Forever Magazine 40

Forever Magazine 40, Neil Clarke
Neil Clarke (Hrsg.)
"Forever Magazine"  40 besteht aus einer Novelle und zwei Kurzgeschichten. Ein zusammenhängendes übergreifendes Thema gibt es nicht. Hinzu kommt, dass Neil Clarke sein sehr kurzes Vorwort eher auf der Flucht in den Urlaub geschrieben hat als das er wirklich den Leser über irgendetwas informieren wollte. 
 
Die längste Geschichte stammt von Mary Robinette Kowal. "Kiss me Twice" ist eine dieser inzwischen weit verbreiteten Science Fiction Hard Boiled Crime Novellen, in denen sich eine Zukunft mit künstlichen wie personifizierten Intelligenzen und klassische Ermittler wie der Polizist Huang in einer Art Niemandsland mit "Blade Runner" Anspielungen treffen.
Neil Patterson ist ein Projektentwickler. Seine Leiche wird auf dem Dach eines Hochhauses gefunden. Anscheinend ist er zu einem Treffen gelockt und dort erschossen worden. Die Polizei hat von einem Coffee Shop aus einen Tip bekommen. Polizeioffizier Huang soll in dem Fall ermitteln. In dieser Zukunft arbeiten die Polizisten mit individualisierten künstlichen Intelligenzen zusammen, wobei die Autorin den Unterschied zwischen den K.J. und entsprechenden Androiden im Verlaufe der Story viel zu wenig und zu nachhaltig herausarbeitet. Huangs Metta sieht wie Mae West aus, spricht wie sie und konkettiert auch mit ihrem menschlichen Kollegen. Anscheinend hat sie sich diese Persönlichkeit selbst gegeben. 
Mitten in der Untersuchung ohne nachhaltige Spuren bricht jemand in die Polizeistation ein und stiehlt die künstliche Intelligenz.
Während die Polizei im Allgemeinen von einem Eindringen in die gesicherten Bereiche ausgeht, sieht es Huang als Entführung an. Ein Reboot ohne die Persönlichkeit Mae Wests ist möglich, es stellt sich nur die Frage, was die künstliche Intelligenz hätte herausfinden können. 
Huang führt die Ermittlungen fort und findet schließlich eine mögliche Spur zwischen illegalen Einwanderern und Grundstücksspekulation, wobei vor allem der Bogenschlag zum abschließenden Täter trotz einiger bizarrer Hinweise eher bemüht erscheint.
 
Immer wieder vermischen sich atypische Elemente wie das chinesische Teeset oder der Hang zu klassischen Besitztümern,  das wiederholte Befragen potentieller Verdächtiger nicht nur die K.I.s, sondern einen irgendwo zwischen Bogart und Charlie Chan angesiedelten Detektiv, um scheinbar einen geradlinigen Kriminalfall zu erzählen. Während der eigentliche Täter lange Zeit im Hintergrund erscheint und schließlich unglaubwürdig aufgrund körperlichen Besonderheiten und nicht seines Intellekts überführt und gestellt werden kann, sind Motiv (Gier) und wahrscheinlich auch Ablauf ( es wird eine zu verführerische Falle gestellt) relativ klar und schnell herausgearbeitet. Die künstlichen Intelligenzen beobachten, suchen Daten und präsentieren auf Anfrage auch Fakten, aber grundsätzlich hat sich die Arbeit eines Detektivs zu wenig verändert, um in dieser Zukunft überzeugen zu können. 
 
Es ist das größte Manko dieser seltsamen Hardboiled Liebesgeschichte zwischen einem Mann und seiner künstlichen Intelligenz. Die Verweise auf das klassische Kino geben dem Text eine ungewöhnliche Zeitlosigkeit, die verwirrend und inspirierend zu gleich ist. Wie einige Science Fiction Krimis überzeugt die Novelle vor allem durch das Momentum und weniger eine grundsätzliche Handlungslogik. Wer in diesem Punkt Abstriche akzeptiert, wird sehr gut unterhalten.
 

