"Hannigan" ist der vierte und vorerst letzte Roman Martin Kays um die Special Agentin Hannigan, ihr bunt zusammengewürfeltes Team und vor allem die Auseinandersetzung zweier Geheimorganisationen. Der Plot setzt unmittelbar an "Die Genrale" an und es empfiehlt sich trotz einiger Querverweise nicht nur auf Ereignisse der ersten drei Romane, sondern wiederkehrende Protagonisten die Reihe in der chronologischen Reihenfolge zu lesen.
Inhaltlich setzt Martin Kay mit "Hannigan" plottechnisch wie symbolisch auf dem Boden ab und rennt immer weiter. Vor allem das erste Drittel des Buches ist durch ein sehr hohes, brutales Tempo sowie unzähligen Actionszenen bis zu einer spektakulären Flucht mittels "Katapult" und "Sofa" gekennzeichnet, das es nicht nur dem Leser den Atem verschlägt, sondern es wie eine Art visueller Overkill auch kontraproduktiv erscheint. Die Spannungskurve wird nicht weiter gesteigert, sondern durch die fortgesetzte, sich gegenseitig überbietende Aneinanderreihung von Actionszenen unterminiert. Auch wenn es wie ein Klischee klingt, wäre ohne Frage weniger in diesem besonderen Fall mehr gewesen.
Natürlich zeigt Martin Kay durch das Hin- und Herspringen zwischen den einzelnen Basen der Geheimorganisation der Generäle und den effektiv gestalteten Angriffen der in enge Latexkleidung gesteckten wunderschönen wie tödlichen Frauen auf, wie minutiös und präzise diese im Grunde absolute Vernichtung einer Organisation hinter den Kulissen der Öffentlichkeit geplant worden ist.
Die ersten Romane der Serie zeichnete eine bessere Balance zwischen den genauso harten Actionszenen und den Hintergrundinformationen aus, die vor allem Hannigan direkt erkunden konnte oder sie wurden ihr von meistens kurze Zeit später sich opfernden Freunden oder Förderern ihrer Mission zu gespielt. Dieses ausgleichende Element tritt erst relativ später im vorliegenden Roman auf. Zu diesem Zeitpunkt wird Hannigan von den wenigen überlebenden Generälen als eine Art Heilsbringer im Chaos angesehen. Eine nette wie konsequent überraschende Wende vor allem nach den ersten beiden Büchern, in denen die Agentin ausschließlich auf Herausforderungen, Prüfungen und Fallen reagieren, aber an kaum einer Stelle wirklich agieren konnte.
Martin Kay agiert bei allen vier bislang veröffentlichten Thrillern auf einem schmalen Grat zwischen Hommage an das mehr und mehr übertriebene amerikanische Actionkino mit seiner „Anything Goes“ Mentalität, dem Kalten Krieg Paranoia Thriller und manchmal auch ein weniger einer Parodie auf einige Klischees.
Bei den Klischees bzw. deren Parodie versucht sich der Autor zu sehr als eine Art harter Mann. So sind seine Generäle selbst im Angesicht des drohenden Todes aufgrund der Überfalls auf die einzelnen Bases noch geil auf die attraktiven Sekretärinnen, welche zumindest in einer Art nutzloser Selbstverteidigung sich zu effektiven, aber nur kurzzeitigen Killermaschinen haben ausbilden lassen. Neben den üblichen Tätigkeiten. Das wirkt so überzogen, das der Leser es nicht wirklich ernst nehmen kann. Mit dem hohen Tempo walzt der Autor über diese Ansätze von Klischees, kann sie aber nicht gänzlich unter den Teppich kehren.
Die ganze Hannigan Serie vom ersten Moment an ist auch eine Aneinanderreihung von waffenfetischistischen ausführlichen Beschreibungen jeglicher Tötungsmethoden der modernen gegenwärtigen Welt. Martin Kay ergötzt sich vielleicht etwas weniger in diesen Details als in den ersten Büchern, in welchen er sogar den Lesefluss unterbrochen hat, um ausführlich die neuste Handfeuerwaffe oder das Scharfschützenzielgewehr einer modernen Eliteeinheit zu beschreiben. Nach dem zweiten Hannigan Abenteuer konzentriert sich der Autor vor allem in dem bis dahin effektivsten Roman der Serie „Die Generäle“ auf eine Reihe von Science Fiction Elementen, die er in eine politisch jederzeit erkennbare Gegenwart integriert hat.
