Der Gnadenlose

Michael Slade

“Der Gnadenlose” aus der Feder Michael Slades ist der dritte und bislang letzte Roman der Special X Reihe. Es ist von den drei im Rahmen der Crime des FESTA Verlages veröffentlichten Thrillern auch der Schwächste. Das größte Problem selbst aus der Distanz von mehr als zwanzig Jahren – das Buch erschien in den Staaten im Jahre 1992 – liegt im zugrundeliegenden Plot, der versucht, seine Leser zu schockieren und dabei so viele innere logische Fehler aufweist, dass selbst mit dem Anspruch eines Pulpromans zu vieles ungeschrieben bleibt.

Die Struktur folgt mit der historischen Basis dem ersten Roman der Reihe. Der Bogen wird zum Massaker am Little Big Horn geschlagen. Die Würdigung und die Jagd nach Authentizität reichen so weit, dass sogar ein Faksimile der amerikanischen Zeitung aus dem Jahr 1876 in die Handlung eingebaut wird. Während Custer mit seinen Männern von den Indianern förmlich nieder gemetzelt wird, stirbt in der Nähe ein unschuldiger Archäologe, der buchstäblich zur falschen Zeit am falschen Platz gewesen ist. Er sucht in den schwarzen Hügeln nach Dinosaurierknochen. Stattdessen wieder als Bogenschlag zum ersten Buch fand er den Schädel eines von den Indianern Wendigo genannten Wesens, das über den Weg als Beute sich wieder im ersten Buch im Besitz des Massenmörders Wilfred Blake in Kanada befunden hat. Um diesem spannenden und ungewöhnlichen Auftakt noch mehr Glaubwürdigkeit zu schenken und den Ideen der in den neunziger Jahren so populären „Akte X“ Serie zu folgen,  findet ein amerikanischer Offizier die Aufzeichnungen hinsichtlich dieses verlorengegangenen und Darwins Evolutionsthesen widersprechenden Wendigos und vernichtet diese, nachdem er Darwin in Großbritannien besucht hat. Dieser Exkurs wirkt aber auch ein wenig unglaubwürdig und soll in erster Linie unterstreichen, dass diese abartigen Schöpfungen das Werk des Teufels sind. Wer sich nur für Action und Blutexzesse interessiert, wird diese längeren Gespräche über die Evolution im Allgemeinen und den Schöpfungsprozess im Besonderen eher als langweilig empfinden. Es ist schade, dass das Autorenkollektiv hinter dem Pseudonym Michael Slade diesen ungewöhnlichen Weg nicht weiter gegangen und die Handlung in exotische, aber auch ungewöhnliche Richtungen fortgeschrieben hat. Nach diesem dynamischen Auftakt fließt der Plot zurück in bekannte, aber nicht markante Fahrwasser. 

„Der Gnadenlose“ ist aus heutiger Sicht auch ein Kind seiner Zeit. 1992 sieben Jahre vor der Übergabe von Hongkong an die Chinesen entstanden beschwört er deren Urängste vor einer Besetzung der Freihandelszone durch die Kommunisten.  Viele reiche Chinesen haben in diesen Jahren versucht, nicht nur in Vermögen, sondern wie im vorliegenden Roman ihre Firmen in den Westen zu verlegen. Dabei war das Ziel nicht immer nur die USA. Ausgangspunkt ist die Verlegung einer Pharmafirma durch den entsprechenden „Warlord“ nach Kanada. „Der Gnadenlose“ ist der verlängerte Arm des Konzernchefs, der anfänglich beginnt, einige Einwanderungsanwälte umzubringen, welcher der Verlegung im Wege stehen. Michael Slade arbeitet hier aber zu wenige Argumente heraus, denn erstens sollte der Chinese reichlich Geld mitbringen und wahrscheinlich in Kanada seine Steuern zahlen und zweitens sind dessen ungesetzliche Aktivitäten sehr gut vor der Öffentlichkeit versteckt. Wie in China nach dem Yeti lässt er in den Rockies nach dem Bigfoot suchen. Er glaubt ohne weitere Beweise zu haben und ausschließlich den Mythen folgend daran, dass der Bigfoot genau wie eine dem Yeti ähnelnde Rasse in den chinesischen Bergen seinen Alterungsprozess verlangsamen kann, wenn er deren Gehirn isst. Dem Serienkillerthema wird mit der Jagd nach dem Bigfoot/ Yeti ein mystisches Element gegeben.   

