In den sechziger Jahren hat Robert Sheckley ein halbes Dutzend Thriller geschrieben. Viele Romane in dem für ihn so typisch humorvoll parodistischen Ton, aber einige Wendungen des Genres ohne Frage auch vorwegnehmend.
Über dreißig Jahre später hat der Amerikaner mit der Trilogie um den alternativen Detektiv Draconian eine gänzlich andere Art von Krimi geschrieben. Alle drei Romane haben direkt oder indirekt mit Drogen zu tun, spielen neben Weltstädten wie New York, London oder Paris auch auf Ibiza.
Interessant ist zusätzlich, dass die drei Romane "The Alternative Detective", "Draconian in New York" und "Soma Blue" zwar abgeschlossene Fälle behandeln, Robert Sheckley die Hintergründe seiner liebevoll exzentrisch gezeichneten Protagonisten erst im Laufe der drei Abenteuer enthüllt und der Leser über Draconians Helfer Nigel erst im abschließenden Roman sehr viel erfährt. Im Gegensatz zu vielen anderen Krimi Parodien handelt es sich um echte Fälle, bei denen auch Menschen ums Leben gekommen. Aber wie das beschwingte Lebensgefühl auf der noch nicht vom Massentourismus überrannten Baleareninsel zeitnah direkt aus den neunziger Jahren beschrieben haben auch Sheckleys Verbrecher ein gewisses Gefühl der Ehre. Da macht sich ein Drogenhändler Sorgen um die Zukunft seines Geschäfts, wenn es seine Kinder übernehmen sollen. Dem Mann fehlt die Ehre unter den großen Dealern. Oder Draconian wird am Ende des zweiten Buches aus einer nicht zu vermutenden Quelle geholfen, als er schließlich mit fast leeren Händen und vor allem zu spät nach Ibiza zurückkommt.
"The Alternative Detective" weißt aber auch Unterschiede zu den beiden späteren Büchern aus. Zum einen werden zwei Fälle am Ende fast ansatzlos und doch überzeugend zusammenfließen. Auch in "Soma Blue" müssen Draconian und seine Freunde "zwei" Fälle bearbeiten, die aber rückblickend nichts miteinander zu tun haben. Für den Leser ist die Suche nach besonderen Surfbrettern sowie einem verschwunden Freund Draconians nicht mittelbar miteinander verbunden. Das es schließlich doch Überschneidungen gibt, steht auf dem plottechnisch konstruktiven Blatt des Buches und wirkt ein wenig bemüht. Die zweite Verbindung - die Insel Ibiza - ist auch dem Zufall geschuldet, denn zumindest bei den Surfbrettern ist Ibiza nur Zwischenstation, bevor es relativ schnell nach Frankreich geht.
Der erste Fall soll Sehnsucht erwecken. Draconian lebt mehr schlecht als recht in den USA. In New York. In den sechziger Jahren hat er als Hippie eine alternative Handelsplattform betrieben. Er hat in erster Linie leichte Drogen aus der Türkei schmuggeln lassen. Bei einem Deal ist er verraten und seine Freunde kurzzeitig in der Türkei verhaftet worden. Draconian ist in die USA geflohen, um die erdrückenden Schatten der Vergangenheit hinter sich zu lassen. Den Hippie Status hat er niemals hinter sich gelassen. Er will gerne wieder nach Ibiza zurück, hat aber Angst, sich der eigenen Vergangenheit zu stellen und unter anderem auch seine Ex Frau zu begegnen, die ihr ehemaliges gemeinsames Haus bewohnt.
In New York hat er die alternative Detektei gegründet, wobei Draconian der Einzige ist, der diese Aufgabe als echte Beschäftigung ansieht, während seine Freunde und teilweise Feinde die Schnüffelei eher im Bereich der Beschäftigungstherapie ansehen.
Draconian ist ohne Frage ein cleverer junger Mann, der nicht selten seine Fälle eher instinktiv als durch klassische Deduktion oder gar Arbeit löst. Er ist ein sympathischer Lebenskünstler, der inzwischen auch von seiner zweiten Frau getrennt lebt. Diese hat sich mit seinem Buchprüfer angefreundet und am liebsten würde Draconian beide gleichzeitig loswerden. Er steht zu seiner Hippie Vergangenheit und wird später auf Ibiza wieder eine Kommune betreiben. Draconian ist aber auch ein treuer Freund, der gerne und uneigennützig hilft. Er ist ein Melancholiker, der am liebsten im Sommer auf Ibiza nur Siesta macht. Ein Lebenskünstler, der im Detektivberuf wie ein Fremdkörper erscheint.
