
Mit dem neununddreißigsten Abenteuer nimmt auch der laufende Zyklus deutlich an Fahrt auf. Die verschiedenen, von Andreas Suchanek parallel entwickelten Handlungsebenen passen sich sehr gut an einen sehr langen, persönlich emotionalen Rückblick an, der allerdings – so hart es klingt – durch das ein wenig zu melodramatische und wieder eine wichtige Figur gegen alle Wahrscheinlichkeiten vor dem sicheren Tode „rettende“ Ende relativiert wird. Mit Peter Task hat Andreas Suchenak sogar auf eine Figur zurückgegriffen, die durchaus sterben könnte. In klassischer Manier beschreibt der Autor einen jungen und späteren seine Umwelt herausfordernden Mann, der unter der neuen Virusinfektion leidend es trotzdem gegen alle Hindernisse und Steine im Weg schafft, seinen Traumjob zu erlangen. Natürlich erscheinen diese Rückblenden im Kontext eines tempotechnisch anziehenden Zyklus ein wenig langatmig und emotional manipulierend, aber der Autor hat sich auch bemüht, das Geschehen deutlich breiter aufzustellen und die Leiden der Unschuldigen zu beschreiben. Die Lebenswege vieler wichtiger Crewmitglieder der HYPERION sind in den ersten Romanen ausführlich und packend extrapoliert worden. Warum nicht gegen Ende des ersten Großzyklus eine ähnliche Konstellation starten und beim Leser notwendige Emotionen erwecken? Hinzu kommt, dass fast nebenbei wichtige Informationen transportiert werden und die Rettung der Menschheit vor dem virallen Angriff der Ash´Gul`Kon vorbereitet wird. In diesem Punkt macht es sich Andreas Suchanek deutlich zu leicht. Wie in dem letzten Mehrteiler entwickelt er die Bedrohung konsequent und nachvollziehbar, um dann quasi aus dem Hut eine Lösung zu zaubern, die in dieser Form unvorhersehbar ist, aber trotzdem nicht homogen erscheint. Vielleicht wäre es effektiver gewesen, den Opfern mehr Gesichter zu geben und dadurch das Leiden noch plastischer zu beschreiben. In erster Linie beschränken sich die Ereignisse positiv durch die inzwischen vertrauten Charaktere und negativ durch das angesprochene nicht unbedingt abschließend konsequente Ende die Reaktionen auf die bekannte Crew.
Auf einer weiteren Handlungsebene setzt sich Andreas Suchanek mit der Minenverteidigung auseinander. Die perfide Idee der Haftminen ist in einem der letzten Romane zu entwickelt worden. Andreas Suchanek macht aber dann den klassischen Fehler, dass die Führungscrew gleichzeitig das Räumkommando darstellt. Natürlich ist die Situation anders als bei den meisten STAR TREK Folgen. Die Mannschaften und Führungsoffiziere können anscheinend die Schiffe nicht verlassen, da nicht genügend nicht verminte Bergungsraumschiffe zur Verfügung stehen. Also spielt es keine Rolle, ob nun die Crew oder die Kommandooffiziere Hand anlegen. Wenn die Minen nicht entschärft werden können, dann sterben alle zusammen. Nur stellt sich dem Leser unwillkürlich die Frage, ob es nicht zumindest erfahrene Männer unter der Besatzung geben kann oder muss, welche die Aufgabe ein wenig routinierter ausführen können. Ein weiteres Ärgernis ist die Dialoglast dieser Szenen. Es wird ja nicht nur konsequent auf die greifbare Bedrohung eingegangen, sondern die verschiedenen Zeitebenen analysiert, so dass der Leser an einigen Stellen unwillkürlich das Gefühl hat, als wenn die Charaktere ihre Hoffnung auf ein Überleben in einem Paralleluniversum setzen, während sie in dieser Existenzebene schon mit sich abgeschlossen haben.
Der beste Spannungsbogen seit vielen „Heliosphere 2265“ Bänden betrifft das Wiedererwachen des lange vermissten Sjöbergs. In den ersten Ausgaben stellte er mit seiner paranoiden Haltung, aber auch seiner charismatischen Rücksichtslosigkeit einen Höhepunkt der Serie dar. Sjöberg ist ja durch seinen Klon ersetzt worden. Andreas Suchanek hat ihm bislang nur Niederlagen zugestanden. Deutlich emotionaler und dadurch nicht nur schlechter berechenbar, sondern noch mehr zu Fehlern neigend musste sich der Autor zusammen mit dem Leser an diese alte, aber auch neue Figur heranarbeiten. Erstaunlich ist, dass niemand anders die Veränderung gemerkt hat. In einem derartig futuristischen Universum muss einer der Handlanger auch auf die Idee gekommen zu sein, kein Original, sondern einen Klon vor sich zu haben. Es gibt aber keine Gesetze gegen geklonte Herrscher. Nur hätte der Autor auf dieser Prämisse mehr spannungstechnisch machen können. In „Das Erwachen“ holen sich Sjöberg und Co. bislang ihre größte Niederlage ab. Mehr und mehr wirken Sjöberg und seine ganze Mannschaft wie aus der Zeit gefallen. Er kann die einzelnen von außen wirkenden Veränderungen nicht akzeptieren. Bedenkt man, wie geschickt er immer wieder zu Beginn der Serie selbst aus Niederlagen Siege gemacht hat, dann erscheint diese Scheuklappenmentalität unglücklich gestaltet. Andreas Suchanek sollte einer seiner besten Schöpfungen wieder Erfolge zugestehen, damit die Figur nicht zu einem Witz verkümmert und sein immer noch beachtliches Machtpotential nicht verschenkt. Positiv ist, dass die Ränkeschmiede wieder zurückkommen und Hoffnung besteht, dass diese inhaltlich paranoiden Sjöberg Themen aus der Frühzeit der Serie zurückkehren.
„Das Erwachen“ ist von einem sehr hohen Tempo zwischen den drei Handlungsebenen gekennzeichnet, wobei in Vorbereitung auf die finale Auseinandersetzung mit dem brechenden Tachyonschirm in den einzelnen Spannungsbögen nicht viel Überraschendes angeboten wird. Deutlich vielleicht auch ungewollt lustiger und weniger dunkel als die ersten Miniserien bleibt abzuwarten, ob Andreas Suchanek zumindest den alten Sjöberg in einer Form reaktivieren kann. Der Roman endet mit einer dramatischen Rede in bester Michael Bay Tradition, welche die Menschen auf den schwierigen abschließenden Kampf mit den Ash´Gul`Kon einschwört. Zusammengefasst ist „Das Erwachen“ insbesondere im direkten Vergleich zu den letzten beiden Bänden deutlich interessanter und teilweise auch spannungstechnisch intensiver geschrieben, wobei Andreas Suchanek mit dem nächsten Großzyklus vielleicht auch aufgrund erkennbarer Ermüdungserscheinungen einige Zöpfe mehr abschneiden sollte als vielleicht ursprünglich geplant.
- Format: Kindle Edition
- Dateigröße: 4501 KB
- Seitenzahl der Print-Ausgabe: 125 Seiten
- Verlag: Greenlight Press; Auflage: 1 (19. Oktober 2016)
- Verkauf durch: Amazon Media EU S.à r.l.
- Sprache: Deutsch
- ASIN: B01MF955E0