Tore in der Wüste

Tore in der Wüste, Roger zelazny, Titelbild
Roger Zelazny

Roger Zelaznys Kurzgeschichten gehörten über Jahrzehnte zu den besten des Genres. Provokant wie Harlan Ellison, aber deutlich literarischer orientiert und verspielter. Für seine Romane hat der Amerikaner auch mehrfach den HUGO, Nebula oder Locus Award erhalten. Einige seiner längeren auf den ersten Blick weniger bekannten Arbeiten verweilten im Schatten vor allem der populären „Amber“ Serie oder den ausgezeichneten Meisterwerken wie "Herr des Lichts", auch wenn diese  ""Reiseromane" eine perfekte Mischung zwischen dem anarchistischen Feuerwerk seine Kurzgeschichten und den getragenen Spannungsbögen seiner bekannteren Arbeiten darstellten.

Der Begriff des Reiseromans ist dabei eher sinnbildlich zu verstehen. In „Straße nach Überallhin“ reist ja der Protagonist über einen wahrscheinlich von einer in der Zukunft lebenden Zivilisation angelegten Highway durch die Zeit, die er mit jeder Ausfahrt neu gestalten kann. Auch in dem originellen, aber auch ein wenig zu überdrehten „Tore in der Wüste“ geht es um die Hinterlassenschaften der am Ende des Plots außerirdischen Fremden, die für die Menschen unglaubliche Herausforderungen darstellen. Die Grundhandlung ist dabei simpel und fasst einige Klischees der Science Fiction absichtlich augenzwinkernd zusammen.

Die Menschen haben Besuch von Außerirdischen erhalten. Es gibt im All seit vielen Jahrtausenden technologisch fortgeschrittene Planeten, die eine Art Bund gegründet haben. Potentielle Neuankömmlinge wie die sich entwickelnden Menschen weiter dabei kritisch angesehen. In Form von Sternensteinen haben die Fremden den Menschen ein Geschenk auf der Erde zurück gelassen. Wobei die Menschen im Gegenzug die Mona Lisa und vor allem die britischen Kronjuwelen auf eine unbestimmte Zeit „verliehen“ haben. Diese touren jetzt sinnbildlich für die Schöpfungskraft der Menschen durch die Galaxis.

Um diese rudimentäre Handlung hat Roger Zelazny einen derartig verspielten, intellektuell teilweise aber auch ein wenig überfrachteten Plot platziert, dass der Leser dem Ideenfeuerwerk nicht immer auf Augenhöhe des Autoren folgen kann. Der Ich- Erzähler und Protagonist ist im Grunde ein harmloser junger Mann, der wegen eines Stipendiums seines eingefrorenen Onkels – eine weitere Idee, die Zelazny gnadenlos und sarkastisch zerpflückt – ein ewiger Student ist. Immer wieder drückt er sich vor dem Abschluss. Bis die Universität beginnt, die Regeln zu verändern, dass er im Grunde irgendwann nur durch seine bisherige Anwesenheit zum Doktor ernannt und aus dem Campus befördert wird.  Diese an Slapstick Komödien erinnern Dialoge insbesondere zu Beginn des Buches zeigen nur bedingt die Richtung auf. Der Ton wird im Verlaufe der Handlung auch dunkler, aber Zelazny möchte dadurch eine Wandlung, eine Art Reifeprozess wider Willen in seinem Protagonisten auslösen, so dass er eine im Grunde fast surrealistisch erscheinende Situation als Sprungbrett nutzt. Während alle andere Menschen und wahrscheinlich auch die meisten Leser die Universitätszeit schnell hinter sich lassen möchten, um dann richtig Geld zu verdienen, hat Zelaznys Protagonist es ja im Grunde schon während des Studiums geschafft, so dass der Austritt in die ernste Berufswelt für ihn einen Rückschritt darstellt. Hinzu kommt, dass er als eine Art Gegenentwurf zur Klaustrophobie wie „Spiderman“ gerne an Gebäuden hoch klettert und ungerne deswegen Türen benutzt.

Es ist nicht die einzige Situation, die für den Leser ungewöhnlich erscheint. Deutlich experimenteller als in den meisten seiner Langarbeiten wirkt „Tore in der Wüste“ teilweise auch wie ein aus Kurzgeschichten zusammengebauter Roman. Fast jedes der einzelnen Kapitel beginnt quasi in der Mitte. Der Leser wird in das Geschehen förmlich hingeworfen. Dann folgt eine Art Informationsaufholjagd, in dem ein wenig in die Vergangenheit geschaut wird. Anschließend baut sich der Plot im bekannten Muster bis zu einem die Handlungsebene wechselnden offenen Ende auf. Zwei oder dreimal in einem Roman ist diese Vorgehensweise opportun, aber Zelazny hat so viel Freude an dieser unstrukturierten Art der Erzählung, das es ermüdend erscheint.  

Das Geschenk von den Sternen – einer der Sternensteine – ist verloren gegangen. Nicht einmal ein ganz großes Problem. Immerhin muss der Stein erst da sein, wenn diese Leihgabe/ dieses Geschenk einmal den Besuchern wieder gezeigt werden muss. Der Augenblick scheint natürlich in Form eines außerirdischen Volks zu nahen, das vom „Verlust“ der Steine weiß und die Menschen aus nicht näher extrapolierten Gründen blamieren möchte.