So gelangt er auch an seine Aufträge. Die Suche nach den verschwundenen Brettern kann er delegieren, die Suche nach dem verschwundenen Freund übernimmt er selbst. Wie es sich für einen derartigen Roman nicht selten gehört, ist es gleichzeitig eine Coming- of – Age Geschichte, wobei das bei einem alternden, aber nicht alten Hippie schwierig zu definieren ist.
Mit der allgegenwärtigen Insel Ibiza hat Robert Sheckley auch einen Dreh- und Angelpunkt seines Buches erschaffen. Die Gemütlichkeit des Insellebens vor allem aus der Perspektive der wenigen Ausländer stellt fast eine Art Stillleben dar. Kommunikation erfolgte in den neunziger Jahren durch öffentliche Telefone in den wenigen Bars oder das verbale Ausrichten von Nachrichten. Nicht selten dauerte es Tage, bis den Betreffenden die entsprechende Botschaft erreicht. In Sheckleys Buch funktioniert das sehr viel schneller. Und immer erreicht die Nachricht den Empfänger. Angesichts der primitiven Voraussetzungen eher Wunschdenken.
Aber das Flair der Insel mit ihren Schönheiten, aber auch exzentrischen Bewohnern wird exzellent eingefangen. Diese Zivilisationsflüchtlinge aus den USA und Europa, diese angeblichen Künstler und vor allem auch Lebenskünstler sowie die immer geschäftstüchtiger werdenden Einheimischen bilden eine grandiose Kulisse.
Die Fälle sind sehr unterschiedlich. Während die Surfbootsuche sehr schnell und im Grunde effektiv abgehandelt wird, baut hier Robert Sheckley nur eine teilweise überraschend doppeldeutige Pointe ein. Vor allem unterminiert er schließlich die Idee, dass die Bretter einen sehr wichtigen sportlichen Wert darstellen.
Beim verschwundenen Freund ist die Suche sehr lange interessant. Erst als die verschiedenen Hintergründe aufgedeckt werden und Robert Sheckley auf eine altbekannte literarische Variation inklusiv der in den neunziger Jahren noch skandalträchtigen, heute von jeder Realität überholten Verschwörung“ zurückgreift, verliert dieser Handlungsbogen an Dynamik und Spannung. Vor allem wirken einige Aspekte sehr weit hergeholt und entstehen erst im letzten Drittel des Buches. Der dunkle Unterton passt nicht ganz zu den bis dahin humorvoll künstlerischen Ideen der Handlung.
Einige dieser angesprochenen Schwächen werden dadurch ausgeglichen, dass Draconians eigene nähere Vergangenheit in einem engen Zusammenhang mit diesem Freund zu sehen ist. Bei der Suche muss der Detektiv zum Beispiel als Improvisationskünstler bei einem französischen Experimentalfilm mitwirken, was in einigen sehr schönen und sarkastischen Spitzen auf die Filmindustrie und ihre Kommerzialisierung endet.
Immer wieder reagieren die Nebenfiguren überrascht, wenn sich Draconian als Ermittler angesichts seiner nicht unbedingt immer rechtstreuen Vergangenheit vorstellt. Aus den Zwiegesprächen erfährt der Leser viel mehr über die Hintergründe dieser sympathischen, wie empfindlichen Figur als durch dessen in der klassischen Ich- Erzählerperspektive geschriebenen Passagen. Aber Draconian ist kein Macho, kein Sam Space, kein klassischer Schnüffler.
Er sieht in der Detektivagentur nur eine Art Fortsetzung seiner bisherigen alternativen, sozialistisch angehauchten Handelsunternehmungen., wobei es ihm abschließend mehrfach über die drei Romane hilft, monetäre Löcher schnell wie unauffällig zu stopfen.
„The Alternative Detective“ ist vor allem ein ungewöhnlicher, auf den dreidimensionalen Figuren basierender Krimi, dessen Grundlage dank des fließenden angenehmen Stils, sowie den plastisch und überzeugend beschriebenen Ambientes eine untergeordnete Rolle spielt.
- Verlag: Forge (1. Oktober 1993)
- Sprache: Englisch
- Umfang: 220 Seiten
- ISBN-10: 0312850239
- ISBN-13: 978-0312850234