Der Jesus Deal

Der Jesus Deal, Andreas Eschbach, Titelbild, Rezension
Andreas Eschbach

Zehn Jahre nach dem überraschenden  und verfilmten Thrillerfolg „Das Jesus Video“ legt Andreas Eschbach im Grunde keine Fortsetzung, sondern eine Erweiterung der ursprünglichen Geschichte vor. Im Mittelpunkt steht weiterhin der Fund einer Kamera mit dem entsprechenden Video.

In der ersten Hälfte des Buches sucht der Autor die Quadratur des Kreises. Die Ergebnisse der Reise  sind bekannt, wobei das Original Video in der Hand des religiösen Fanatikers Barron und seiner Familie liegt. Jetzt geht es darum, die  Reise zu initiieren. Die Idee wirkt auf den ersten Blick irritierend und wird vor allem von Andreas Eschbach als sehr große Enttäuschung nicht zu Ende geführt.

Nicht nur bei der Herkunft des Videos führt der Autor eine weitere, lange Zeit im Off befindliche Handlungsebene ein und spekuliert hinsichtlich des Zeitreisenden, obwohl hunderte von Seiten inklusiv fiktiver Interviews, deren Herkunft nicht gänzlich erläutert worden sind, in eine andere Richtung deuten.  Andreas Eschbach hat  sich in seinen letzten Romanen  angewöhnt, wichtige Hintergrundinformationen und Möglichkeiten vor allem nicht direkt zu beschreiben, sondern dem  jeweiligen Protagonisten stellvertretend für den Leser beschreiben zu lassen. In   einigen Büchern funktioniert diese Art der Raffung  sehr gut, in anderen Romanen ist diese Doppelung von Ereignissen eher konstruiert.

Zweimal greifen Charaktere auf Wissen aus der relativen Zukunft zurück,  ohne dass es Verwerfungen gibt. Anscheinend gab es auch mindestens eine Zeitreise, wobei der Autor hinsichtlich der Technologie sehr vage ist. Da der Katalysator dieser  „Reisen“ nur in einer begrenzten Stückzahl in Form der besonderen, im ersten Buch aufgefundenen Kamera vorhanden ist, wirkt  die Idee nicht überzeugend, dass zweimal die gleiche Idee mit dem gleichen Ziel anscheinend von unterschiedlichen Parteien geplant und innerhalb weniger Monate umgesetzt werden wird. Aber diese Art der Konstruktion ist notwendig, um auf der einen Seite immer wieder auf die Handlung der ersten Geschichte zurückgreifen zu können und auf der anderen Seite um „Das Jesus Video“ herum ein neues paranoides Gerüst bauen zu können.

Andreas Eschbach liebt es, Geschichten aus einer persönlichen Perspektive zu erzählen und möglichst die entsprechenden Wünsche/ Vorstellungen/ Hoffnungen, aber auch unmittelbaren wie mittelbaren Bedrohungen auf die persönlichste Ebene zu reduzieren und  dadurch für den Leser  greifbarer machen zu können.     

Stephen Foxx und seine Freundin greifen erst sehr spät, dann entschlossen und dank einiger Zufälle aber perfekt in das Geschehen ein. Bis dahin erzählt Andreas Eschbach von zwei sehr unterschiedlichen Familien.

Auf der einen Seite die Barrons, im Besitz des  Videos.  Der Familienpatriarch ist wahrscheinlich der reichste Mann der Welt, wobei sein Weg dahin erst im Mittelteil des Buches erläutert wird.  Er besitzt das  Originalvideo inzwischen und will die Zeitreise initiieren, um dann mit  einem weiteren spektakulären Schritt die Herrschaft Jesus über die aus seiner Sicht inzwischen sittenlose Welt zu etablieren. Der Plan umfasst nicht nur seinen jüngeren Sohn Michael, sondern vor allem die Idee eines Armageddons. Barrons wird im Verlaufe der Handlung mehr und mehr von einem kühl  planenden religiösen Fanatiker zu einem Psychopathen, dessen Plan im Grunde nicht Jesus zurück an die Macht bringt, sondern zu einem Randereignis auf einer nicht mehr zu bewohnenden Erde macht. In dieser Hinsicht wirkt der komplizierte  Plan ein wenig zu kühn und die in der Tradition eines technischen Tom Clancys Thriller geplante aktive Umsetzung fast schon krampfhaft konstruiert. 

