Thomas Ostwald führt die Abenteuer von „Old Shatterhand“ weiter. Nach dem unglücklichen Ende mit der langen Traumsequenz in „Der schwarze Josh“ folgt ein deutlich geradlinigeres Abenteuer, das die Suche nach der Bande des schwarzen Josh genauso umfasst wie einige ergänzende Handlungsstränge. Es ist nicht unbedingt notwendig, die ersten drei Romane gelesen zu haben, da Thomas Ostwald immer wieder neben der laufenden Handlung einzelne Episoden aus den ersten drei Büchern mindestens erwähnt, in einigen Fällen sogar extrapoliert, wobei kein roter Faden aus den Auftaktbüchern wirklich als abgeschlossen betrachtet werden muss.
Auf den ersten Blick erscheint ein wenig unglücklich, dass wieder ein längerer Teil des Plots auf einem Raddampfer spielt. Old Shatterhand erinnert sich an die Ereignisse im zweiten Buch „Auf der Spur“, aber im Süden der USA dienten die alt ehrwürdigen gigantischen Schiffe nun einmal als das Transportherz des Landes.
Gleich zu Beginn wird Old Shatterhand von einer natürlich attraktiven jungen Frau aus seinem Gefängnis befreit. Instinktiv schlägt er sie bei der Rettung nieder, bevor er erkennt, dass es sich um eine Frau handelt.
Old Shatterhand trifft anschließend auf „Old Death“, eine Figur aus „Winnetou“ 2. Thomas Ostwald muss den alten erfahrenen deutschstämmigen Trapper mit einer Drogensucht erst einmal lebendig machen, da er anscheinend in Karl Mays Originalerzählung ums Leben gekommen ist. Der hagere Mann mit einem Gesicht, das an einen Totenschädel erinnert, ist Detektiv für die Agentur Pinkerton und heuert den in dieser Hinsicht nicht unerfahrenen Old Shatterhand - eine der gröbsten und unglaubwürdigsten Abweichungen von den Originalen – an, um eine Bande von Mitgliedern des Ku-Klux- Klan zu verfolgen, welche nicht nur im Süden ihre Schreckensherrschaft im Vakuum des verlorenen Bürgerkriegs wieder aufbauen, sondern als Brückenschlag zu einer Mission, die Winnetou bei seinem bisher einzigen Auftreten in der Serie angedeutet hat, sogar einen Waffentransport überfallen wollen, der nach Mexiko unterwegs ist und für dessen Sicherheit auch Old Death mit verantwortlich ist.
Thomas Ostwald hat den Stoff deutlich besser im Griff als es die letzten beiden Bände der Serie unterstrichen haben. Das Tempo ist von Beginn an sehr hoch. Bevor auf die Details eingegangen werden kann, ist die Anmerkung wichtig, dass Thomas Ostwald auch im Gegensatz zu Karl May und ein wenig dem allgegenwärtigen Friedrich Gerstäcker folgend die Balance zwischen erklärenden Beschreibungen und vordergründiger Handlung in „In den Fängen des Ku-Klux-Klans“ bislang am besten in den Griff bekommen hat. Die wenigen zusätzlichen Informationen werden eher beiläufig erwähnt und wenn Old Shatterhand für seine anonymen Leser ins Beschreiben verfällt, sind diese Hinweise ausgesprochen fundiert und zielstrebig.
Handlungstechnisch reihen sich eine Reihe von sehr interessanten Szenen aneinander. Auch wenn immer wieder vom erfolgreichen und berühmten Old Shatterhand und inzwischen seinem Lehrmeister Old Death gesprochen wird, gelingt nicht jede Aktion. Es beginnt mit der Befreiung von weiblicher Hand über die Begegnung mit der ehemaligen Jugendliebe aus Dresden und endend mit einem wirklich als Holzhammer zu bezeichnenden Hinweis am Ende des Buches. Die junge Dame hat ausgesprochen viel Potential, wirkt offen und modern denkend. Ohne in Klischees zu verfallen oder die Helden Karl May´scher Prägung bloß zu stellen brüskiert sie diese mit ihrer mutigen Vorgehensweise, wobei sich die Frage stellt, ob nicht irgendwann die Frauenfiguren – auch bei den Schurken um den Banditenführer Josh befindet sich eine dominante Frau - zu sehr an den Fundamenten der Karl May Vorlagen rütteln.
Winnetou hat ebenfalls einen kurzen Auftritt, wobei Thomas Ostwald hier nach der ersten Aktion des Indianers aufgrund dessen blumiger Sprache ein wenig ins Schleudern gerät. Stellt sich der Leser den Auftritt des Häuptlings der Apachen cineastisch vor, dann wirkt es teilweise unfreiwillig komisch.
Zusammen mit Old Death eher als pragmatisch zu bezeichnenden Suche/ Materialtransport werden die Protagonisten gegen Ende des Buches positioniert, um den schwierigen Teil dieser Mission auszuführen. Hier bleibt nur die Frage offen, ob nicht das amerikanische Militär als Begleiter eines solchen Transports geeigneter erschienen wäre.
Old Shatterhand selbst hat in erster Linie nur die Möglichkeit, auf die einzelnen Ereignisse zu reagieren, wobei dieser Figur vor allem im vorliegenden Band das gewisse Flair, dieser Hang zu einer spürbaren Überlegenheit bis zu leichter Arroganz fehlt. Teilweise ein wenig zu eindimensional beschrieben und von viel zu langer Hand zu unentschlossen geführt muss sich Thomas Ostwald die Frage stellen, ob die Geschichte vielleicht sogar ohne Old Shatterhand spannender zu erzählen wäre.
Deutlich positiv ist, dass der grundlegende Ton wie in den ersten Büchern sehr dunkel und brutal ist. So lyncht der Ku-Klux-Klan einen Farbigen und nur dank Old Death erfahrenen Auges - Old Shatterhand sieht in der Szene wieder gar nichts – kann ein weiterer Mord dieses Mal nicht nur an einem Helden des Bürgerkriegs, sondern einem weiteren farbigen Pinkerton Agenten verhindert werden.
Thomas Ostwalds psychotische Schurken sind deutlich gefährlicher und wenn der Autor in die Abgründe dieser Geheimgesellschaft eindringt, dann baut er eine konsequent bedrohliche Atmosphäre auf und weicht stark von Karl Mays ohne Frage spannenden, aber teilweise von der damaligen Realität abgehobenen Welten ab. Im Gegensatz zu den bisherigen Romanen fehlt aber „In den Fängen des Ku-Klux-Klan“ auch ein dynamischer Antagonist. Der schwarze Josh taucht noch nicht wieder auf und die einzelnen Gangstergruppen werden eher pragmatisch funktionell beschrieben als das sich selbst hinsichtlich des doppelgesichtigen Anwalts schon eine Figur aus der Masse heraushebt.
Als Auftakt einer weiteren „Trilogie“ – durch die fließenden Übergänge ist dieser Begriff nicht ganz richtig - liest sich das vierte neue „Old Shatterhand“ Abenteuer sehr flüssig und teilweise ausgesprochen spannend mit der richtigen Mischung aus Atmosphäre, Anspielungen auf die Vorlagen und vor allem eigenständig entwickelter Handlung.