Die verlorene Flotte 9- die Wächter

Jack Campbell

Mit „Die Wächter“ geht im Grunde der Nachfolgezyklus von „Die verschollene Flotte“ in die zweite Runde.  Wahrscheinlich ist bei „Beyond the Frontier“, wie die Serie im Original heißt, mit dem vorliegenden Roman auch Halbzeit.

Das ganz große Problem der Nachfolgeserie ist – auch wenn es ironisch klingt – die Andersartigkeit im Vergleich zur ersten Miniserie. In den ersten Romanen war Campbells überdimensionaler Held, sich in einem neuen Universum zurechtfindend förmlich auf sich alleine gestellt und kämpfte mit seinen Männern gegen eine Handvoll eher eitel elitärer Offiziere ums Überleben.

Neben der Entdeckung zweier Rassen – hier zeigt Jack Campbell Stärken und Schwächen zu gleich, in dem er fremdartige Zivilisationen eher oberflächlich beschreibt – konnte er eine Art Superschlachtschiff von einer dritten, den Menschen natürlich feindlich gesinnten Rasse erobern und stehlen. Eine Idee, welche viele Leser aus der PR Serie zur Genüge kennen.  Während die Eroberung des Raumschiffs in einem der vorangegangenen Romane zumindest nachvollziehbar beschrieben worden ist, wirkt es stark konstruiert, wenn die Menschen die fremde Technologie fast ohne Probleme assimilieren und das Schiff abschleppen können. Immerhin geht es über eine gigantische Strecke und zum zweiten argumentiert Campbell ein wenig im luftleeren Raum, wenn er auf der einen Seite den ohne Frage vorhandenen  technischen Nutzen dieser Eroberung herausarbeitet, auf der anderen Seite ebenfalls in grauer Theorie seine Flotte durch die Abschleppaktion im Grunde behindert und anfällig ist. In entscheidenden Momenten des vorliegenden Romans werden dann alle Thesen über Bord geworfen und Action in bekannter, gut geschriebener und vor allem dreidimensionaler Manier dominieren den Roman.

  Mit dem vorliegenden Band führt Campbell aber eine weitere Idee ein, die er im Kleinen im ersten Sechsteiler nicht ganz zufriedenstellend ausprobiert hat: eine Revolte gegen die politisch eher diktatorisch regierten Hauptwelten der Allianz. Auf dem Flug zurück macht Campbell mit seiner deutlich größer gewordenen Flotte halt im Midway – Nomen est Omen – Sternensystem, das sich seit einiger Zeit in einer offenen Revolte gegenüber den Syndikatswelten befindet.  Die Rebellen drohen ihm den Flugweg abzuschneiden. Und das in einem Augenblick, in dem Campbells Held Geary nicht nur das angesprochene Superschlachtschiff nach Hause bringt, sondern sich an Bord seines Raumschiffs eine Reihe von Aliens befinden, die mit den Menschen in Koalitionsverhandlungen treten wollen.

Kritisch gesprochen muss sich Jack Campbell den Vorwurf gefallen lassen, spätestens mit dem vorliegenden neunten Band der ganzen Serie die Grundidee der ersten sechs Abenteuer zu kopieren. Geary muss sich durch feindliche Sternensysteme schlagen, deren Bewohner zumindest in der Theorie seiner kleinen Flotte waffentechnisch gänzlich überlegen sind. Nur sind es in diesem Fall keine eher gesichtslos beschriebenen Aliens, sondern Menschen. Das macht für Campbells Protagonisten nur einen bedingten Unterschied, da der Autor mehrfach die klassische Hierarchie des Militärs betont und das Opfer auf dem Weg zur Rettung der Menschen einfach gebracht werden müssen. Bedenkt der Leser im Vergleich zum Autoren zusätzlich, dass neben den Antagonisten insbesondere Politiker in dieser Serie eindimensional, hinterhältig und feige beschrieben worden sind, wirkt Jack Campbells Vorgehensweise wie ein zynischer Anachronismus und ein Verrat an den eigenen Zielen.      

