Helden GmbH und andere Storys

Helden GmbH, Terra Nova 104, Titelbild
Algis Budrys

In „Helden GmbH und andere Stories“ fassen die „Terra Nova“ Herausgeber drei längere Geschichten von Algis Budrys aus den fünfziger und frühen sechziger Jahren zusammen, die verschiedenen Magazinen entnommen worden sind.  

 „Die Befehle der Meister“ heißt im Original „Chain Reaction“ und dieser Titel passt für die kritische Parabel ausgesprochen gut. Auf einer fernen Welt unterdrücken technisch hoch stehende Mitglieder einer fremden Rasse die Bevölkerung. Sie halten sie als Sklaven, lassen sie in der archaischen Gesellschaft unterdrückt auf den im Grunde sinnlos genutzten Feldern arbeiten und bestrafen jede Abweichung mit dem Tod. Als die Fremden von den Menschen vertrieben werden, die ihn einer vergleichbaren Verkleidung den Sklaven nicht nur die Freiheit, sondern Selbstbestimmung schenken, zeigt sich, dass diese Wandlung der Gesellschaft selbst unter den humanitär positiven Idealen nur schwer möglich ist.

 Algis Budrys beschreibt aus der Sicht eines Dorfältesten die verschiedenen Schwierigkeiten. Gegen die bisherigen Meister haben sie fatalistisch eine Art passiven Widerstand entwickelt. Die neuen Meister mit der geschenkten Freiheit werden wie kleine Weltwunder betrachtet. Nur versuchen die Menschen die ehemaligen Sklaven vor Krankheiten und Seuchen zu schützen, in dem sie mehr oder minder druckvoll ihre Erfahrungen weitergeben, was in den stoischen Einheimischen wieder zu gegenteiligen Reaktionen führt. 

 Das Ende der Story ist ambivalent. Ob eine neue Siedlung, ein neuer Ort wirklich die geistigen Sperren im Kopf – die Tradition hat auch die Sklaverei gut überstanden – beheben kann, während die Menschen lernen müssen, eine Synthese aus ihren moderneren Heilmethoden und der Auffassung der Einheimischen zu finden, ist zweifelhaft. Im Grunde hat Algis Budrys viele gut gemeinte Fehler der modernen Entwicklungshilfe vorweg genommen, in dem er die vordergründige Hilfe zur Selbsthilfe als Farce entlarvt. Als eine Art goldenen Käfig, aus dem weder die Helfer noch die Hilfsbedürftigen wirklich entkommen können.

 Die dritte Story „Der Kandidat“ („Death March“) leidet auch unter einer zu hektischen Prämisse. Auf einer fremden Welt allerdings mit einer von der Erde stammenden Kultur müssen sich alle Menschen einem ominösen Eignungstest unterziehen, welcher ihre berufliche und implizierte auch soziale Bestimmung festlegt. Der Protagonist stammt aus einem abgelegenen Dorf und hofft durch das Bestehen des Tests, das er zum Holzsammler aufsteigt. Ein ehrbarer, aber nicht herausfordernder Beruf. Auf dem Weg in die nächste Stadt trifft er verschiedene Leute, welche ihm einige Informationen über ihre eigene Stände, aber auch Ambitionen geben. Algis Budrys nimmt sich Zeit, eine auf der einen Seite primitive, spätestens mit Beginn des Tests aber auch technisch hoch stehende Zivilisation zu beschreiben, bei welcher Schein und Sein konträr gegenüber stehen. Mit dem Test verändert der Autor die Prämisse seiner Story und versucht die Idee von einer zukünftigen Verantwortung aufgrund der potentiell neuen Stellung des Protagonisten auf dessen Schultern abzuladen. Aber die Erläuterungen wirken eher bemüht und vor allem passt der lange Weg dahin nicht zu dem Schnellschuss, mit dem Budrys in den letzten Absätzen seinen Plot buchstäblich abwickelt.

