Mit "Starbound" setzt der Mantikore Verlag die deutsche Erstveröffentlichung der Science Fiction Jugendbuch Trilogie Joe Haldemans fort. Auch wenn der Amerikaner die wichtigsten Ereignisse aus dem ein wenig unstrukturiert und vor allem erst gegen Ende interessanten ersten Band "Marsbound" der Trilogie zusammenfasst, ist es sinnvoll, den Auftaktroman gelesen zu haben.
Wer sich aber vor allem mit Robert A. Heinleins Jugendbüchern auskennt, wird beträchtliche und in dieser Art nicht unbedingt zufällige Ähnlichkeiten zu „Have Suit- Will Travel“ feststellen. In beiden Büchern muss die expandierende menschliche Rasse gegen die vorbeugende Aggression von technologisch überlegenen Außerirdischen geschützt werden. Grundsätzlich ist das nicht einmal für Haldeman oder Heinlein eine nachhaltig originelle Idee. Verbunden werden die beiden Bücher aber durch die Art und Weise, in welcher diese Gefahrenabwendung erfolgt. Wie bei den alten Tragödien wird in einer Art fiktivem und nur im übertragenen Sinne zu verstehen intergalaktischen Gerichtssaal die Zukunft der Menschheit bestimmt. Sowohl bei Haldeman als auch Heinlein muss eine kleine Handvoll Menschen für die gesamte Menschheit sprechen. Dabei idealisieren beide Autoren die im Grunde nur noch in der Theorie vorhandenen vor allem amerikanischen Ideale. Bei Heinlein ist es vor allem ein Jugendlicher, der den Fremden überdeutlich ins Gewissen spricht und dabei gegen eine präventive Vernichtung argumentiert. Bei Haldeman sind es sieben Menschen und zwei Marsianer, die ausgewählt worden sind.
Während Heinleins Roman aber auf der Erde beginnt und relativ schnell zu einem intergalaktischen Abenteuer wird, geht Joe Haldeman einen deutlich beschwerlicheren Weg. Die Menschen haben begonnen, den Mars zu kolonisieren. Die Pioniere haben ihre Arbeit verrichtet und die ersten „ausschließlichen“ Siedler treffen ein. Die meisten Probleme hat Joe Haldeman schon in „Marsbound“ angesprochen. Der Leser folgt wie beim Übergang zwischen dem zweiten und dritten Buch der Trilogie nur noch den Ausläufern.
Übergeordnet greift Joe Haldeman nach seiner Kolonisationsgeschichte mit dem vorliegenden, leider ebenfalls sehr offen endenden Mittelteil seiner Trilogie den Flug nicht unbedingt an Bord eines Generationenraumschiffes, aber zumindest eines „langsam“ fliegenden Raumschiffes mit allen typischen Bordproblemen auf. Die Besatzung wird dabei mit zwei Problemen konfrontiert.
Wie bei der Besiedelung des Mars handelt es sich ja grundsätzlich um Neuland, dem die Astronauten begegnen. Niemals zuvor ist ein menschliches Raumschiff so tief ins All vorgedrungen. Die Besatzung muss ja wie eingangs erwähnt die Menschheit vor den Außerirdischen im Wolf 25 System vertreten, die während des überstürzten Endes des ersten Bandes mit einem Trick getäuscht worden sind.
Joe Haldeman nimmt sich sehr viel Zeit, nicht nur die von der Protagonistin der ganzen Serie Carmen Dula entdeckte Mars Spezies – sie sind nicht auf dem Mars geboren, sondern die geheimnisvollen bösen Fremden haben sie auf dem Mars ausgesetzt bzw. gezüchtet – ausführlich mit ihren sozialen Unterschieden zu den Menschen zu beschreiben, sondern der Autor geht unterhaltsam, aber nur leidlich spannend auch auf die Probleme eines sehr langen interstellaren Flugs ein. Neben den logistischen Herausforderungen geht es vor allem auch um die Schwierigkeit, gegen Klaustrophobie anzukämpfen oder angesichts der räumlichen Enge seine Privatsphäre zu erhalten oder einfach nur mit dem Druck fertig zu werden, als einzige zwischen der Zukunft und/ oder Vernichtung der Menschheit zu stehen. Wie in vielen seiner letzten Romane ist es Joe Haldeman immer wieder gelungen, mit markanten Zügen und auf wenigen Seiten glaubwürdige Charaktere zu entwickeln und ihre Handlungen dem Leser anschaulich, aber auch jederzeit nachvollziehbar zu beschreiben. Dieser Tradition folgt auch der rückblickend beste Band der ganzen, allerdings qualitativ ernüchternden Trilogie.