Erst im März 2017 ist “A Singular Event in the Fourth Dimension” von Andrea M. Pawley in “Isaac Asimov´s Science Fiction Magazine” erschienen. Warum der Nachdruck nach so kurzer Zeit au seiner derartig populären Quelle erfolgt ist, erschließt sich dem Leser nicht.

Olive ist ein Android. Ihre Eltern haben sie erschaffen, um ein Kind zu haben. Als die Mutter richtig schwanger wird, befürchtet die Androidentochter, dass sie abgeschoben wird. Die ein wenig rührselige und emotional ansprechende Geschichte lebt von Olive als Dreh- und Angelpunkt. So vergiftet sie aus Versehen die Großmutter, die in einer der konstruierten Passagen dann in einer wichtigen Szene der Androidin rückhaltlos vertraut und sie quasi rettet. Weiterhin positiv ist, dass Andrea M. Pawley Olive vor allem aus ihrer Perspektive sehr dreidimensional, sehr zugänglich mit der richtigen Mischung aus dem Ehrgeiz, ein Mensch zu sein und der Logik einer Maschine.

„Outsider“ von An Owomoyela ist eine Variation der First Contact Geschichte. Die Siedler von Se haben seit vielen Jahrhunderten keinen Kontakt mehr mit der Erde gehabt. Sie sind überrascht, als ein Raumschiff von der Erde den Orbit erreicht und die Mitglieder einer besonderen technophoben Erdengemeinschaft um Asyl bitten. Interessant ist, dass die „fremde“ Kultur auf der anderen Welt eher der irdischen Gegenwart der Leser entspricht. Die beiden Frauen repräsentieren ihre jeweiligen Gemeinschaften. Eva von der Erde unterscheidet sich sehr stark von der Erwartung der Leser, während Mota als Vertreterin des Planeten Se auf der einen Seite zugänglicher ist, auf der anderen Seite aber auch die härtere, im Grunde brutalere Entscheidung treffen muss.

Grundsätzlich macht der Autor aber auch einiges falsch. Eva weiß im Gegensatz zu den Planetenbewohnern und dem Leser, dass auf ihr Schiff eine ganze Flotte folgt und bald im Ortungskreis erscheinen wird. Zeit ist wichtig. Warum sie dann nicht nach einer diplomatischen Lösung sucht, sondern die fremde Gesellschaft aus einer unglücklichen Position heraus zu unterminieren und zu destabilisieren sucht, wirkt nicht überzeugend. Ihr ist bekannt, dass über die Aufnahme der Flüchtlinge abgestimmt, daher hätte Lobbyarbeit inklusiv entsprechender Geschenke eher geholfen. Dank ihrer überlegenen Technik wäre selbst ein Scheinabkommen hilfreich gewesen.

Mota dagegen erklärt immer wieder, dass sie über einen freien Willen verfügt und ihre Kompetenzen hinsichtlich der Verhandlungsführung weit reichen. Im entscheidenden Moment verhält sie sich aber neutral und will sich nicht gegen ihre Vorgesetzten stellen, ohne das der Leser diese Entscheidung nachvollziehen kann.

Das Ende stimmt dann nachdenklich und schließt eine Story mit einer ungewöhnlichen Ausgangslage und einigen diplomatischen Verwicklungen zufriedenstellend ab, auch wenn die individuellen Hintergründe teilweise zu pragmatisch angelegt worden sind.

Zusammengefasst ist die Mai Ausgabe des Nachdruck Magazins "Forever" eine solide Nummer. Die Kurzgeschichten sind alle unterhaltsam und sprechen einige sehr unterschiedliche Themen auf markante Art und Weise an. Vor allem über die charakterlicher Ebene werden die inhaltlich strukturellen Schwächen sehr gut ausgeglichen. 
 
 
  • File Size: 354 KB
  • Print Length: 96 pages
  • Simultaneous Device Usage: Unlimited
  • Sold by: Amazon Digital Services LLC
  • Language: English
  • ASIN: B0161QLB86