![Clarkesworld 137, Titelbild, Rezension Clarkesworld 137, Titelbild, Rezension](http://www.robots-and-dragons.de/sites/default/files/styles/medium/public/buchecke/cw_137_350.jpg?itok=5ZYSWkAg)
Herausgeber Neil Clarke geht auf den Vorentscheidung zur Wahl der besten „Clarkesworld“ Geschichte des Jahres ein, während Chris Urie John Kessel anlässlich seines neusten Romans interviewt. Kessel hat eine seiner mit Preisen ausgezeichneten Novellen erweitert. Der zweite Roman des momentan besten Humoresken des Genres innerhalb von weniger als fünf Jahren. Planeten toter Sterne inklusiv eines ausgesprochen fokussierten Exkurses in den Bereich der Sf Literatur, der sich mit dem Leben im Schatten eines weißen Sternenzwerges auseinandersetzt ist der sekundärwissenschaftliche Beitrag dieser Ausgabe, während die Kolumne „Another Word“ sich mit dem schmalen Grat zwischen technischer Allgegenwart und Eigeninitiative, zwischen Privatsphäre und inzwischen verallgemeinerten Internetplattformen auseinandersetzt, ohne ungewöhnlich für diesen Beitrag eine zufrieden stellende Position zu beziehen.
Der Storyteil besteht weiterhin aus zwei längeren Nachdrucken und als Erstveröffentlichungen dieses Mal zwei Kurzgeschichten in Kombination mit zwei Novellen. Im Gegensatz zu den letzten Ausgaben lässt sich ein echtes gemeinsames Grundthema feststellen.
Julie Novakova ist nicht nur mit der Kurzgeschichte „Deep Down in the Cloud“ vertreten, sie hat auch den Artikel über weiße Zwerge geschrieben. Angst oder eine reale Attacke von Terroristen haben die Menschen dazu gebracht, sichere Datencenter zu entwerfen und zu bauen. Diese müssen nicht wie in der vorliegenden Story unbedingt unter Wasser gebaut werden, auch wenn es den Zugang wie entwickelt erschwert. Marianna und Hector versuchen in eines dieser Center illegal einzudringen, ohne das ihre Motive wirklich nachhaltig entwickelt worden sind. Die anfänglichen Tauchszenen sind intensiv und atmosphärisch überzeugend geschrieben, während der Hintergrund der Geschichte mit einem einzigen Datencenter und der Idee, dass sie als Terroristen besser sind als die „normalen“ Menschen schwach entwickelt erscheinen. Hinzu kommt, dass Julie Novakovas Geschichte gründlich stilistisch hätte überarbeitet werden müssen. Englisch ist nicht ihre Muttersprache, sie beherrscht sie aber ausgesprochen gut. Ein Lektor hätte aber einige Feinheiten glätten müssen, um einzelne Abschnitte verständlicher erscheinen zu lassen.
Der allgegenwärtige Robert Reed präsentiert mit „Obliteration“ eine natürliche Extrapolation eines fast alltäglichen menschlichen Vorgangs: das Erinnern und damit das Speichern von
Erfahrungen, Informationen und Emotionen. Wie immer bei Robert Reed ist die Ausgangsprämisse das Startbrett für emotional ganz andere Themen. Es gibt in dieser Kultur eine Gruppe von Menschen, die nicht nur auf das Speichern von Erinnerungen, sondern Technik im Allgemeinen verzichten wollen. Andere Menschen speichern ihre Erinnerungen an den verschiedensten Plätzen, machen Backups und Sicherheitskopien und erreichen doch nicht ihre Ziele. Zwar findet schließlich der Protagonist an einem unmöglichen Ort zumindest Teile seiner Erinnerungen wieder und besinnt sich auf dieser inneren Reise auf die Werte, die wirklich wichtig sind, aber Robert Reeds Geschichte wirkt hektisch mit zu stark ohne Grund wechselnden Perspektiven niedergeschrieben und verfügt trotz aller Bekenntnisse, das die Frauen schön sind und der Sex außerordentlich gut gewesen ist, über eine Handvoll im Grunde eindimensionaler Protagonisten, die mit der Speicherung der Erinnerungen auch ihre individuellen Identitäten abgegeben haben.
