Nach dem konsequenten Cliffhangar des vierten Bandes konzentriert sich Claudia Kern im vorliegenden fünften Teil „Hinter Dir“ wieder auf die Besatzung der „T.S. Eliot“ inklusiv Aucklands und der an Bord befindlichen Jockey. Während in den Internetforen ein Sturm der Entrüstung gegen die Jockeys und ihre Vernichtung von NG 27 aufbrandet, extrapoliert die Autorin wahrscheinlich eher unbewusst das Scheuklappendenken. Während die Jockeys eine für sie in erster Linie fremde und bedrohlich erscheinende Spezies an der Wurzel der potentiellen Gefahr ausrotten, zeigt die zweite Rückblende der Serie, das die Militärs auf der Erde im Grunde noch radikaler gegen die ausbreitende Zombieplage vorgegangen sind.
Claudia Kern beschreibt die Säuberung von Dublin, an der sich die beiden Brüder Lanzo und Arnest beteiligen. Im Vergleich zum ersten Rückblick in „Nur eine Kugel“ erhält der Leser einen hintergründigen Blick auf das besondere Verhältnis zwischen den Brüdern, die sich fast als Vater und Sohn ergänzen. Als Spiegelung muss Lanzo in einer die dramatisch brutalen Ereignisse von Dublin widerspiegelnden Aktion auch in den Gegenwart eingreifen. Es bleibt hinsichtlich der Rückblicke abzuwarten, ob alle Mitglieder der zerstörten „Mishima“ direkt an den Säuberungsaktionen auf der Erde beteiligt gewesen sind oder nicht. Eine Variation wäre zu empfehlen. „Hinter Dir“ konzentriert sich deutlich mehr auf das Verhältnis der Figuren untereinander sowie das anscheinend am Ende des Romans berechtigte Misstrauen insbesondere der Jockey und Auckland gegenüber.
Entgegen den oft vorherrschenden Normen verweigert Claudia Kern weiterhin typische Heldenbilder und lässt die anfänglich paranoid erscheinenden Wahnvorstellungen zumindest teilweise wahr werden. Die gelegten falschen Spuren werden extrapoliert. Um die Mannschaft der „T.S. Eliot“ herum baut sie mit dem Frachter „Destination Moon“ – ein Film aus den fünfziger Jahren, bei dem auch Robert A. Heinlein als Berater mit gearbeitet und viel Geld verdient hat – einen zweiten Schauplatz auf, der allerdings wie der Planet „Atlantis“ ein wenig zu rudimentär entwickelt erscheint. Zum bizarren Humor gehört es, dass der bekannte Sänger Trevor ein Konzert geben darf, das auch die Jockey quasi in Feindesland besucht. Es wäre für den Leser befriedigend, wenn die Autoren diese einzelnen Schauplätze in den folgenden Staffeln noch einmal besucht und die verschiedenen Aspekte deutlich nuancierter herausarbeitet. Im vorliegenden Band dient die „Destination Moon“ nur als Ablenkung. Der eigentliche Showdown besteht aus der Suche nach einem geheimnisvollen Eindringling und Saboteur, der zumindest mit radikal konsequenten „Mitteln“ die Sicherheitsvorkehrungen an Bord der „T.S. Eliot“ ausschaltet.
Als Brückenschlag zum die erste Miniserie wahrscheinlich abschließenden letzten Teil lässt die Autorin die Identität dieses Wesens selbst in Zeiten des allgegenwärtigen „Kosmonetzes“ offen. Hinzu kommt eine finale Begegnung, die weiteres Konfliktpotential verspricht. Die Zombieproblematik rückt positiv für die ganze Serie ein wenig in den Hintergrund. Die Autorin kann sich mehr auf die einzelnen Protagonisten an Bord der T.S. Eliot“ konzentrieren und die Gefahr einer kontinuierlichen, aber auch leicht erzählerisch statisch werdenden Flucht vor Jockeys und Zombies – es drängt das Gerücht in den Vordergrund, als haben die Jockeys auch den Zombievirus als ersten Versuch vor der Isolation des Sonnensystems, um die Menschheit in ihrem Vorwärtsdrang drastisch zu stoppen – abzubauen. In dieser Hinsicht geht Claudia Kern routiniert und geschickt vor.
„Hinter Dir“ – der Titel ist in mehrfacher Hinsicht auch inhaltliches Programm – lebt von den zwischenmenschlichen „Beziehungen“ in jeglicher Hinsicht sowie der Interaktion mit der an Bord befindlichen Jockey. Da Claudia Kern bislang auf klassisch klischeehafte Heldenbilder verzichtet hat, hat sie sich insbesondere in Hinblick auf Auckland und die Jockey sehr viele Variationsmöglichkeiten offen gehalten, die sie – wie der Titel suggeriert – im abschließenden Roman auch nutzen möchte. Lanzo und Arnest werden zu Gunsten der Gesamthandlung in dem kurzen, drastisch dramatischen Rückblick überzeugend weiterentwickelt, während der übergeordnete Plot kurz durchatmet, so dass wie bei einem Schachspiel die Figuren für den ersten echten Showdown in Position geschoben werden.
Mit jedem der bislang veröffentlichten Teile gewinnt die Serie trotz manchmal zu oberflächlicher Hintergrundbeschreibung deutlich an Profil und die Mischung aus bekannten Szenen aus Film, Fernsehen und Literatur sowie eigenständiger Handlungsentwicklung stimmt.
E Book
Markus Rohde Verlag, 64 Seiten
Erschienen Juli 2013