Der Stein des Anstoßes  ist, dass einer der College Professoren insgesamt sechs Repliken auf seinem Regal stehen hat. Er ist damals als Experte zur Begutachtung der Steine hinzu gezogen worden und hat diesen kopiert. Natürlich weiß inzwischen niemand mehr, welcher der Steine das Original ist. Eine eher stereotype Ausgangslage, die Roger Zelazny für eine Entführung nutzt. Andere vermuten, dass der Zimmergenosse des Ich- Erzählers das Original beim Kartenspiel gewonnen und in dessen Zimmer versteckt hat. Damit wird er Ziel einer Jagd. An seiner Seite stehen aus dem Nichts auftauchend zwei außerirdische Detektive, von denen einer wie ein Wombat ausschaut, während der andere vielleicht als perfekte Hommage auf „Little Shop of Horrors“ einer Venusfliegenfalle gleicht. Es ist eine Art laufender Witz, dass er von einem zum nächsten Handlungsort in seinem Blumentopf getragen werden muss.

Das hektische Finale wirkt ein wenig zu stark konstruiert und irgendwo im Verlaufe einer Reihe bizarrer Ideen – so ermöglicht eines der außerirdischen Tore in der Wüste den Übergang in eine Art Spiegelwelt – geht der rote Faden teilweise verloren. Der Autor hat sich so in die einzelnen Szenen verliebt, dass er im Mittelteil die Sternensteine fast gänzlich vergisst. Stattdessen muss sein ewiger Student Fred nach einem Abstecher in diese Spiegelwelt äußerlich unversehrt, innerlich aber umgekrempelt in der Gegenwart überleben. Das gipfelt in verkehrt herum abgedruckten Aufschriften unter anderem von Rauchverbotsschildern. Am Ende wird dieser Prozess im Vorübergehen wieder „gerade gebogen“, so dass der Leser unwillkürlich darüber nachdenkt, ob der Autor nicht eine weitere seiner Kurzgeschichten ein wenig brachial in den Plot einfach eingebaut und liegen gelassen hat.

Auch wenn das Tempo des Romans vordergründig hoch ist, erscheint „Tore in der Wüste“ nicht nur weniger kompakt, sondern auch zu oberflächlich gestaltet. In „Straße nach Überallhin“ treffen die unterschiedlichsten Kulturen an diesem Highway in die Ewigkeit zusammen. Hier erscheint die Erde genauso so, wie sich ein Leser damals wie heute die siebziger Jahre vorgestellt hat. Die Technik ist nicht extrapoliert worden. Die sozialen Strukturen vor allem Amerikas sind eins zu eins übernommen worden. Es wird viel geraucht, wobei sich die Aliens als Nikotinjunkie entpuppen.

Auf der anderen Seite begegnet Fred immer wieder außerirdischer Technik, deren Effektivität nicht vorhanden ist. Sie wirkt alleine erschaffen, um die Menschen im Allgemeinen und den Sternensteinsuchenden Fred im Besonderen durch bizarre Funktionsweise herauszufordern. Die angesprochene Spiegelweltmaschine ist nur eine der zahllosen Ideen, die Zelazny in rascher Abfolge vor allem im Mittelteil des Buches kurzfristig anspricht und dann wieder in Vergessenheit geraten lässt.

Fred eilt von einer kleinen Krise zur nächsten. Dabei wird er zuerst gejagt, bevor er auf den letzten Seiten ein wenig überraschend und dank seines gegen seinen Willen erworbenen Doktortitels plötzlich gereift die Initiative übernimmt.  Interessant ist, dass Zelazny am Ende viel zu spät fast aus dem Nichts kommend seinen Plot um eine moderne Facette zu erweitern sucht. Es geht weniger um einen First Contact Plot, sondern die Begegnung der überforderten, aber auch neugierigen Menschen mit Überzivilisationen. Viele Ideen werden leider nur theoretisch gewälzt und der positive Ausgang erscheint vor allem für Zelaznys nicht selten dunkle Kurzgeschichten zu verspielt.

Auf dem Weg dahin ist „Tore in der Wüste“ kein Roman für Zelazny Beginner. In dieser Hinsicht eignen sich viele der Kurzgeschichtensammlungen inklusiv der Gesamtausgabe der „New England Science Fiction Association“ deutlich besser, um sich dem Amerikaner zu nähern. „Tore in der Wüste“ ist ein Roman für Roger Zelazny Fans, die gerne der Verdrehung klassischer, aber auch klischeehafter Science Fiction Ideen folgen. Denen es um durchaus überzeugend gezeichnete „normale“ Menschen mit ihrem Spleen geht, die plötzlich sich mit surrealistisch erscheinenden Ereignissen auseinandersetzen müssen. „Tore in der Wüste“ ist einer der Zelazny Romane, in denen der Amerikaner provoziert und den plottechnischen Teppich als eine Art Spielwiese vor dem Leser ausbreitet, auf dem er selbst nach Lösungen suchen muss und vielleicht manches anders sieht als der in dieser durchaus akzeptablen „Coming of Age“ reifende Fred.

 

  • Format: Kindle Edition
  • Dateigröße: 705 KB
  • Seitenzahl der Print-Ausgabe: 221 Seiten
  • Verlag: Heyne Verlag (25. August 2014)
  • Übersetzung: Joachim Körber
  • Verkauf durch: Amazon Media EU S.à r.l.
  • Sprache: Deutsch
  • ASIN: B00MUP951S