Sowohl „The Power is Out“ – in dieser Story wird nur über eine Reise in den Süden gesprochen – als auch „Umbernight“ haben Expeditionen zum Thema. Carolyn Ives Gilmans Novelle „Umbernight“ ist ohne Frage eine interessante Story, deren grundlegende Wissenschaft wirklich mit einer heißen Nadel gestrickt worden ist. Natürlich lässt sich auch argumentieren, dass Isaac Asimovs „Nightfall“ als auch die „Riddick“ Geschichten Pate gestanden haben könnten. Mit einem Schuss Roger Zelaznys „Straße der Verdammnis“ – das Buch und nicht der Film – zur geschmacklichen Abrundung.
Die Pointe ist vielleicht die schwächste Idee des ganzen Buches. Es erscheint unwahrscheinlich, dass eine derartige wichtige Mission mit einer solch unwichtigen Fracht in einer fernen Zukunft ausgesandt wird. Literarisch ohne Frage ein Paukenschlag und eine interessante Idee, aber wie die wissenschaftlichen Aspekte der Story unhaltbar und dadurch auch kontraproduktiv.
Auf einer Welt mit extremen Witterungsbedingungen und vor allem der regelmäßig auftretenden Strahlung einer Zwergsonne im Schatten der eigentlichen Sonne will eine Gruppe von Siedlern eine Expedition ausschicken, welche das dritte automatisch ab gesandte Raumschiff mit hoffentlich wichtigen Utensilien erreicht, bevor die tödliche Strahlung der Zwergsonne ein Durchqueren der unwirtlichen Landschaft unmöglich macht. Der Ich- Erzähler ist eine Art Mad Max der Außenwelt inklusiv eines entsprechenden Fahrzeugs. Mit einer Gruppe von jungen Freiwilligen macht er sich auf den Weg. Lange Zeit folgt die unterhaltsame Story positiv den Klischees dieses speziellen Subgenres mit einigen Anspielungen auch an Friedkins „Sorcerer“.
Die Charaktere sind solide gezeichnet und ihre Anti Establishment Haltung gegenüber den Ältesten der Siedlung inklusiv einiger so menschlicher und damit unlogischer Handlungen sehr gut beschrieben. Dadurch überzeugen die finalen Szenen während der so genannten „Umbernight“ – die Expedition schafft es natürlich nicht, rechtzeitig das Raumschiff zu erreichen und zurückzukehren .- , in deren Verlauf sich auch die Natur der neuen Strahlung anpasst und aus den Schatten eine gänzlich andere Flora/ Fauna tritt. In diesen Momenten überzeugt die Story durch eine besondere, bedrohliche Atmosphäre und vor allem einem kontinuierlichen Spannungsaufbau, sowie exotischen und originellen Herausforderungen.
Diese fremdartige Umgebung ist auch der Höhepunkt der Novelle. Sie bleiben länger im Gedächtnis als die auf einer schwachen Pointe aufgebauten Story; die aufgesetzt soziale Kritik an einer Extremen unterworfenen Gesellschaft und schließlich einige Längen in der ersten Hälfte der Story, in welcher die Autorin vor allem eine Sympathieebene zu ihren verlorenen freiwilligen Seelen aufzubauen sucht.
Der Chinese A. Que beschreibt in „The Power is Out“ das Überleben einer Handvoll Menschen in einer Großstadt in den Tagen, Wochen, Monaten und anscheinend auch Jahren, nachdem ein globaler Energieausfall die Zivilisation zum Stillstand gebracht hat. Beginnend bei dem konsequenten Ende versucht der Autor wie einige amerikanische Post Doomsday Filme der fünfziger und sechziger Jahre eine Art moralisches Kammerspiel aufzuziehen, in dem vor allem die attraktiven Frauen – ihre Namen widersprechen nicht selten ihren Handlungen – immer wieder opportunistisch den besten Weg für sich suchen. Im Mittelpunkt steht aber einer der wenigen Männer, die durch das rechtzeitige Horten von Lebensmitteln sich eine Art intellektuelle Burg aufgebaut haben.