Auf der Seite des Gesetzes stehen neben den Mitgliedern der „Special X“ Unit der kanadische Polizist Zins Chandler und Robert DeClerq , der deutlich mehr leiden muss als in „Ghoul“. Hier liegt vielleicht auch die größte Schwäche des Buches, denn die Charaktere sind zu wenig überzeugend herausgearbeitet worden. DeClerq erscheint wie das Abziehbild eines eher klassischen Detektivs, während Chandler der Macho ist, der sich in typischer achtziger Jahre Manier natürlich nichts sagen lässt. Da Michael Slade sich zu sehr an zu vielen Vorbildern dieser Zeit orientiert, wirken diese beiden Figuren auf den ersten Blick ohne Frage auch sympathisch und ihre Handlungen sich nachvollziehbar, aber schaut der Leser in die Tiefe, dann wirken sie teilweise zu stereotyp. In Hinblick auf die „Special X“ Serie mit inzwischen siebzehn von mehreren Autoren geschriebenen Autoren gibt sich Michael Slade mehr Mühe, deren Arbeitsweise zu erläutern und einzelne Strukturen zu etablieren, an denen sich die späteren Romane orientieren werden.  

Nicht selten versucht Michael Slade eine Balance zwischen der alltäglichen Ermittlungsarbeit zu finden, die aber durch Querverweise wie den Verweis auf den „Zodica“ Killer eher unterminiert werden und nicht selten in Ansätzen steckenbleiben und den Actionszenen. Zusätzlich erscheint auf der einen Seite die literarische Liebe vor allem zu klassischen Texten in einem starken Kontrast zur Phantasie der Polizisten zu stehen, die konfrontiert mit brutalsten Morden kaum die Phantasie entwickeln, sich Custers letzten Kampf und das entsprechende Massaker wirklich dreidimensional vorzustellen. Vieles bleibt ungesagt oder wirkt rückblickend zu wenig in die laufende Handlung integriert, sondern ehr konstruiert und vor allem zu stark Aufmerksamkeit auf sich selbst und nicht den roten Faden lenkend. Dadurch wirkt vor allem der vorliegende Band noch unrunder als die letzten Romane. Damit soll nicht ausgedrückt werden, dass die Bücher nicht vor Ideen strotzen, aber zu einem zufriedenstellenden Roman gehört es auch, dass die eigentliche Struktur aus sich selbst heraus tragfähig ist. Immer wieder gibt es unnötige Exkurse, welche den Umfang des Buches aufblähen, aber die zugrundeliegenden Ereignisse nicht vorantragen. Hinzu kommt, dass Michael Slade noch stärker als in den ersten beiden Büchern versucht, seinen Stoff cineastisch darzustellen. Das doppelte Ende ist vor allem für das Science Fiction und Horrorgenre der neunziger Jahre ein so markantes manchmal stark frustrierendes Element, das man es nicht auch noch in Buchform lesen möchte.    

Hinzu kommt, dass diese „Täuschung“ am Ende des Buches auch in die schwächste Phase des ganzen Plots fällt und daher leider eher konsequent als desorientierend erscheint. Zu Beginn verteilt Michael Slade sehr viele kleinere Ideen fast nach dem Gießkannenprinzip, die er im Laufe der Handlung nicht weiter wässert. Stattdessen beginnt der Plot bedingt durch die einzelnen Handlungsbögen, die natürlich zusammengeführt werden müssen, eher zu zerfallen und die Abarbeitung der offenen Punkte geht widerwillig voran. Natürlich finden sich weiterhin ausreichend Blut und Goreszenen, aber der Funke will nicht mehr überspringen, so dass diese Vermischung des Serienkillergenres – die Idee, welche die Jahrzehnte überstanden hat und inzwischen erfolgreicher denn ja blüht – und mystischen Figuren schon beim dritten Buch nicht mehr funktioniert. Kritisch gesprochen ist es immer schwierig, den Menschen als gefährlichere Bestie im direkten Vergleich mit dem Bigfoot oder Yeti darzustellen, diese Konsequenz aber nicht zu einem zufriedenstellenden Ende führen zu können. Die Nutzung von zu vielen eher unwichtigen Nebenfiguren und der fahrlässige Umgang mit dem politischen Umfeld lassen „Der Gnadenlose“ wie mehrfach erwähnt leider sehr oberflächlich und zu stark aus kommerziellen Gesichtspunkten heraus verfasst erscheinen, so dass es zusammengefasst bislang der schwächste Roman der „Special X“ Reihe ist. Auch wenn sich der Festa Verlag wieder mit der Optik sehr viel Mühe gegeben hat.      

 

Autor:

Slade, Michael
Buchreihe:Festa Crime
Auflage:Deutsche Erstausgabe
Buchseiten:512 Seiten
Ausführung:Paperback, Umschlag in Festa-Lederoptik
Format:20 x 12,5 cm
ISBN:978-3-86552-339-6
Originaltitel:Cutthroat
Übersetzung von:Manfred Sanders
Kategorie: