October the First is too Late

Fred Hoyle

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts veröffentlichten Arthuer C. Clarke und Stephen Baxter eine Trilogie von Romanen, an deren Spitze “Time´s Eye“ gestanden hat. Auch Gordon Dickson  „Sturm der Zeit“ verarbeitete eine vergleichbare Idee.   Eric Flint sitzt mit seiner „1632“ Serie zwischen Dickson sowie Clarke/ Baxter  Mit der sechziger Jahre widmete sich der Science Fiction Autor, Mathematiker und Astronom ebenfalls dieser Idee.  Im Gegensatz allerdings zu den angesprochenen Büchern versucht Fred Hoyle in seinem markanten, sehr distanzierten, teilweise emotionslosen Stil auch noch die Idee des Zeitparadoxons wissenschaftlich zu erläutern.  Der Sohn, der in der Vergangenheit seiner schwangeren Mutter begegnet, die natürlich mit ihm schwanger ist, erscheint als einer der intellektuellen Exzesse, die nicht unbedingt notwendig sind.

Von Beginn an interessant ist, dass Fred Hoyle im Vergleich zu vielen anderen seiner Science Fiction Romane auf einen Wissenschaftler als Protagonisten verzichtet und sich für den Umfang des Romans sehr viel Raum nimmt, um einen professionellen Musiker einzuführen, der zufällig auf der Rückreise von einem Konzert mit drei Freunden abstürzt; sich an alte Zeiten erinnert; dann mit einem der typischen Wissenschaftler in die USA reist, um hier seine wahre Liebe kennenzulernen und schließlich auf Hawaii von den Ereignissen überrollt wird. Der Leser sucht die phantastischen Hinweise in dieser ersten, aus heutiger Sicht gemütlich erscheinenden Hälfte des Buches fast vergeblich. Nur die Idee, dass der Wissenschaftler an einem Tag noch ein Muttermal auf der Schulter hat, am nächsten nicht mehr könnte als Fingerzeig in eine Zeitreise/ Parallelweltgeschichte dienen. Aber auch hier suchen die Protagonisten vor allem natürliche Ursachen.    

Hoyle macht bei der Einführung aber auch einige Fehler. Der Fokus liegt auf einem Musiker und vor allem dessen teilweise selbstkomponierter Musik. Bei Konzerten finden sich ausreichend Hinweise auf klassische Stücke. Unwillkürlich wird die Erwartungshaltung geweckt, das Musik im Allgemeinen und vielleicht seine Stücke im Besonderen mit den übernatürlichen Phänomenen in Verbindung stehen. Gegen Ende vergisst Hoyle diese Idee wieder.  Auch die Zeichnung seiner Figuren ist ambivalent. Er versucht sie dem Leser näher zu bringen, entwickelt sie aber rudimentär und vor allem nicht immer natürlich genug. Natürlich ist es für einen Betrachter der heutigen Zeit, diese Jetset Gesellschaft mit ihren oberflächlichen Eitelkeiten richtig einzuschätzen, aber in einigen emotional wichtigen Szenen wünscht man sich einen Ausbruch, eine Regung oder vielleicht nur eine verblüffte Reaktion.

Die Ausgangslage der Zeitverschiebungen sind starke Sonneneruptionen und daraus resultierend eine Verschiebung der einzelnen Zeitzonen. Während man heute bei ungewöhnlichen Ereignissen unwillkürlich an Terroristen denkt, herrscht auf Hawaii durch das Verschwinden jegliches Kontakts zur Westküste der USA der Gedanke vor, der dritte Weltkrieg mit einem Angriff der nur indirekt genannten Russen hat stattgefunden. Ein Langstreckenflugzeug wird ausgeschickt und findet tatsächliche Menschen vor. Aber sie leben in Blockhütten und verfügen über Lagerfeuer.  Parallel in England wird entdeckt, dass auf dem Kontinent anscheinend der Erste Weltkrieg weiter tobt. Um den Krieg zu beenden und vor allem die kaiserliche Seite zu schockieren, senden die Briten Flugzeuge aus, welche über Berlin Tonnen von Papier abwerfen. Darauf geschrieben sind in einer eindrucksvollen Szene die Namen der Soldaten, die in den kommenden Monaten im Irrsinn der Gräben Kämpfe fallen werden.  Aber Hoyle geht noch einige Schritte weiter. Griechenland ist wieder in seiner Hochkultur angekommen, während vor allem Asien und Russland anscheinend durch einen zukünftigen offenbar auch atomar geführten Krieg vollkommen zerstört worden sind.  Nur Großbritannien scheint in den Sechziger zu verharren, der Zeit, in welcher Hoyle seinen Roman geschrieben hat. Erzkonservativ schaut der Autor aber streng auf die Jugend und konzentriert sich auf die wissenschaftlichen Diskussionen, die politische Agitation und schließlich die allerdings verhaltene militärische Intervention allerdings als Selbstschutz.   