Ebenfalls unwahrscheinlich erscheint, das Millionen Menschen fast auf einen Schlag sich nach dem Stromausfall umbringen oder Selbstmord begehen, so dass nur aufgrund dieses Faktors die Stadt fast Menschenleer ist. Hier wird ein wenig zu viel konstruiert, um sich auf die fünf Personen konzentrieren zu können. Die Botschaft ist aber klar. Nur die Rücksichtslosesten werden überleben und entweder man ordnet sich unter oder stirbt. Die Atmosphäre ist solide und an einigen Stellen hätte der Geschichte ein breiteres Panorama auf die Folgen dieser Katastrophe besser getan. So wirken einige Szenen eher gestellt und stark konstruiert, während die zynische finale Abrechnung der einzelnen Parteien bis zu einem bitteren Ende durchdacht worden ist und deswegen auch überzeugen kann.
Von den Nachdrucken stammt „Soldierin´“ aus der Feder Joe Lansdales wieder aus der von Gardner Dozois herausgegebenen Anthologie „Warriors“. Ein wenig zu oft in letzter „Clarkesworld“ Zeit. Es ist eine der semiphantastischen Geschichten, in denen nicht selten farbige Soldaten von ihrem harten Leben in einem grotesk realistischen Wilden Westen des 19. Jahrhunderts berichten. Joe Lansdale hat sich in dieser Hinsicht eine Nische erschrieben, wobei er viele Themen schon mit seinen Kurzgeschichten, Novellen wie „The Magic Wagon“ oder wenigen Romanen erschlagen hat. So kann er mit dieser geradlinigen fatalistischen Story mit einem zynischen Rahmen, der nicht abgeschlossen wird, im Grunde keine neuen Ideen vermitteln und verbleibt in seiner hart gesprochen Lansdale Welt, die in Dosen faszinierend wie abstoßend zu gleich ist.
Deutlich interessanter ist Pat Cadigans Novelle „The Girl-Thing Who Went Out for Sushi“. In einer Cyberpunk Zukunft, in welcher es möglich ist, sein Bewusstsein in andere pragmatischere Körper zu verpflanzen, droht ein Komet einen der wichtigsten Monde das Jupitersystems zu zerstören, auf dem wichtige Rohstoffe gefördert werden. Pat Cadigans Zukunftswelt wird oft aus der Perspektive der einfachen Arbeiter, des Volkes erzählt. Das ist auch hier der Fall, wobei die Charaktere durch ihre aufgesetzte exotische Fremdartigkeit nicht dreidimensional genug erscheinen, um dem Geschehen um Revolution von unten, der drohenden Vernichtung durch den Kometen und schließlich dem totalitären Regime, das durch das Unterschätzen der bevorstehenden Katastrophe in die Enge getrieben worden ist, eine notwendig überzeugende Tiefe zu geben. Nicht selten getrieben vom subversiven Humor, den die Autorin auf eine gänzlich andere Art und Weise mit Joe Lansdale teilt, bleiben viele Ideen oberflächlich und das Szenario wirkt vor allem gegen Ende hin ausgesprochen gedrängt, als wenn der schaurig schöne Höhepunkt absichtlich distanziert beschrieben werden sollte.
Die Februar Ausgabe von „Clarkesworld“ überzeugt eher bei den originären Texten, von denen mit Abstrichen die beiden Novellen von A. Que und Carolyn Ives Gilmann auf unterschiedliche Art und Weise herausragen, während die Kurzgeschichten ihre originellen Ideen zu eindimensional präsentierten. Das Titelbild ist allerdings wie bei allen Ausgaben dieses empfehlenswerten Online Magazins ein optischer hingucker.
E Book, 112 Seiten