 

 

Zumindest reduziert Campbell seinen Protagonisten aus der Überdimensionalität der ersten Abenteuer auf ein zugängliches Niveau. Er lässt sich ein wenig mehr nicht nur von seiner Frau, sondern auch der einzigen dreidimensional gezeichneten Politikerin nicht nur der Flotte, sondern des ganzen bekannten Campbelluniversums beraten. Der Autor balanciert aber auf einem sehr schmalen Grad, da die Heroisierung des Überadmirals im Verlaufe der Serie sehr weit fortgeschritten ist und eine Rückführung auf ein zugängliches Niveau schwierig ist. Campbell hat dabei eine Art Gleichgewicht der Vernunft gefunden. Viele der Beratungen führen eher ins Nichts, während die großen Schritte der waghalsigen Operation alleine von ihm bestimmt werden. Da Dialoge – das liegt weniger an der deutschen Übersetzung, sondern tatsächlich an Jack Campbells Stil – nicht zu seinen Stärken gehören, wirken manche verbale Schlagabtausche sehr belehrend und langweilig. Die emotionale Ebene ist mehrfach angesprochen worden. Auch hier bleibt der Autor ausgesprochen distanziert und die Funken fliegen nicht einmal im implizierten, aber zumindest ungehörig ins Reich der Fabel abgeschobenen „Dreiecksverhältnis“ eines Admirals zwischen zwei zumindest in der Theorie und auf dem Papier entschlossenen Frauen.  

Wie schon angesprochen gehören die Außerirdischen auch nicht zu Campbells wirklich gelungenen Schöpfungen. Schon in den voran gegangenen Romanen hat er es vermieden, allen fremden Kulturen wirklich überzeugende Hintergründe zu schenken.  Die Tänzer wollen unbedingt nicht nur die Erde besuchen, sie wollen Kansas aufsuchen. Die Motivation wirkt nicht unbedingt überzeugend dargestellt. Hinzu kommt, dass die Erde eine demilitarisierte Zone darstellt und das Auftauchen weniger der Außerirdischen, sondern der von Geary befehligten Flotte eine Provokation darstellen könnte. Auch hier wirkt die Argumentation des Autoren ein wenig zu sperrig. Anstatt die Regierungen des Allianz so zu beschreiben, dass sie die Heimat der Menschheit noch nicht ihnen unbekannten Fremden öffnen wollen, wirkt die Idee der nicht militärischen Zone angesichts der eher mangelnden Hintergrundbeschreibungen ein wenig bemüht. Es ist auch keine Überraschung, dass sich weder Geary – er sieht es als Notwendigkeit angesichts der Mission an – noch seine Gegner darum kümmern und das der Admiral gegen Ende des Buches und weniger des Plots wieder von einer Flotte erwartet wird. Die Idee zieht sich in mehrfacher Hinsicht wie ein roter Faden durch die ganze Serie. Egal, wohin der Admiral mit seiner Flotte kommt, irgendein Gegner erwartet ihn.  Schade ist vor allem, dass sich Campbell im vorliegenden Band nicht richtig entscheiden konnte, welchen Handlungsbogen er weiter verfolgen wollte. Da wäre zum einen die Konfrontation mit den Midway Rebellen, die rückblickend zu simpel und politisch ignorant abgehandelt worden ist. Auf der anderen Seite ist die Rückkehr in den Bereich der Allianz – wie auch am Ende des ersten Sechsteilers – eine herbe Enttäuschung.  Mit Politikern konnte der Autor schon in den ersten Romanen wenig anfangen. Diese Eindimensionalität treibt er im vorliegenden Text leider auf die Spitze.

Auf der anderen Seite zu den Höhepunkten gehören wie schon mehrfach angesprochen die Actionszenen. Raumschlachten kann Jack Campbell wie kein anderer Autor der gegenwärtigen Military Science Fiction beschreiben. Hinzu kommt, dass er insbesondere im vorliegenden Band seinen erfahrenen Helden mit mehreren unterschiedlichen Taktiken konfrontiert und so deutlich bessere Spannungsbögen aufbauen kann.  Das Geary am Ende trotz einiger Überraschungen den zumindest kurzfristigen Sieg davon tragen wird, steht außer Frage, aber die Art und Weise, wie die Auseinandersetzungen beschrieben worden sind, ist weiterhin lesenswert. Es ist nur schade, dass der Autor sich hinsichtlich des Beiwerks nicht mehr Mühe gibt und vor allem den Plothintergrund besser entwickelt. So wirkt „Die Wächer“ – der Titel kann ironisch verstanden werden – eher wie eine Plotskizze denn ein ausgereifter „Beyond the Frontier“ Roman. Zu viele stereotype Handlungen, zu wenig originelle Actionszenen und zusammengefasst vor allem überdurchschnittlich viele eindimensionale Pro- und Antagonisten sowohl auf menschlicher wie auch außerirdischer Seite.     

Bastei Lübbe
Taschenbuch, 543 Seiten
Ersterscheinung: 11.10.2013
ISBN: 978-3-404-20739-8