Die neunte Expansion Band 1- Die Reise alter Helden

Dirk van den Boom

Mit "Eine Reise alter Helden" legt Dirk van den Boom den Auftaktband einer neuen Military Science Fiction Reihe "Die neunte Expansion" vor. So kurzweilig sich der ganze Roman auch lesen lässt, hinterlässt er doch den Eindruck, dass die Konzeption der Serie ein wenig auf tönernen Füßen steht. Es bleibt abzuwarten, in welche Richtung sich der Roman entwickelt, aber einige Ideen insbesondere gegen Ende des Buches - die potentielle Romanze zwischen der einzigen Frau an Bord und dem Kommandanten, die in drastisch, gegen die bisherige Charakterführung gesprochenen Dialogen abgehandelt wird und das "Haudrauf" Unternehmen der alten Soldaten - wirken zu sehr in die Handlung gepresst. Anstatt neue Wege zu gehen, verfällt Dirk van den Boom in stereotype Muster nicht nur der gegenwärtigen Military Science Fiction, sondern ein wenig auch seiner zweiten "Tentakel" Trilogie. Die ungeheure Produktivität des sympathischen Autoren ist auf der einen Seite zu bewundern, auf der anderen Seite täte ihm eine Auszeit und vielleicht eine weniger hektische Konzeption seiner verschiedenen Reihen - selbst wenn er an "Die neunte Expansion" anscheinend in erster Linie als Autor beteiligt ist - gut.

Auf der anderen Seite ist der Auftakt des Romans sehr gut und nuanciert geschrieben. Der Bruch erfolgt im Grunde mit der Landung der alten Helden auf der Erde. Die Menschheit befindet sich zu Beginn des Romans seit mehr als einhundert Jahren mit dem Hondh Imperium in einem gnadenlosen Krieg. Die Resourcen der Menschheit sind erschöpft. Die Hondh gehen bei ihren Eroberungen - der Titel der Reihe bezieht sich auf die einzelnen Versuche, kriegerisch das Hondh Imperium zu erweitern - nicht zimperlich, aber vor allem stoisch ruhig vor. Sie lernen aus ihren Fehlern und setzten neue Waffen oder taktische Winkelzüge ohne Emotionen, ohne Hektik bei der nächsten Angriffswelle ein. Kein Mensch hat einen Hondh bislang zu Gesicht bekommen. Diese Anonymität zermürbt die Truppe zusätzlich.  Die "Interceptor" ist ein veraltetes Kriegsschiff mit einer eingespielten, aber viel zu kleinen Besatzung. Als ihre Einheit von den Hondh beim Schutz eines Rohstoffkonvois aufgerieben und der Überlichtantrieb nicht mehr reparabel beschädigt worden ist, beschließen die Besatzungsmitglieder, im Unterlichtflug zur Erde zurückzukehren. Während sie die Zeit im Kälteschlaf verbringen, vergehen auf der Erde 500 Jahre. In der Nähe des Sonnensystems müssen sie feststellen, dass die Hondh schon lange den Krieg gewonnen und die Erde unterjocht haben. Die "Interceptor" versteckt ihre Waffen in einem Raumschifffriedhof und fliegt so unbewaffnet die Erde an, wo die Regierung nicht unbedingt freudestrahlen die Relikte der Vergangenheit erwartet.

 

Wie schon angesprochen ist die Ausführung der ersten Hälfte des Romans überzeugend, kompakt und mit pointierten, aber nicht selbstgefälligen Dialogen gewürzt.  Mit spitzer Feder charakterisiert Dirk van den Boom seine "Helden" vom erfahrenen und ruhigen Kommandanten Thrax, über seine "Assistentin" bis hin zum Exzentriker im Maschinenraum - eine Art Scotty on Speed - oder den Navigator, der wie eine menschliche Extrapolation der Außerirdischen aus "Farscape" erscheint. Nach relativ kurzer Zeit kann der Leser die einzelnen für die zukünftige Serie wichtigen Figuren voneinander unterscheiden.

 

Auf der Erde selbst nimmt der Plot zu viel Tempo auf. Die Hondh kontrollieren indirekt die Erde. Sie fordern ihre Abgaben - über die Höhe gibt es keine richtigen Informationen, sie scheint aber bislang niemandem weh zu tun -, während sie die friedlichen und wichtig unbewaffneten Menschen sich selbst überlassen. Es gibt keine Aufstände und keine Kriege mehr. Wer sich Gedanken über einen Umsturz der bestehenden Ordnung macht, empfindet Unwohlsein. Schnell finden die alten Helden heraus, dass sich das Wesen der Menschen ohne Manipulation von außen nicht verändert haben kann. Hinzu kommen ominöse Hinweise, die sie im Ring eines verstorbenen Offiziers in den Tiefen des Alls gefunden haben, auf ein Superkampfschiff, das zwar fertig gestellt, aber niemals zum EInsatz gekommen ist. Beides sind keine neuen Aspekte des Genres und aus beiden Ideen macht Dirk van den Boom deutlich zu wenig. Zu schnell knacken Thrax und seine Männer diese Hinweise und zu leicht finden sie nicht nur die Manipulation der Menschheit im Allgemein unter Duldung einer Handvoll verantwortlicher Politiker heraus, sondern beseitigen aus Sturheit das Problem. Zumindest deutet Dirk van den Boom an, dass die Helden mit ihrer Vorgehensweise den Untergang der Menschen hervorrufen könnten. Die Argumentation von Thrax ist in dieser Hinsicht sehr dünn und entspricht nicht dem vorsichtigen Wesen eines Offiziers. Aber er und seine Männer fallen recht weich, da ihnen der Weg zu einem der zukünftigen Widerstandsnester durch einen alten Raumschiffer geebnet wird.

