Erst mehr als zwanzig Jahre nach „The Game of X“ ist Robert Sheckley zum Thrillergenre zurückgekehrt und hat mit den drei Romanen um den Hippie Detektiv Draconian den humorvoll lockeren Erzählstil wieder aufgenommen.
„The Game of X“ ist kein Crimethriller, sondern eine Spionagegeschichte. Aus heutiger Sicht könnten einige der Wendungen und Zufälligkeiten bemüht erscheinen, aber das Buch ist in der ersten Hälfte der sechziger Jahre erschienen, als Agenten mit der Lizenz zu Töten die Leinwand eroberten. Zusätzlich ist aus heutiger Sicht interessant, das Sheckley bedingt die Fernsehserien wie „Maxwell Smart“ , aber auch die zahllosen James Bond Parodien der folgenden Jahre vorweg genommen hat. Noch in einer anderen Hinsicht ist das Buch bemerkenswert. Wie John le Carre in seinem Spätwerk, aber vor allem Graham Greene mit seinem legendären „Unser Mann in Havanna“ geht es um die Verstrickungen eines unschuldigen wie naiven Mannes in die Welt der Geheimdienste.
Zwanzig Jahre später adaptierte Walt Disney einige Züge dieses Buches in der Verfilmung „Condorman“, für die Robert Sheckley wiederum die Buchvorlage verfasst hat.
Auch wenn die Vorlage mit Graham Greenes deutlich dunklerem Roman klar erkennbar ist, geht Robert Sheckley in seinem von sehr guten Dialogen getriebenen Buch einen etwas anderen Weg. Bei Graham Greene ist der Staubsaugervertreter verpflichtet, für das erhaltene Geld zu liefern. In „The Game of X“ liegt das grundlegende Problem in der Freundschaft zwischen einem in Paris stationierten CIA Agenten und dem Protagonisten. Dieser bittet ihn um einen kleinen Gefallen. Er soll nur einen Aktenkoffer mit wichtigen Dokumenten von einer Stadt zur nächsten im Zug transportieren. Man will ihn als unbekannten Amateur verpflichten, um keinerlei Aufmerksamkeit zu erregen.
Mit der Auftaktsequenz etabliert Robert Sheckley auch gleich die passende Vorgehensweise. Wie bei Douglas Adams und anderen Genreparodisten muss im Grunde eine Niederlage erleiden, um schließlich dank de im Grunde irrwitzigen Planungen der Agenten und Gegenagenten zu einhundert Prozent zu gewinnen. Da Sheckley das Geschehen alleine aus der Perspektive des neuen Agenten X schildert, bleibt der Leser nicht nur auf Augenhöhe, sondern kann vor allem auch die entsprechenden Schlussfolgerungen nicht selten in einem starken Kontrast zu dessen Beobachtungen ziehen.
Der amerikanische Geheimdienst macht aus dem erfolgreichen Desaster eine Legende und etabliert „X“ als den kommenden Agenten mit zahllosen erfolgreichen Missionen, die er in seinen zahlreichen Alias abgeschlossen hat.
Während X in seiner ersten Mission Dokumente von A nach B bringen soll, ist der zweite Auftrag – der Hauptteil des Buches – mehrere Monate später ungleich komplizierter. Er soll einen russischen Überläufer aus Venedig herausbringen. Und der fordert den besten Mann der CIA an, eben Agent X.
Obwohl er der festen Überzeugung ist, dass dieser Agent X ein Idiot sein muss.
Viele von Robert Sheckleys Thrillern spielen in Europa, nicht selten im südlichen Europa. Das exotische fremdartige Flair hat der Autor förmlich aufgesogen und präsentiert vor den entsprechenden Kulissen seine surrealistischen Geschichten. Mit Venedig hat er sich eine perfekte Stadt ausgesucht. Sie ist nicht unauffällig per Auto und vor allem auch nicht direkt per Flugzeug zu erreichen. Nur von der Adria sowie mittels der Bahn kann sich Agent unauffällig bewegen.
Wie es sich für derartige Thriller gehört, ist der Routineauftrag schon von Beginn an kompromitiert worden. Die Gegner lauern schon in Venedig und versuchen weniger das bekannte Überlaufen zu verhindern, sondern den gegnerischen Meisteragenten zu fassen. Verschiedene Versuche, die Stadt zu verlassen, werden unterbunden, wobei Robert Sheckley eine Reihe von skurrilen Ideen aneinanderreiht.
Die Actionszenen bestehen aus der richtigen Mischung aus Gefährlichkeit und Spaß. In einem ernsten Roman hätte der allgegenwärtige Schurke wahrscheinlich „X“ gleich bei der ersten Begegnung den Gar aus gemacht, aber Sheckley ist als Autor routiniert genug, immer eine verblüffende, ohne Frage auch unlogische, aber zumindest das Tempo des Buches hoch haltende Wendung zu präsentieren. Während die Disney Verfilmung noch mehr in den Bereich des reinen Slapsticks abdriftet und zusätzlich eine aufgesetzte Liebesgeschichte erzählt, bleibt Sheckley am Rande des Klamauks, überschreitet diese Grenze aber nicht. Selbst das Fliegen eines Flugzeuges wird so zufriedenstellend und plausibel angesichts der alten Technik und der Erfahrung aus zahllosen Pulpfliegergeschichten beschrieben, welche Agent X in seiner Jugend gelesen hat, dass man es akzeptiert.
Positiv ist, dass Passanten und auch verletzt und teilweise getötet werden. Was auf den ersten Blick sadistisch erscheint, ist nur konsequent, um aufzuzeigen, dass dieser Idiot Agent X wirklich in der Welt der Geheimdienste, der Attentate und vor allem des Kalten Kriegs lebt, in der jeder Fehler – bis auf die eigenen natürlich – tödlich ist.
Interessant und für die Zeit außergewöhnlich ist, dass Sheckleys Protagonist in mehr als einer Situation auf die Erfahrung aus seiner Lektüre zurückgreifen kann. Dabei parodiert Sheckley nicht nur besser in der Originalausgabe zu erkennen die Agentenstorys, sondern webt neben den Pulphelden Storys der dreißiger Jahre auch manche Anspielung auf die eigenen Science Fiction Geschichten mit in den Plot ein.
Mit knapp einhundertfünfzig Seiten im Original handelt es sich bei „The Game of X“ um ein ausgesprochen schmales Bändchen, das manchmal absichtlich ein wenig hektisch von einer Szene zur nächsten springt. Sheckley ist ein Autor, der Wert auf Kompaktheit legt und trotzdem in einigen Exkursen den historisch geschichtlich sozialen Hintergrund Venedigs manchmal ein wenig belehrend erläutert.
Vielleicht kommen die parodistischen Elemente insbesondere im direkten Vergleich zu Graham Greenes Meisterwerk zu kurz und wie angedeutet wirken einige Szenen zu stark konstruiert, aber selbst heute stellt die Geschichte um den legendären Agenten X eine erbauliche wie kurzweilige Lektüre insbesondere für Leute da, sie Sheckleys Thrillerwerk (noch) nicht kennen.
- Taschenbuch: 126 Seiten
- Verlag: Wilhelm Goldmann Verlag München; Auflage: 1 (1965)
- Sprache: Deutsch
- Originaltitel: The Game of X
- ASIN: B003BX49E6