Wie Herausgeber Thomas Le Blanc in seinem Vorwort bemerkt gliedern sich zufällig und nicht geplant einige Geschichten dieser insgesamt siebenten Phantastische Miniaturen Anthologie zwei Themenbereichen unter. Die Hölle inklusiv ihres prominenten Bewohners und Bibliotheken spielen wichtige Rollen. Aber auch die Angst vor dem Brandschutz und den „Behörden“ und deren verlängerten Organen in Form von Beamten zieht sich wie ein roter Faden durch die Sammlung. Auch Alexander Roeders „Ein Brandbrief“ unterstreicht die Bedeutung des Themas auf eine entlarvende, satirische Art und Weise.
Dabei könnte Karl Ulrich Burgdorfs „Der Architekt“ und Sabine Frambachs „Zur Höhle“ eine Art prominentes Doppel bilden. Während der Teufel in der ersten Geschichte einen neuen Mitarbeiter rekrutieren möchte, der es zu Lebzeiten mit zahlreichen Vorschriften bei seinen Bauten nicht all zu genau genommen hat, leidet in der zweiten Story genau dieser Oberfläche unter den Brandschutzvorschriften, die ihm von einem „Brandschutzbeauftragten“ auferlegt werden. Beide Texte stehen ihre unterschiedlichen Pointen begleitet von pointierten und doppeldeutigen Dialogen sehr stringent an. Auch „Wachablösung“ von Tim Piepenburg gehört zu den Höllengeschichten. Leider kann der Schwung der ersten Zeilen mit einem sehr guten Ansatz nicht durchgehalten werden und am Ende sucht der Autor eher bemüht die Pointe. Zumindest geht die Hölle in Karla Weigangs „Höllischer Brandschutz“ die Probleme und vor allem die Gefährdung ihrer Existenz offensiv und gepaart mit einer verführerischen Lösung an.
Bibliotheken und Feuer bzw. der Schutz vor einem Brand ziehen sich ebenfalls wie ein roter Faden durch die Anthologie phantastischer Kürzestgeschichten. Am Ende der Anthologie zeigt Thomas le Blanc exemplarisch, das er sich wirklich um jeden Besucher seine Bibliothek in „Nießstopfen“ kümmert, während Monika Niehaus im abschließenden und dritten ihrer Beiträge „Burn, Library, Burn!“ nicht nur der Sammlung, sondern auch der phantastischen Bibliothek ein feuriges Ende setzt. Rainer Schorm setzt Thomas le Blancs Ansatz von der Gleichberechtigung der Besucher und den behördlichen Auflagen in „Brandlast Toilette“ eine literarische Krönung auf. Zusammen mit der später kurz vorgestellten Geschichte Jan Osterlohs „Bürokratie ändert sich nie“ stellen sie einen vor allem auch aus heutiger Sicht angesichts des Bürokratiewahnsinns und des Verordnungen Dschungels gute satirische Unterhaltung dar.
Der Herausgeber selbst legt den „Brandschutz in der letzten Bibliothek“ sklavisch genau zum Schutz der Literatur und weniger der Besucher fest, während Fabian Dombrowski in „Wie eine Bibliothek verschwindet und niemand sie vermisst“ von einer Extrapolation der „Fahrenheit 451“ Zukunft berichtet und aufzeigt, dass kein System perfekt ist. Thomas Le Blanc hat seinen Text in Form einer Anweisung verfasst, während Dombrowski in seinem langen Titel viel zu viel vom Plot Preis gibt und seine vielleicht ein wenig zu nüchterne Erzählstruktur sich Spannungsmindernd auswirkt. Zu diesem Thema fügt Katja Göddemeyer mit „Inferno Noema“ eine phantastische Variation mit im Grunde sich selbst schützender Fantasy Literatur hinzu.
Frank G. Gerigks „Die Lockung“ spielt in einem zu renovierenden Museum, das sich als eine Art Venusfliegenfalle für eine besondere Spezies Mensch entpuppt. Zynisch mit einer passenden Pointe unterhält der kurze Text überzeugend.
Der Brandschutz findet aber auch in einigen der draußen in den Tiefen des Alls spielenden Geschichten Anwendung. In „Kältetod“ von Jacqueline Montemurri ist der Titel Programm, in dem die eine Station schützende Systeme sich gegen die Besatzung wenden. Dagegen präsentiert Monika Niehaus mit „Der Modell Bürokrat“, wie die inzwischen bekannteste Kaschemme am Rande der Milchstraße auf den seltsamen Besuch eines Brandschutzinspektors in der Manier Charles Dickens reagiert. „Kältetod“ ist zu geradlinig, zu wenig überraschend verfasst, während in der Kaschemme ordentlich dank der inzwischen nicht nur vertrauten, sondern beliebten Charaktere mit den Klischees der erdrückenden Bürokratie gespielt wird. Jürgen Pfuhl versucht das Thema in einer weiteren in Donnas Kaschemme spielenden Geschichte „Donna´Bar Blow- Up“ zu extrapolieren, aber die beiden Texte stehen sich inhaltlich ein wenig zu stark gegenüber, zumal Monika Niehaus durchgehend einen selbstironischen Ton in ihren Geschichten präsentiert.
