The Island of Sheep

Island of Sheep, Titelbild, Rezension
John Buchan

„Island of Sheep“ ist der fünfte und letzte Roman um Richard Hannay. John Buchan lässt seinen populärsten Charakter noch einmal in der Rahmenhandlung eines weiteren Abenteuers auftreten, aber die klassische Konstellation mit Hannay als Ich- Erzähler ist in dem Buch nicht angewandt worden.

 John Buchan hat den Roman erst im Jahr 1936 verfasst. Auch zwischen dem vorliegenden Abenteuer und dem letzten Kriminalroman „The three Hostages“ liegen inhaltlich zwölf Jahre. Hannay ist inzwischen in den Fünfzigern, sein Sohn vierzehn Jahre alt und zusammen mit seiner Frau lebt er weiterhin abgeschieden in einem Haus mit entsprechenden Personal. Hannay hat sich von der politischen Bühne zurück gezogen. Interessant ist, dass John Buchan die gegenwärtige Politik der dreißiger Jahre gänzlich ignoriert und mit „Island of Sheep“ – auf dieser abgeschiedenen Insel spielt der Showdown – ein Garn verfasst hat, das über weite Strecken auch an die Abenteuerromane eines Robert Louis Stevensons erinnern könnte. Vor allem greift John Buchan zum ersten Mal expliziert weit in die Vergangenheit selbst vor „Die 39 Stufen“ zurück und entblättert einen Teil der wilderen Vergangenheit Hannays aus der südafrikanischen Zeit.

 Damals hat Hannay hat einer Expedition teilgenommen, welche vor allem nach verborgenen Schätzen auf dem Kontinent suchten. Nur bedingt erfolgreich haben sich die vier Männer geschworen, sich gegenseitig in der Not beizustehen. Der Sohn eines dieser Männer sucht Hannay auf und bittet ihn um Hilfe. Fast parallel hat Hannays allgegenwärtiger und im vorliegenden Roman sehr viel präsenterer bester Freund Sandy Arbuthnot – inzwischen durch den Tod seines Vater zu Lord Clanroyden geworden – eine seltsame Botschaft gefunden, die anscheinend der Vater des Bittstellers auf der letzt endlich erfolgreichen Suche nach einem geheimnisvollen Schatz in Asien vor seinem Tod hinterlassen hat.

 Der Sohn eines weiteren Mitglieds der Gruppe fühlte sich von einem der Männer ungerecht behandelt und sucht jetzt ein Vermögen von dem anderen reichen Sohn zu erpressen. Dieser flieht von seiner Heimatinsel, um Hannay aufzusuchen, während der Andere sich mit einer Reihe von Schurken verbündet, um auf die eine oder andere Art und Weise an dessen Vermögen zu kommen.

 Mit der Ausgangslage des in einem langen Rückblick ausführlich beschriebenen letzten Versprechens der vier Männer umschifft John Buchan die gegenüber der Welt ablehnende Haltung Hannays. Diese wirkte vor allem angesichts der Herausforderungen in „The Three Hostages“ nicht unbedingt glaubwürdig.

 John Buchan entwickelt die Handlung auf zwei Ebenen. Hannay ist der direkte Helfer, der den verschüchterten Mann und dessen Tochter vor einer weiteren Entführung rettet und sie anfänglich in seinem Haus versteckt. Von einem Moment zum Nächsten wird aber aus dem Mann ein aufrichtiger entschlossener „Kämpfer“, der sich auf seinem Heimatgrund der Insel der Schafe ihnen zu einer finalen Auseinandersetzung stellen möchte, um endlich seinen Frieden zu haben. Hannay ist folglich gezwungen, seinen Aktionen zu folgen.

 Viel interessanter ist das Eingreifen von Sandy Arbuthnot, einem im Laufe der Serie mehr und mehr reifenden Charakter. Vor allem in „Greenmantle“ hat er Hannay nicht nur begleitet und ist teilweise auch in wichtigen Abschnitten hinsichtlich einer positiven Lösung des ganzen Konflikts aus der Handlung verschwunden, der Leser hat ab diesem zweiten Roman das unbestimmte Gefühl, als wenn Sandy Abuthnot sehr viel mehr weiß, als er es eigentlich dürfte. Mit weitreichenden Verbindungen in die britische Regierung wirkt er teilweise wie eine aktivere Inkarnation Mycroft Holmes, der im Gegensatz zu Sherlock Holmes Bruder auch aktiv in das Geschehen eingreift. Von Sherlock Holmes hat Sandy die Fähigkeit übernommen, sich nicht nur durch Verkleidung, vor allem eine intellektuelle Anpassung an seine jeweilige Umgebung bei den Feinden einschleichen zu können. Es ist schade, dass bis auf sein geschicktes Vorgehen im vorliegenden Roman Sandy Abuthnot eine Art Randfigur der Serie ist, da sein Charakter nicht nur viel Potential in sich bürgt, sondern seine Aktionen teilweise zielstrebiger und effektiver sind als die Richard Hannays.