Natürlich sind die Szenen spannend und natürlich ist der Leser verblüfft, wenn nicht nur aus dem Nichts heraus Schurken  sterben, sondern auch liebevoll gezeichnete Protagonisten mit einer  nicht immer lupenreinen Vergangenheit sich bewusst opfern, damit andere leben können.  So wird der ehemalige Kapitalist Kaun aufgrund des schweren, in fast unerträglichen Details geschilderten Schicksals seiner an Leukämie  erkrankten Tochter zu einem fast verzweifelten Menschen, der bereit ist, wirklich alles zu geben.  Es ist eine  doppelte Ironie, dass in dem Moment, in dem er den verrücktesten Plan initiieren will, er Hilfe erhält. Hier schließt sich der Kreis der Geschichte, wie es sich für einen Zeitreisethriller im Grunde gehört.

Andreas Eschbach geht in dieser Hinsicht sehr  effektiv  vor und versucht bis auf die angesprochene Idee einer doppelten Zeitreise möglichst viele Flanken zu schließen. Seine Ansätze sind insbesondere  für  Science Fiction Fans nicht unbedingt neu und an einer Stelle hat man das Gefühl, als eine medizinische Variation des Epilogs  von „Der letzte Countdown“ zu lesen. Ein wenig mehr Mühe hätte sich der Autor schon geben können.

In dieser Hinsicht irritiert auch der Titel des Buches. Während „Das Jesus Video“  klar die entsprechenden Ecken und Kanten zeichnet, sowie den Fund in den Mittelpunkt stellt, gibt es in „Der Jesus- Deal“ kein entsprechendes gegenseitiges  Geschäft.  Alle offenen und provokativen Flanken löst der Autor mit einer fast  klischeehaften Szene auf, welche der Leser tausende von Malen in Zeitreise Science Fiction Filmen oder Kurzgeschichten verfolgt hat. Ein Deal ist eine Abmachung und die bedingt gegenseitige Übereinstimmung.

Es gibt in diesem Buch sehr viele Deals, die mittelbar mit dem „Jesus“ Video, der Idee der Zeitreise und vielleicht einer neuen, im Grunde aufgrund der Idee des Armageddons unchristlichen Zeit zusammenhängen, es gibt aber keinen Deal  mit Jesus direkt.             

Und so wirkt das Ende  auch hektisch, überstürzt mit einem frühen Höhepunkt, dem einiges an Aufräumen und Fragen beantworten gegenüber steht. Diese letzten Kapital sind angesichts der dreidimensionalen und für einen Andreas Eschbach Roman sehr zufriedenstellenden Zeichnung der zahlreichen Protagonisten erfrischend und positiv aufmunternd zu gleich, aber nach der langen sich über mehrere Handlungsebene hinziehenden Exposition hätte ein Leser mehr Antworten als weitere Fragen und vage Hinweise erwarten können.

„Der Jesus Deal“ ist ein solider Thriller mit einigen Stärken im dynamischen Mittelteil und einigen Seitenhieben auf die Paranoia der Welt mit  ihren zahllosen glimmenden Lunten und politischen Ränkespielen.  Er lebt von den gut charakterisierten, manchmal ein wenig zu schematisch agierenden Pro-, aber vor allem auch Antagonisten, während der Autor die Idee der Zeitreise in Jesus Zeit zwar erweitert, aber sich vor allen wichtigen Antworten scheut. Und in diesem Punkt enttäuscht „Der Jesus Deal“ leider sehr.     

ISBN:9783404173532

Sprache:Deutsch
Ausgabe:Flexibler Einband
Umfang:736 Seiten
Verlag:Bastei Lübbe