Bei „Hannigan“ ignoriert er diese Vorgehensweise. Alleine die angesprochenen technischen Exzesse bis zu einer vergleichbarer ähnlicher Sequenzen im zweiten oder auch dritten Roman überzogenen und bizarr erscheinenden Actionszene als Abschluss der Auftaktlawine rücken den Band mehr in den Bereich des utopischen Thrillers.
In der zweiten Hälfte geht es um die konsequente Jagd nach dem sich jetzt manifestierten Schurken in James Bond Manier, der wiederum ein eigenes Ziel im Auge hat und versucht, den geheimen Server der von ihm angegriffenen Basen der Generäle unter Kontrolle zu bringen. Martin Kay nimmt das Tempo im Roman nicht zurück, fokussiert aber die einzelnen Handlungsebenen zu Gunsten einer spannungstechnisch besser nachvollziehbaren Struktur. Das Finale ist ohne Frage auch feurig, wirkt aber auch wie ein Antihöhepunkt. Im Vorwege auch mit Hilfe eines Hackers – unter Druck gesetzt mit Drohungen gegen die unschuldige Schwester – hat der Schurke eine neue perfide Waffe entwickelt, eine Art elektromagnetischer Impuls, der nur bei Menschen und weniger Technik wirkt. Die Idee ist bestechend überzeugend entwickelt worden und Martin Kay extrapoliert seine Vorgehensweise im Nachwort noch ein wenig.
Aber negativ nimmt der Autor durch diese nicht immer überzeugende Simplifizierung des Plots auch einiges an Spannungspotential vor allem aus dem ersten, nur konsequent Fragen aufwerfenden Roman zurück.
Es sollen zwar weitere Romane im „Hannigan“ Universum folgen und mit „Das Vigilante Prinzip“ hat der Autor auch einen Abzweiger entwickelt, aber „Hannigan“ zeigt auch gegen Ende einige leichte Abnutzungserscheinungen hinsichtlich der Actionszenen. Es bewegt sich viel und mit seiner plastischen, sehr visuellen, manchmal auch ein wenig despektierlichen Beschreibungen des zahllosen, immer schnellen wie brutalen Sterbens auf beiden Seiten packt der Autor ohne Frage auf der Kurzstrecke seine Leser, auf der Langstrecke eines Romans hätte ein bessere Variation des Tempos allgemein und in einzelnen Szenen sowie eine stilistischere, weniger „grelle“ oder manchmal wie ein überambitionierter Holzhammer erscheinende Beschreibung dem ganzen Buches gut getan.
Darunter leidet vor allem auch die emotionale Zeichnung der Protagonisten. Da reicht auch die ein wenig kitschige, zu cineastische Schlussszene nicht aus. Martin Kay hat im Sinne des technokratischen Actionthrillers ohne Frage eine Reihe von positiven Höhepunkten gesetzt, emotional erscheinen seine zahlreichen Figuren manchmal ein wenig zu pragmatisch, zu eindimensional skizziert als auch sich heraus entwickelt. In „Das Vigilante Prinzip“ überzeugt der Autor in diesem Punkt deutlich mehr.
„Hannigan“ ist trotz der angesprochenen Schwächen ein zufriedenstellender vorläufiger Abschluss der Serie um diese arg gebeutelte Geheimagentin, welcher im ersten Buch der Boden unter den Füßen weggerissen wird, bevor sie mit dem zweiten Band ins Laufen kommt und im abschließenden vierten Teil vom Feind der Generäle zu deren letzter Hoffnung geworden ist.
- Taschenbuch: 366 Seiten
- Verlag: Atlantis Verlag (15. Oktober 2017)
- Sprache: Deutsch
- ISBN-10: 3864025451
- ISBN-13: 978-3864025457