Die beiden Freunde müssen sich quasi auf eine Reise durch die Zeitzonen begeben. Das ist grundsätzlich keine wirklich originelle Idee. Zu viele Romane haben sich dieser klassischen Quest gewidmet. Und Fred Hoyle kann diesem Ansatz auch keine neuen Impulse geben. Der Autor isoliert unverständlich die einzelnen Zonen zu sehr voneinander. Interaktion wäre aufgrund der sehr differenzierten kulturellen und historischen Hintergründe von Beginn an schwierig, aber selbst die Versuche bleiben im Ansatz stecken. Dabei sind die Zeiten nicht schlecht beschrieben. Vor allem der Erste Weltkrieg und die endlos erscheinenden von einer glasartigen harten Substanz überzogenen Weiten Russlands werden dem Leser länger im Gedächtnis bleiben als einige eher rudimentäre Actionszenen.

Gegen Ende bietet der Autor aber auch keine nachhaltige Lösung an. Während in „1632“ oder  Dicksons „Time Storm“  die Phänomene bleiben, löst Hoyle seine Fleckenteppichwelt durch ein Nachlassen der Sonnenaktivitäten wieder auf. Durch diese Vorgehensweise fehlt dem Buch ein Showdown, eine weitergehende Erklärung dieses unerklärten anscheinend einzigartigen Phänomens. Vor allem weil Hoyle auf einen Trick zurückgreift. Er lässt die „Zeit“ in einer Art Dokumentarfilm vor den Augen der beiden Protagonisten ablaufen. Sie erleben den Aufstieg einer Zivilisation ohne Fortschritt. Der Stillstand ist der neue Status Quo. Hoyle geht nicht weiter auf die negativen gesellschaftlichen Exzesse eines derartig kontinuierlichen Stillstands ein. Es ist nicht ungewöhnlich, dass sich der Erzähler auf diese eher theoretisch lebenswerte Zeit einlässt, während sein Freund den Weg zurück antritt.

Es ist das Ende einer in vielerlei Hinsicht auch belehrenden Reise. Neben der eher vage wirkenden wissenschaftlichen Grundtheorie der aus Schubladen/ Fächern bestehenden Zeit, die in unterschiedlicher Reihenfolge quasi geöffnet und geschlossen werden können konzentriert sich Hoyle auf die Idee, dass  die Menschheit unabhängig von der kulturellen Stufe – siehe das alte Griechenland und aus europäischer Sicht eher ironisch zu betrachten das britisch demokratische Empire der sechziger Jahre natürlich als positive Beispiele – sich nur selbst immer wieder vernichten kann.  Eine dunkle Vision, die Hoyle der Tradition H. G. Wells folgend mit dem Vorschlaghammer präsentiert.

Zusammengefasst ist „October the First is too late“ selbst für die sechziger Jahre ein stilistisch eher schwerfällig zu goutierender Science Fiction Roman, der mit der inzwischen bekannten und mehrfach verwandten Idee des Zeitteppichs nur rudimentär etwas anfangen kann, obwohl er vor allem hinsichtlich seines ambitionierten Endes im Vergleich zu Dickson, Flint oder Clarke/ Baxter über das größte Potential verfügt hat.

  • Gebundene Ausgabe
  • Verlag: Harpercollins; Auflage: Book Club (BCE/BOMC) (Juni 1966) ; 172 Seiten
  • Sprache: Englisch
  • ISBN-10: 0060028459
  • ISBN-13: 978-0060028459