 Wahrscheinlich hätte die Geschichte besser funktioniert, wenn das grundlegende Konzept vom ersten Augenblick untermalt durch Prüfungen oder Herausforderungen nachvollziehbarer gewesen wäre. Hinsichtlich des zu Beginn naiven, bodenständigen Charakters, der eher unbewusst verschiedene Entwicklungsphasen im Zeitraffer durchlaufen muss, macht der Autor sehr viel richtig, aber der inhaltliche Funke will im Gegensatz zur besser herausgearbeiteten moralischen Botschaft in „Die Befehle des Meisters“ nicht überspringen, da hier der fokussierte Hintergrund zu ambivalent, zu zwanghaft allgemeingültig herausgearbeitet worden ist, um wirklich überzeugen zu können.

 Die Titelgeschichte „Helden GmbH“ („In Clouds of Glory“) ist ambitionierter, aber auch hinsichtlich ihrer inneren Struktur sehr viel gedrängter. Die Menschheit hat zwar die Möglichkeit, das All zu erforschen, aber Pluto stellt eine Art künstliche Barriere da. Drei verschiedene Rassen leisten sich außerhalb des Sonnensystems Kriege und versperren der Menschheit den Weg zu den Sternen. Eine kleine Gruppe von Geheimdienstlern entschließt sich, perfekt getarnte Menschen in einer der Zivilisationen einzuschleusen, um dort Sabotage zu verüben und vielleicht durch die Hintertür einen freien Zugang zu den Sternen zu erhalten. Nur haben die anderen Geheimdienste ähnliche Ziele, so dass es zu einer klassischen Pattsituation kommt. Am Ende präsentiert Budrys eine dem Titel entsprechende Story. Anscheinend haben einige Menschen besondere Fähigkeiten, erworben in ihrer langen wie kriegerischen Geschichte, die kapitalistisch „vermietet“ werden können, um auf dem Rücken der Anderen eine Art Gewinnmaximierung zu erzielen. Die Pointe ist zufrieden stellend, wirkt aber angesichts der langen Exposition und der verschiedenen durchgespielten, im Grunde bizarren Ideen fast zu fatalistisch.

 Im Rahmen einer Novelle oder eines Romans hätte Algis Budrys seine Ansätze besser ausspielen können. Der Spannungsaufbau an den verschiedenen Fronten vielleicht auch mit wechselnden Perspektiven wäre nachhaltiger möglich gewesen und vor allem hätte der Leser zusätzlich die Möglichkeit gehabt, mehr über die Geschichte der menschlichen Exploration im All zu erfahren und die fremden Kulturen ein wenig besser kennen zu lernen, damit die abschließende Pointe nachhaltiger wirkt. In vielen Punkten hat Keith Laumer mit seinen „Retief“ Geschichten ein besseres Fingerspitzengefühl für die normalen Menschen absurd erscheinenden Ideen und Planungen der Geheimdienste entwickelt. Zusätzlich fehlt der Story zumindest in der deutschen Fassung ein selbstironischer Unterton. Es wirkt vor allem hinsichtlich der finalen Information zu ernst strukturiert, plötzlich zu ambivalent auf einen eher fiktiven Punkt gebracht. Viele Informationen werden als unumstößliche Fakten präsentiert, wobei deren Potential nicht ausgeschöpft wird.

 Zusammengefasst ist „Helden GmbH“ leider eine Geschichte, die einen längeren und in sich tiefer gehenden Vorlauf benötigt, während der zu sehr aus der Distanz erzählte mittlere Abschnitt Spannung minimierend erscheint, bevor die eigentlich interessante Grundidee im letzten Abschnitt extrapoliert wird.

 Die drei hier zusammengeführten Kurzgeschichten unterhalten solide und unterstreichen, dass Budrys in seinen besten Storys durchaus Versatzstücke der Science Fiction mit neuen Grundideen verbinden konnte. Seine Figuren sind immer dreidimensional charakterisiert worden, auch wenn der aus Litauen stammende Amerikaner manchmal zu sehr die Botschaft vor den erzähltechnischen Plot stellt und dadurch überambitioniert erscheint. Thematisch arbeitet er in den drei Geschichten eine Reihe von Ideen ab, welche auch in einige seiner wenigen Romane wie „Projekt Luna“ – das Testen/ Herausfordern von Menschen – oder „Das verlorene Raumschiff“ – die Manipulation einer primitiven Kultur aus der Ferne – eingeflossen sind.

 

 

Pabel Verlag

Heftroman, 64 Seiten