entsprechende Zielgruppe ab. Dabei vermeiden die Autoren alle kritischen Punkte und implizieren an keiner Stelle, dass es sich um eine Arche von Gott handeln könnte. Nicht selten möchte der Leser angesichts der Rückblicke, Querverweise, Schuldbekenntnisse und vor allem so oberflächlich geschriebenen Dialoge die einzelnen Protagonisten schütteln und antreiben, damit die Handlung voranschreitet. Das zwei so erfahrene Drehbuchautoren und Produzenten auf so viele Klischees zurückgreifen, ist enttäuscht und zeigt nachhaltig, wie sehr Visualität inzwischen Charakterisierung im Kino abgelöst hat.

Die Actionszenen – klar strukturiert voller Ähnlichkeit mit einer Fernsehserie, die vor jeder Werbepause einen Höhepunkt ansteuern muss und der Idee eines Kinofilms eher widersprechend – sind solide geschrieben. Goyer und Cassutt kennen sich oberflächlich im Genre und seinen Gesetzmäßigkeiten aus, um auf dieser zu rudimentären Handlungsebene oberflächlich agierende Leser zu befriedigen und die Aufmerksamkeit immer wieder von den zu langen Rückblickend ablenkend auf die Haupthandlung zurückzuführen. Es ist schade, dass die Autoren diese in erster Linie visuell gestaltete Trilogie nicht sorgfältiger überarbeitet haben und das vorhandene Potential – für einen Roman im Vergleich zu einem Drehbuch notwendiger – gehoben und besser fokussiert haben. Ein endgültiges Urteil über die „Himmels“ Trilogie wird wahrscheinlich erst gefällt werden können, wenn der abschließende Roman vorliegt und vor allem Goyer seine Ideen ins Kino gebracht hat. Die beiden ersten Arbeiten der Serie zeigen, dass in dieser Form die Idee und vor allem die Ansprüche eines Romans verfehlt worden sind und der Leser lange nach der Nadel im Heuhaufen suchen muss, um über die großen Namen hinaus und wenige gute Ideen befriedigt zu werden. Zuviel, vielleicht sogar noch mehr Potential wird in diesem zweiten Abenteuer verschenkt.  

Originaltitel: Heaven's War
Originalverlag: Ace
Aus dem Amerikanischen von Ingrid Herrmann-Nytko

Deutsche Erstausgabe

Taschenbuch, Broschur, 688 Seiten, 11,8 x 18,7 cm, 1 s/w Abbildung
ISBN: 978-3-453-31531-0