Easy Go

John Lange alias Micahel Crichton

Im Laufe seiner Karriere hat Michael Crichton nichts nur die bekannten Techno Thriller geschrieben. Zu seinem Werk gehört neben einem posthum veröffentlichten Piratenroman auch das Abenteuergarn „Der große Eisenbahnraub“, ein spektakulär geplanter Coup. Crichton hat mit Sean Connery in der Hauptrolle diesen Stoff auch verfilmt. Unter den acht John Lange Büchern, die zwischen 1966 und 1972 zur Finanzierung seines Studiums geschrieben worden sind, kommt „Easy Go“ dem großen Eisenbahnraub und auch seinem Piratenroman am Nächsten. Das Buch gehört zu ersten Phase der John Lange Romanen. Die Erstveröffentlichung ist im Jahr 1968 gewesen. Wie es sich für Chrichtons späte Werke gehört, fügt der Autor seinem stringenten Plot in der Tradition von Amblers Vorbild „Topkapi“ eine Reihe von historischen Fakten hinzu. So erfährt der Leser nicht nur einiges über die verschiedenen Königsgräber oder den Gründer des ägyptischen Museums, sondern vor allem dem Umgang der ägyptischen Regierung mit Grabräubern. Crichton spannt den Bogen weiter. Er zeigt auf, wie stark sich die Archäologie beginnend in den dreißiger Jahre bis in die Gegenwart des Romans um das Jahr der Entstehung verändert hat und doch irgendwie gleich geblieben ist. Auch wenn die Legende um ein sagenumwobenes unentdecktes und vor allem nicht geplündertes Pharaonengrab sich bis in die Gegenwart gehalten hat, setzt Crichton die Idee mit einer Mischung aus „Indiana Jones“ Mentalität in der geheimnisvollen wie gefährlichen Grabanlage, sowie dem dreisten Vorgehen eines Teams von professionellen Gaunern geschickt um.

 Katalysator ist der 41 Jahre alte Harold Barnaby. Ein typischer Schreibtischtäter. Er ist Archäologe und träumt in seinem langweiligen Leben weniger von Geld oder schönen Frauen, sondern ewigen Ruhm. Durch einen Zufall übersetzt er eine kaum beachtete, direkt gelesen keinen Sinn machende Schriftrolle und findet Hinweise auf ein weiteres Grab, das absichtlich abseits vom Tal der Könige errichtet worden ist. Er hofft, dort nicht geplünderte Grabbeigaben zu finden. In einem Moment der Schwäche vertraut er sich einem typischen Trickser an. Die Art von opportunistischen Geschäftemacher, die vor allem Kontakte knüpfen und deswegen so wertvoll sind. Gemeinsam überlegen sie, das Grab zu suchen, die Schätze zu heben und auf eine Art und Weise auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen. Während der bis dahin ehrliche Barnaby noch einige Skrupel hat, sieht sein neuer Geschäftspartner die Chance, reich zu werden. Wie es sich für derartige geradlinig geplante Romane gehört, besteht der erste Teil des Plots aus dem Kapitel „Der Plan“. Die einzelnen Mitglieder des Teams werden bestimmt und eingeladen, an diesem Coup der Jahrtausende teilzunehmen. Bislang gehörte die Charakterisierung von Protagonisten eher zu den Schwächen Crichtons. Er hat sich mehr für die Action als die Charaktere interessiert. In dieser Hinsicht unterscheidet sich „Easy Go“ deutlich von seinen anderen John Lange Büchern. Dabei erfüllt der Autor auch eine Reihe von Klischees. Neben dem starken Arm gibt es den Ägypter, eine Chiffre von einem Mann, der sich überall zu Recht findet. Er ist ein ausgebildeter Dieb, ein Organisator und vor allem kann er in Ägypten als Einheimischer durchgehen. Neben dem obligatorischen Geologen findet sich auch ein reicher, gelangweilter exzentrischer Lord, der seine Gespielinnen austauscht wie andere Männer ihre Hemden. Er lässt den Expedition seine „Ziehtochter“ dar, eine intelligente wie schöne junge Frau, die schnell als romantische Einlage ein Auge auf Harold Barnaby wirft. In dieser Hinsicht überspannt John Lange/ Michel Crichton allerdings den Bogen, denn die Chemie zwischen den beiden Menschen wirkt stark konstruiert und wenn am Ende nach einigen Irrungen und Wirrungen ein Happy End herauskommt, dann erscheint nicht nur in dieser Hinsicht der Abschluss des Romans ermüdend und frustrierend. Das Zusammenspiel der einzelnen Teammitglieder wird vom übergeordneten Plan bestimmt. In diesem Punkt ragt „Easy Go“ aus den John Lange Büchern heraus. Crichton nimmt sich sehr viel Zeit, einen entsprechenden Plan zu entwickeln. Die ägyptischen Behörden müssen abgelenkt werden. Das funktioniert am Besten mit einer geplanten Expedition, um seltene Schriftzeichen an den Wänden einiger Gräber im Tal der Könige zu untersuchen. Diese Übersetzungen müssen so lange andauern, bis der Wachhund der Behörden gelangweilt wieder abzieht. Erst dann können sie tatsächlich überwiegend bei Nacht mit ihrer Suche beginnen. Die einzelnen Aufgaben und Abläufe werden minutiös, aber auch spannend erzählt. Es gibt auf den ersten Blick keine Schwächen. Selbst der Verkauf als mögliche Erpressung ist ausgesprochen gut geregelt. Der Leser wird wie die unterschiedlichen, harmonierenden Protagonisten vom exotischen Flair Ägyptens genauso eingefangen wie die klimatischen Extreme sie herausfordern. Bis weit in den zweiten Abschnitt des Buches – natürlich „Die Suche“ benannt  funktioniert der Roman sehr gut.