Auch „Rauchen ist tödlich“ von Marc Andre Pahl reiht sich zu diesem Themenkomplex. Wie „Kältetod“ ist die Pointe aber zu leicht zu erkennen und der Titel gibt auch zu viel vom Plot Preis. Nicht das letzte Mal in dieser Miniaturen Ausgabe. Sofia Semik treibt in „Gefährliche Elfenflügel“ die Brandschutzverordnungen in dieser Urban Fantasy auf eine bizarre Spitze, wobei die Elfen die Leidtragenden sind. Die Fantasy Elemente sind gut in die gegenwärtige Handlung eingebaut und der dunkle Unterton passt überzeugend zum geradlinig vorgetragenen Inhalt.
Auch die Fantasy hat ihre Brandmale. Hans- Dieter Furrers „Drachenfeuer“ beginnt exotisch überzeugend. In einem abgeschieden gelegenen Tal wird das Feuer statt Strom von einer besonderen Gilde an die Bevölkerung mit ihren kunstvoll gestalteten Kesseln verteilt. Nur die zweite Hälfte des Textes wirkt ein wenig aus der Not geboren und fügt sich eher sperrig zu dem ersten atmosphärisch so überzeugenden Part der Story. Jörg Weigand fügt der Legende um ungewöhnliche Drachen und ihre Feuer noch eine Parabel mit dem prägnanten Titel „Löschversuch“ hinzu. Thomas Merlin zeigt in „Markterschließung“, das die Gier weiterhin die Triebfeder vieler Menschen ist. Zusätzlich präsentiert er eine der originellsten Ideen hinsichtlich der Brandbekämpfung in der ganzen Anthologie.
Alexander Roeders „Rauche: futuristisch!“ wieder um seinen exzentrischen Erfinder zeigt, das es durchaus umständlich geht, wenn ein leichter Weg verstellt ist. Wie Monika Niehaus Storys von der Kaschemme am Rande der Milchstraße stellt Alexander Roeders Protagonist mit seinen weitreichenden Ideen ein gern gelesenen Gast in den Miniaturen dar.
Humor ist immer ein wichtiger Aspekt der Phantastischen Miniaturen gewesen. So reihen sich Jan Osterlohs „Bürokratie ändert sich nie“ und Niklas Osterlohs „Möge der Brandschutz mit euch sein“ in diese lange Tradition ein. Während die erste Geschichte deutlich macht, dass selbst oberste Gerichte die irdischen Behörden nicht zwingen können, ihre aus Gesetzen und Verordnungen bestehenden Körper zu beugen, ist die zweite Pointengeschichte in einem sehr bekannten Universum angesiedelt und führt in der Kürze die Tradition fort, die Kevin Smith in seinen ersten Filmen mit „Chasing Amy“ als Höhepunkt schon begonnen hat. Beide Texte sind nicht nur sehr kurz, sie bringen den Leser zum Schmunzeln und erfüllen überzeugend ihren Zweck. Ansgar Schwarzkopf zeigt in „Der fünfte Reiter“, dass es nicht leicht ist, ungelernt trotz Handwerkszeug einen neuen Beruf zu erhalten. Neben den Seitenhieben auf die Jobcenterbürokratie hat sich der Autor einem biblischen Thema über weite Strecken warmherzig mit vor allem sehr pointierten Dialogen angenommen.
Friedhelm Schneidewind verbindet in „Verlorener Brandschutz“ sogar Karl May und seine bizarren Nebenfiguren mit dem Thema dieser Anthologie. Es ist eine originelle Abwechselung zu den Bibliotheken, Behörden und schließlich vom Titelbild auch Drachen, wobei die Exkursion in den Vampirmythos inklusiv entsprechender Erklärungen einen umfangreicheren Rahmen als diese Miniatur verdient hätte. Zu viele gute Ideen treffen folgerichtig auf zu wenig Raum aufeinander. Michael Wink schlägt den Bogen bis zu Arche Noah, wobei „Vom Aussterben der Neanderthaler“ anfänglich als eine Art absichtliche Zahlenwüste die Balance der Geschichte ein wenig stört. Hinzu kommt, dass der abschließende Bogenschlag ein wenig zu bemüht und konstruiert erscheint.
Zu den schwächsten Texten der Ausgabe gehört leider Michael Rapps „Mission Ethon“. Ambitioniert versucht der Autor mit dieser aus zwei Teilen bestehenden Miniatur zu viel und verzettelt sich schließlich auf der Suche nach einer schlagkräftigen Pointe. Rainer Schorms „Rotstich“ reiht sich in die in diesem Fall übergalaktischen Behördengeschichten ein, wobei der Perry Rhodan Autor zumindest eine Variation zu den anderen Geschichten der Sammlung darstellt. Vielleicht wirkt der Bruch zwischen Geschichte und Pointe zu krass, aber die Miniaturen erlauben den Autoren in dieser Hinsicht auch nicht viel Raum, um an den Plots ausführlicher zu feilen. Letztendlich bemüht sich auch Tim Piepenburg in „Die Tragödie von Heinrich und seinem Paulinchen“ zu stark, einen Plot zu entwickeln. Da hilft auch der Hinweis auf die literarische Vorlage zu wenig.
Thomas le Blanc ist immer wieder laut seinem Vorwort überrascht, welch gute Miniaturen aus im Grunde abstrusen Schlagwörtern entstehen und „Brandschutz“ ist unter den frühen Ausgaben der phantastischen Bibliothek Wetzlars ein Höhepunkt mit den drei Schwerpunkten Hölle, Bürokraten und Bibliotheken, wobei in keiner Geschichte diese drei Komponenten aufeinander treffen.
64 Seiten Din A 4