 Deutlich kürzer als die letzten drei Hannay Abenteuer hat John Buchan wieder die richtige Balance aus Actionszenen, Hintergrundbeschreibungen und der Charakterisierung gefunden. Richard Hannay überwindet relativ schnell seinen langen Ruhestand und will aktiv in das Geschehen eingreifen. Nur hat er zwei Probleme. Er muss Schutzengel für einen Mann und dessen Tochter spielen, die plötzlich nicht mehr ängstlich sind und die Entscheidung suchen. Handlungstechnisch kompromittierend ist die Tatsache, dass Hannay seinen Sohn mit auf die Insel irgendwo zwischen Dänemark und Norwegen nimmt, der zusammen mit dem jungen Mädchen natürlich in Gefahr gerät, aus welcher sie sich nicht zuletzt dank des eingepflanzten MacGuffins wieder befreien können. Spannungstechnisch sind diese Sequenzen ohne Frage solide geschrieben worden, aber die Dummheit der Jugendlichen in Kombination mit der Unachtsamkeit der Väter steht für die zahllosen Klischees, welche das Thrillergenre seitdem immer wieder produziert hat.

 Es ist aber die einzige offensichtliche Schwäche. Die finale Auseinandersetzung auf der Insel ist kurz, hart und lange Zeit offen. Buchan entwickelt eine dynamische abschließende Auseinandersetzung zwischen den einzelnen Gruppen, wobei ein Teil der Angreifer nicht einmal richtig unsympathisch ist. So umschifft der Autor auch die finale Entscheidung und baut eine Art Kompromiss, der beide Seiten teilweise befriedigt, während die eigentlichen Schurken natürlich aufgrund ihrer Habgier ums Leben kommen oder verhaftet werden. 

 Mit den Hinweisen auf Hannays abenteuerliche Vergangenheit – in „Die 39 Stufen“ hat sich Buchan mit wirklich sehr spärlichen Hinweisen begnügt – rundet der Autor auch diesen Charakter zufrieden stellend ab. Nicht unbedingt gesetzlos, aber die Regeln dehnend hat Hannay schon vor den in Großbritannien spielenden Kriegsabenteuern sehr viel erlebt und seine Überlebensinstinkte geschärft, so dass rückblickend einige seiner Aktionen in den drei während des Krieges spielenden Büchern auch Sinn machen. Das Einhalten eines dem Vater gegebenen Versprechens ist alte Schule und zeigt den Ehrenkodex nicht nur der Zeit. Auch Sandy als treuer Freund und im Grunde Unbeteiligter fühlt sich sofort verpflichtet. Aus heutiger Sicht wirkt diese Nibelungentreue ein wenig befremdlich, aber Buchan nimmt sie positiv als Katalysator des unterhaltsamen und dynamischen Romans.

 Wie in „Die 39 Stufen“ gehört aber die Beschreibung nicht nur der schottischen Weiten – hier liegt Sandys Anwesen -, sondern der rauen Natur auf der kleinen Insel der Schafe zu den Höhepunkten des Romans. Buchan verbindet sie mit der nordischen Mythologie und beschreibt eine urwüchsige, fast unwirtliche Landschaft, die mit ihrer rauen Herzlichkeit aber auch den Menschen inneren Frieden und vor allem das Gefühl das positiven Einsamkeit, der Verbindung mit der Natur schenken kann. Ohne den Handlungsbogen zu weit zu unterbrechen oder zu sehr in Details abzuschwenken geben diese ausführlichen Beschreibungen vor allem dem vorliegenden abschließenden Band eine Dreidimensionalität, eine Zeitlosigkeit und aus der heutigen hektischen Sicht einen Blick in die Vergangenheit, der sich harmonisch der stringenten  Handlung anpasst.

Viele Charaktere aus den ersten Büchern treten noch einmal in kleineren Nebenrollen auf, so dass „Island of Sheep“ in mehrfacher Hinsicht nicht nur ein Abschied von Hannay, sondern allen Figuren ist. Als fünften Band der Serie legt John Buchan noch einmal eine fast klassische Männergeschichte vor, die Figuren immer am Rande des Machos beschrieben, aber eisern entschlossen, ihre jeweiligen Versprechen auf vielleicht ein wenig unterschiedliche Art und Weise auch zu Lasten des eigenen Lebens zu halten. Nach dem schwächeren vierten Abenteuer mit einigen Längen ist „Island of Sheep“ ein spannender, guter und vor allem in jeder Hinsicht auch atmosphärisch überzeugender Abschluss dieser heute zu Unrecht bis auf den ersten Band „Die 39 Stufen“ in Vergessenheit geratenen Serie um Richard Hanny.

 Natürlich finden sich  wie in seinen anderen Büchern einige rassistische Anspielungen vor allem gegenüber den Juden, aber der Leser muss ohne es zu entschuldigen bedenken, dass Buchan diese Serie mit den da ebenfalls vorhandenen Anspielungen/ Anmerkungen lange vor Hitler begonnen hat und er damit leider dem herrschenden Zeitgeist und nicht den brutalen Exzessen der Nationalsozialistischen entsprochen hat. Sie sind immer noch sehr unangenehm zu lesen, aber sollten mit dem entsprechenden Abstand im historischen Kontext zur Kenntnis genommen, wenn nicht akzeptiert werden. 

       

  • Taschenbuch: 184 Seiten
  • Verlag: Leopold Classic Library (15. Dezember 2015)
  • Sprache: Englisch
  • ASIN: B019DYSV9K
Kategorie: