The Magazine of Fantasy and Science Fiction January/ February 2016

C.C. Finlay( Herausgeber)

Zum ersten Mal in seiner langen Geschichte konnte "The Magazine of Fantasy and Science Fiction" zu einem nicht extra angefertigten Titelbild nicht nur thematisch eine Kurzgeschichte präsentieren, sondern mit dem allgegenwärtigen Thema "Mars" drei sehr unterschiedliche Arbeiten, welche den Kern der ersten Ausgabe des Jahres 2016 bilden. "Vortex" von George Benford greift dabei auf die beiden Marsabenteuer Julia und Viktor zurück, die schon in zwei seiner Romane aufgetreten sind. Darum ist der Hintergrund auch nicht so zufriedenstellend entwickelt worden, als wenn es sich um eine gänzlich eigenständige Kurzgeschichte gehandelt hätte.  Chinesische Wissenschaftler bitten die beiden Protagonisten trotz der immer mehr auf der Erde eskalierenden politischen Situation hinsichtlich mikrobiologischen Lebens in den tieferen Schichten des Mars um Hilfe. Vor allem bemüht sich Benford zu Lasten eines eher schwerfälligen Hintergrunds um die Übersetzung neueren Thesen hinsichtlich Lebens auf dem Mars, so dass der ganze Text mehr an ein komprimiertes, farbenprächtiges Lehrbuch im gefälligen, aber nicht packenden Stils des Autors erinnert.

"Number Nine Moon" von  Alex Irvine erinnert zu sehr an Andy Weirs "Der Marsianer", wobei Irvine nur den grundlegenden Plot übernimmt. Die Menschheit zieht sich vom Mars zurück. Drei Abenteurer wollen vor dem Abflug des letzten Raumschiffs noch ein wenig plündern gehen. Ihre Fähre verunglückt und sie sind gezwungen, mit einer Vergnügungsparkattraktion den Heimweg zu beginnen. Unterhaltsam geschrieben ohne inhaltlich wirklich sehr zu überraschen mit einer Mischung aus Pathos und ein wenig Kitsch drückt der routinierte Irvine die richtigen Tasten. Die Dialoge wirken allerdings ein wenig zu stark konstruiert und versuchen eher wichtig zu erscheinen als das sie es wirklich sind.

 Die dritte "Mars" Geschichte baut auf einer mit dem HUGO Award 2014 ausgezeichneten Story auf. "Rockets Red" aus der Feder Mary Robinette Kowals spielt wie "The Lady Astronaut of Mars" in einer Alternativwelt, in welcher die Besiedelung des Mondes und des Marses den Jugendbüchern Heinleins folgend schon in den fünfziger Jahren stattgefunden hat.  Die Technik ist noch nicht so weit fortgeschritten und Computer werden noch mit Lochkarten gefüttert.  Das ist auch der Knackpunkt dieser "Feel Good" Geschichte, die ein wenig archaisch wie auch typisch amerikanisch patriotisch sich liest.

 Mit dem Titel "Robot from the Future" drückt Terry Bisson im Grunde alles aus. Ein Junge begegnet angeblich einem Roboter aus der Zukunft, der in einer grünen Welt verzweifelt nach Gas sucht. Unterhaltsam humorvoll geschrieben mit einem stark konstruierten Ende gehört der sehr kurze Text eher zu Bissons leichteren Arbeiten. Loe Vladimirsky s"Squidtown" ist einer dieser Storys, die das inne wohnende Potential nicht heben können und deswegen so frustrierend zu lesen sind. Es gibt einen islamischen texanischen Staat, in den einer der Kriegsveteranen nach dem Ende des erfolgreichen Session Krieges zurückkehrt. Natürlich fremdelt er. Kurzweilig zu lesen, aber in Form einer Novelle muss aus diesem Ansatz viel viel mehr gemacht werden. 

  "Caspar D. Luckinbill, What Are You Going to Do?" ist einer der Höhepunkte dieser Ausgabe. Nick Wolven hat sich mit einer Handvoll zynischer Kurzgeschichten als eine Art Robert Sheckley der Gegenwart etabliert. Dieses Mal gehört es um Medienterrorismus. In einer digitalen Zukunftswelt wird der Protagonist quasi über Monate tyrannisiert und von Schockbildern verfolgt. Das Ende stellt eher einen fragwürdigen Kompromiss da. Mit ein wenig mehr Erfahrung hätte Nick Wolven die Geschehnisse auf eine echte Spitze treiben können.      