Die wechselnden, aber sehr voneinander abgetrennten Perspektiven der einzelnen Protagonisten ermöglichen es dem Leser, verschiedene Aspekte des Plots aus unterschiedlichen Blickwinkeln nicht nur zu verfolgen, sondern viel wichtiger sich eine eigene Meinung zu bilden. Allerdings muss sich der Leser auch daran gewöhnen, dass unterschiedliche Ich- Erzähler auftreten.
In diesem Handlungsabschnitt manipuliert Joe Haldeman den Leser nicht, da man quasi als Außenstehender in die emotionalen Gefühlslagen nicht nur der Menschen, sondern auch den drei Marsianer Gruppen an Bord „schauen“ kann. Leider konzentriert sich der Autor im Detail in erster Linie auch auf die allzu menschlichen bzw. marsianischen Gelüste. Sex ist ohne Frage wichtig und auch gesund, aber in dieser dann wieder fast keuschen Anhäufung wirkt es ermüdend. Vor allem vergisst der Autor, dass die Menschen/ Marsianer wirklich als erste auf dieser immerhin sechs Jahre dauernden Reise das Sonnensystem verlassen und das es zumindest wissenschaftlich auch Anreize geben muss, seine intellektuelle Neugierde zu stimulieren als ausschließlich seinen Körper zu befriedigen.
Dem ganzen gegen Ende leider wieder hektisch werdenden Plot gegenüber ist diese Vorgehensweise wahrscheinlich zu phlegmatisch. Die Menschen/ Marsianer begegnen schließlich einem der Avatare der Fremden. Hier beginnen die eigentlichen Probleme. Joe Haldeman hat einen echten Zugriff auf die Fremden. Sie wirken zu überlegen, zu Gottgleich und vor allem als größte Enttäuschung auch zu langweilig. Vor allem macht Joe Haldeman dann gegen Ende des Buches im Grunde zwei Fehler. Während Robert A. Heinlein in „Have Suit- Will Travel“ die überlegenen Fremden als Mitglieder einer intergalaktischen Staatengemeinschaft auf der kommunikativen Ebene zugänglich gemacht hat, wirken Haldemans Überwesen zu abgehoben und zu wenig nachhaltig entwickelt. Es fehlt nicht nur den Menschen der Glaube, dass diese mittels überdimensionaler Warnungen kommunizierenden Wesen überhaupt einen Moment an die Menschen verschwenden. Vor allem der Leser kann es nicht akzeptieren, dass Haldeman sich ein wenig aus dem Plot verabschiedet.
Eine zweite Handlungsebene spielt auf der Erde. So wird zum Beispiel der Staat Israel durch einen verheerenden Anschlag ausgerottet. Angesichts der gut und intensiv geschriebenen Szenen stellt sich der Leser unwillkürlich die Frage, warum die Fremden überhaupt die Menschen entweder vernichten oder ignorieren sollen?? Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Menschheit von der gigantischen intergalaktischen Bühne verschwunden ist, ohne das sich irgendwelche „Götter“ in außerirdischer Form die immateriellen Hände schmutzig machen müssen. Dieser politisch brisante Handlungsbogen verläuft wie einige andere, im dynamischen Mittelteil entwickelte Ideen buchstäblich im Nichts und lässt zusammen mit dem zu offenen Ende „Starbound“ viel zu unrund, zu stark konstruiert und zu wenig mit Herz geschrieben erscheinen.
Auch wenn „Starbound“ wahrscheinlich aufgrund der langen, soliden Exposition mit der Reise zu den Fremden der beste Band der Trilogie ist, erreicht der Roman nicht die Qualität von Joe Haldemans vor vielen Jahren bei Moewig veröffentlichter „Worlds“ Trilogie oder „Guardian“ sowie „Camouflage“, in denen es auch um die Welten da draußen und vor allem außerirdisches Leben geht. Von seinem „The Forever War“ ganz zu schweigen.
- Taschenbuch: 408 Seiten
- Verlag: Mantikore-Verlag; Auflage: 1 (23. Februar 2017)
- Sprache: Deutsch
- ISBN-10: 3945493870
- ISBN-13: 978-3945493878
- Originaltitel: Starbound