
In den sechziger Jahren lebte John Brunner vom Verfassen knalliger Science Fiction Abenteuerstoffe. Wie andere später sehr populäre Autoren – siehe hier vor allem Robert Silverberg, der wie Brunner auf einen Schlag kritisch und eine neue Richtung findend schrieb – konnten diese in Fließbandmanier mit teilweise vier Taschenbuchveröffentlichungen in einem Jahr geschriebenen Stoffe nur bedingt unterhalten. In späteren Interviews hat sich John Brunner immer sehr negativ über diese Auftragsarbeiten für den Lebensunterhalt geäußert. Zu den Werken, für die er sich am meisten schämte, gehörte „Das Monstrum aus der Tiefe“ („The Atlantic Abimination“). In den sechziger Jahren erschienen wirkt der Stoff deutlich älter und könnte ohne Probleme in den Pulpmagazinen der Dreißiger erschienen sein.
Wie es sich für diese Stoffe gehört, führt der Prolog einige Jahrtausende vor der eigentlichen Handlung spielend den Leser in die grundsätzliche Bedrohung ein. Es ist der einzige offensichtliche Hinweis auf den Atlantis Mythos mit der untergegangenen Insel. Die Idee, eine Basis für eine Person auf der vom Untergang bedrohten Insel zu schaffen, ist anscheinend parallel zur Perry Rhodan Serie entwickelt worden. In der Gegenwart erforscht eine Gruppe von Ozeanologen einen bestimmten Sektor der Unterwasserwelt, als ein Beben und eine Lawine einen der ihren auf dem Meeresgrund verschütten. Luke findet durch diesen Erdstoss eine anscheinend außerirdische, vor Jahrtausenden versunkene Stadt, in welcher der Körper eines außerirdischen Wesens erstaunlich unbeschädigt konserviert worden ist. Nach der ersten erfolgreichen Rettungsaktion ist Luke verändert und will immer wieder zu der auf dem Meeresgrund liegenden Stadt zurückkehren. Im Gegensatz zu den einzelnen Protagonisten erkennt der Leser natürlich sehr viel schneller die Zusammenhänge.
Es kommt zu einem eher ambivalenten Zeitsprung. Zu Beginn hat sich John Brunner sehr viel Mühe gegeben, die einzelnen Protagonisten zu entwickeln und eine Dreiecksgeschichte zu implizieren. Der in der Schule schon seiner Zukunft überzeugte Luke hat Mary Davis inspiriert. Sie ist ebenfalls Meeresbiologin geworden und hat sich Lukes Team angeschlossen. Dabei hat sie sich in Peter Trant verliebt. Während des Zeitsprungs heiraten die Beiden, während Luke verschwunden bleibt. Sie werden schließlich nach Florida gerufen, wo das Monster sich inzwischen auf die Küste zu bewegt. Anscheinend handelt es sich um eine Art außerirdischen Überlord, der vor allem Menschen versklavt und seine alte Herrschaft über die Erde wieder antreten möchte.
“Das Monstrum aus der Tiefe“ ist eine Art literarischer B Movie. Viele Vorbilder kommen dem Leser ins Gedächtnis. Die Invasion der Küste durch archaische Monster wie „Godzilla“ oder dem Dinosaurier in „Beast from 20,000 Fathoms“ ist ein beliebtes Thema. John Brunner folgt in den abschließenden Actionszenen genau diesen Mustern und kann dadurch auch wenig Spannung aufbauen. Der Autor folgt zu sklavisch den Versatzstücken. Anstatt den Science Fiction Plot vielleicht deutlich mehr in Richtung Horror zu entwickeln, bleibt er an der Oberfläche. Die Fantasy Ideen wirken aufgesetzt und sind zu wenig extrapoliert. Dabei verfügt der Roman über ausreichend Potential allerdings auf einem für den frühen John Brunner typischen, für den späteren John Brunner artfremd wirkenden Niveau. So würde der außerirdische Sklavenherr mit ein wenig Mühe beschrieben und charakterisiert als eine interessante Bedrohung von jenseits der Sterne durchgehen. Von Dänikens Götter von den Sternen lassen in diesem Punkt grüßen. Die untergegangene Hochkultur wird nur bedingt beschrieben. Neid und Missgunst beherrschen diese Priesterkaste. Wobei auch hier John Brunner mit der menschlichen Brücke einige eindrucksvolle Szenen gelingen. Ebenfalls überzeugend sind die ausführlichen Beschreibungen der Tiefseeforschung auf dem damaligen Stand. John Brunner erzeugt nicht nur die klaustrophobische Atmosphäre, sondern nutzt diese effektiv, um den Adrenalinkick genauso zu beschreiben wie auf der anderen Seite die Sucht nach neuem Wissen. Für einen Roman aus den sechziger Jahren wird der erwachende Außerirdische vor allem als amerikanische Bedrohung beschrieben, während die Chinesen und Russen aber zumindest nicht eindimensional und klischeehaft im Hintergrund erscheinen. Ein Außerirdischer, der ein Sklavenheer rekrutiert, erscheint als eine zu regionale Bedrohung, auf welche die Militärs vor allem nicht so effektiv reagieren können, weil sie nicht tausende von unschuldigen Menschen ermorden wollen. Während des finalen Showdowns ist diese Idee dann in den Hintergrund geschoben worden und John Brunner konzentriert sich auf eine direkte wie finale Konfrontation, welche den Roman solide, aber nicht inspiriert abschließt.
Nicht nur auf den ersten Blick, sondern auch einer tiefer gehenden Analyse ist „Das Monstrum aus der Tiefe“ auch für Brunners Frühwerk ein ungewöhnlicher Roman, dessen Quellen klar zu erkennen sind. Aus dem vorhandenen wie bekannten Material macht der Autor zu wenig. Aus heutiger Sicht stellt dieses Unterwasser Pulp Abenteuer ohne Frage ein Kuriosum dar. Wer gerne John Brunners literarische Wurzeln erforschen möchte, wird zumindest mechanisch von dem sehr stringenten und rasant ablaufenden Plot einen Nachmittag kurzweilig wie bei einem B- oder C Film solide unterhalten.
- Publication: Das Monstrum aus der Tiefe ISFDB Publication Record # 497957
- Authors: John Brunner
- Year: 1973-09-25
- Catalog ID: #TA111
- Publisher: Pabel-Moewig
- Pub. Series: Terra Astra
- Pub. Series #: 111
- Pages: 65
- Binding: digest
- Cover: Eddie Jones