 "Smooth Stones and Empty Bones" von Bennett North ist ein Debüt. Es ist die erste professionelle Veröffentlichung. Über weite Strecken erinnert diese Geschichte um eine Mutter - im kleinen Ort als Hexe verschrien - , ihre pubertierende Tochter mit einer Neigung zu einem anderen Mädchen und verschwundenen Kindern an Stephen Kings "Pet Sematary", wobei North auf den letzten Metern den Plot umdreht und einige wichtige Fragen stellt. Vom anfänglichen Gefühl der Vertrautheit darf sich der Leser nicht irritieren lassen. Mit liebevoll gezeichneten, abgerundeten Charakteren handelt es sich um ein gutes Debüt.   

 Die zweite Horror dieser Ausgabe und erste Geistergeschichte in David Gerrolds Gesamtwerk "The White Piano" ist eine dieser stimmungsvollen Arbeiten, in denen der persönliche Verlust - der frühe Tod der Mutter - durch eine Geschichte der Großmutter nicht unbedingt kompensiert werden kann, aber die zumindest die Schmerzen heilt und zeigt, dass der Tod nicht unbedingt das Ende einer Existenz sein muss. Mit solide realistisch gezeichneten Charakteren ohne Kitsch und Pathos entwickelt der Amerikaner einen Plot, der bis in die Zeit der ersten Luftangriffe auf Coventry durch die deutsche Wehrmacht reicht und sich trotzdem auf einige wenige Momente konzentriert. Atmosphärisch erstaunlich dicht trotz eines distanzierenden Rahmens ist es eine lesenswerte Geistergeschichte, welche diesem Subgenre keine neuen Impulse verleiht, aber trotzdem gut unterhält. 

 In den Bereich der Phantastik gehört „Touch me All over“ von Betsy James. Eine Frage trägt den Fluch in sich, alles zu hinterfragen und zu erforschen. Das macht selbst Alltägliches zu einem Hindernislauf. Kurzweilig zu lesen, aber überzeugt in erster Linie wegen der Protagonisten. Es ist aber nicht die einzige phantastische Geschichte dieser Nummer. E. Lily You „Braid of Days and Wake of Nights“ ist dem an Krebs viel zu früh verstorbenen Autoren Jay Lake gewidmet. Eine Frau erkrankt an Krebs und nur ein Einhorn kann ihr helfen. Eine gute Freundin macht sich auf die Suche nach dem seltenen Tier im Großstadtdschungel. Das Ende ist ergreifend und respektvoll den Menschen gegenüber, die an dieser Krankheit leiden und ihr erliegen. Stilistisch ansprechend mit gut gezeichneten Charakteren hätte dieser Urban Fantasy Jay Lake ohne Frage sehr gut gefallen.

 „Telltale“ von Matthew Hughes ist eine weitere Geschichte um seinen Dieb Raffalon, der sich in den Wäldern in einem besonderen Hotel über Wasser halten muss. Der zugrundeliegende Plot erinnert nicht zufällig an die „Geschichten aus 1001 Nacht“, wobei die Auflösung der Handlung absichtlich kompliziert gestaltet worden ist und die Erklärung nicht unbedingt überzeugt.   Zwischen allen Stühlen steht „The Visionaries“ von Albert E. Cowdrey. Ein Paar paranormaler Detektive, welche eher den leichten Krimikomödien der dreißiger und vierziger Jahre nach empfunden worden sind, sollen in offensichtlich verfluchten Wäldern ausgerechnet nach einem Holzwerk suchen. Das Ende ist zu offen und wirkt eher konstruiert. Es sind die Dialoge, welche die Geschichte aus der Mittelmäßigkeit herausheben.

 Charles de Lint bespricht in seiner Kolumne zwei Romane von Stephen King sehr ausführlich. Dabei geht er durchaus auch ein wenig auf Schwächen im Werk des Meisters ein, während die zweite Buchkolumne ein breiter Streifzug mit einem Schwerpunkt Science Fiction ist. Neben dem wissenschaftlichen Exkurs von Pat Murphy und dem besonderen Blick in den literarischen Historienschrank am Ende überzeugt David Skal vor allem mit seiner Filmkolumne, in welcher er ungewöhnliche, kleinere Produktionen vorstellt.

 Zusammengefasst ist die Jahresauftaktnummer des „Magazine of Fantasy and Science Fiction“ eher eine durchschnittliche Nummer mit nur wenigen wirklich guten Geschichten, aber einigen Storys, deren Potential in der vorliegenden zu kurzen Form nicht wirklich gehoben worden ist. 

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258 Seiten, Paperback