Wie es sich für diese Art von Subgenre gehört, beginnt die perfekte Inszenierung durch ein Puzzlestück zu bröckeln, das nicht planbar ist. Ihr bisheriger Wachhund ist korrupt und die Behörden tauschen ihn aus, was eine Kette von Ereignissen lostritt, welche neben den Unbilden in der Wüste die Gentlemangauner zu zermahlen droht. Als Kriminalroman überzeugt „Easy Go“ bis zum hektischen, eher opportunistischen als zufrieden stellenden Ende. Es ist nicht das einzige Buch Chrichtons, das zu offen und gleichzeitig zu abrupt beendet wird. Natürlich ist es eine Art Pyrrhussieg und ein dunkles Schwert bleibt über dem Team hängen, aber ein wenig mehr Dramatik oder vielleicht Action hätte dem Plot an dieser Stelle gut getan. Diese Schwäche versucht der Autor mit dem Eindringen in die schließlich gefundene Grabanlage inklusiv einiger perfider Fallen zu relativieren. Hier baut Crichton/ Lange echte Spannung auf, wobei auch hier an einigen Stellen die tödliche Gefahr immer wieder relativiert wird und einzelne Protagonisten selbst gefährlichste Situationen mit einem einfachen Beinbruch überstehen. Vielleicht hätte es der Dramatik gut getan, wenn auch einer der Helden ums Leben gekommen und/ oder die einzelnen Situationen nicht nur mit Muskelkraft und zeitlichem Aufwand bereinigt worden wären. So funktioniert der Roman kurzweilig zu lesen im Mittelteil bis weit in den dritten Abschnitt – „The Last Tomb“ – teilweise zu mechanisch. Crichton baut noch eine Nebenhandlung ein, welche später der Forschungsexpedition die schon angesprochenen Schwierigkeiten bringt, aber der Übergang zwischen den beiden Handlungsbögen wirkt teilweise nicht nur bemüht, sondern vor allem auch stärker konstruiert als es notwendig gewesen ist.     

 Unabhängig von dieser Schwäche liest sich „Easy Go“ aber als Abenteuerroman vor einem exotischen Hintergrund sehr gut. Die Faszination dieser Bücher und nicht selten der daraus resultierenden Filme wie „Top Job- Diamantenraub in Rio“, dem erwähnten „Topkapi“ und schließlich selbst „Der große Eisenbahnraub“ liegt in der Tatsache begründet, das intelligente Leute ein perfektes Verbrechen begehen wollen, in dem es nicht um das Töten von Menschen geht, sondern nur um die Umverteilung von Reichtum. Sie sind keine Robin Hoods oder Gutmenschen, aber alleine die Energie, die sie in diese Taten stecken, erweckt beim Leser eine gewisse Bewunderung. Hinzu kommt der exotische wie gefährliche Hintergrund. In „Topkapi“ ist ein die Türkei mit ihren drakonischen Strafen Dieben gegenüber; in Ägypten ein korruptes Regime,  das die üblichen Verdächtigen einheimischer Herkunft schnell hinrichtet, während es die erwischten Europäer in erster Linie schröpfen will und schließlich Rio die Janeiro in der Zeit des Karnevals mit einer offensichtlichen Militärregierung. Die Gefahr des Erwischt werden, des einen kleinen Fehlers sollte allgegenwärtig sein und am Ende besinnt sich Crichton auch hinsichtlich dieser latenten Bedrohung und baut sie effektiv in die laufende Handlung ein. Die Ereignisse überrollen beginnend mit dem schwächsten Glied die Protagonisten. Zwar eröffnet sich eine kleine Tür, aber Crichton zeigt auf, dass zwischen Plan und Realität immer noch ein Unterschied ist. Wie bei den drei angesprochenen Büchern und Filmen ist es wichtig, dass die Realität der literarischen Fiktion entspricht. Crichton gibt sich sehr viel Mühe, das Lokalkolorit überzeugend zu beschreiben und vor allem neben den eingangs erwähnten Hintergrundinformationen vor allem eine dreidimensionale überzeugende Atmosphäre zu erschaffen, die bestehend aus der Erhabenheit der Gräber im Tal der Könige und endend mit dem unschätzbaren Reichtum, der den Pharaonen mit ins Grab gegeben worden ist, ein verlockendes Ziel darstellt. In dieser Hinsicht liest sich „Easy Go“ immer noch unterhaltsam leicht, auch wenn das Ägypten von vor knapp fünfzig Jahren inzwischen ein wenig, aber nur sehr bescheiden moderner erscheint.

Hardcase Crime hat für die Neuauflage von Glen Orbik ein neues Cover anfertigen lassen, das zu dramatisch erscheint und durch die Untertitel „Men would kill for the Treasures of the Last Tomb“ den Fokus zu sehr auf oberflächliche Action als den mehrfach angesprochenen perfekten Coup, intelligent geplant und möglichst ohne Gewalt umgesetzt, legt. Und der steht für Michael Crichton alias John Lange positiv im Vordergrund.                

October 2013, Hard Case Crime
ISBN: 978-1-78329-120-5
Cover art by Glen Orbik

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