Allein der Dialog mit den "Verwesern" der irdischen Flotte heitert den Leser in diesem Handlungsabschnitt ein wenig auf. Die Grundidee einer nicht überprüfbaren Sicherheitsschaltung ist nicht neu, aber Dirk von den Boom macht sich einen Spaß daraus, die "Beamten" und ihre Dummheit ordentlich aufs Korn zu nehmen. Es ist aber der einzige Höhepunkt einer zu diesem Zeitpunkt vorhersehbaren und vor allem erstaunlich distanziert langweilig erzählten Handlung.

Enttäuschend ist, dass insbesondere ein Querdenker wie Dirk van den Boom nicht mehr Ideen in die zweite Hälfte des Buches gestreut hat. Vieles geht zu einfach. Dass die alten Helden wieder in den Krieg ziehen, um die Erde von den Hondh zu befreien oder die fiesen Außerirdischen - sieht man sich die vielen Konflikte heute an, kämen die Hondh vielleicht gar nicht unpassend - zu vertreiben. Es wird kein Gedanke darüber verschwendet, dass der Jahrhunderte lange Krieg (niemand kennt den Auslöser) Millionen von Menschen das Leben gekostet hat. Gedankenmanipulation und Befriedung von oben sind schlecht und müssen weg. Eindimensional und unerklärlich simpel argumentiert der Autor hier. Mit etwas mehr Nachdenken hätten die alten Helden ebenfalls von der Erde fliehen, nach dem legendären Schiff suchen und möglicherweise Untergrundorganisationen finden können, ohne Milliarden von Menschen zu gefährden. Konsequenterweise müssten die Hondh als Reaktion auf die Zerstörung des anscheinend den ganzen Planeten (!) unter Kontrolle haltenden Generators die Menschheit auslöschen. Machen sie aber nicht, sonst wären die alten Helden als Protagonisten blamiert und sollten aufgrund ihrer schlechten Gewissen Selbstmord begehen. Wie schon angesprochen reizt Dirk van den Boom das Potential der Serie viel zu wenig aus und geht bekannte Wege.

Auch finden sich die alten Helden fünfhundert Jahre in der Zukunft viel zu schnell zurecht. Im Notfall wird ein im Geiste "alt gebliebenes Individuum" gefunden, das auch noch über die rechten Hilfsmittel verfügt.  Oder entfernte Verwandte, die ausgehorcht werden können. Nicht nur die alte irdische Technik ist erstaunlich langlebig, sondern vor allem scheint die Zeit in den nächsten fünfhundert Jahren im Vergleich zur irdischen Entwicklung der letzten fünfhundert Jahre gesellschaftlich langsamer zu vergehen. Ein Phänomen, das sich nicht nur im vorliegenden Roman zeigt. Zumindest gibt es immer noch ausreichend Kneipen und damit auch Gäßchen, in denen man sich erstens betrinken und zweitens erleichtern kann. Das Tempo des Plots zieht wieder an, wenn die alten Helden die Erde verlassen und quasi den schon angesprochenen Gruß an die Hondh da lassen. Zumindest macht Dirk van den Boom nicht den Fehler, aus dem Plot ein Hurraepos auf den Widerstand zu machen. Insbesondere Thrax scheint seine Taten reflektieren zu wollen. Aber nachdem und nicht bevor er sie begeht. Diese innere Selbstreflektion wirkt nicht immer ganz überzeugend, aber der Autor bemüht sich, seinen in erster Linie funktionellen Charakteren Tiefe zu geben. 

 

"Die Reise alter Helden" ist ein solider Auftakt einer Serie, die sich insbesondere in Punkto Originalität - siehe auch Campbells Serie um die" verlorene Flotte", wo auch ein Artefakt aus der Vergangenheit der weichen Zukunft zeigen muss, wo ein echter Offizier den Hammer hängen hat - noch deutlich entwickeln muss. Solide und stilistisch ansprechend mit leider zu wenigen Szenen Boom´scher Exzentrik verfasst unterhält der Roman kurzweilig, hinterlässt aber auch ein Gefühl der Leere in Kopf und Magen.  

 

  • Broschiert: 249 Seiten
  • Verlag: Wurdack; Auflage: 1., Aufl. (12. Oktober 2013)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3955560104
  • ISBN-13: 978-3955560102