Das Wunder von Bern

Originaltitel: 
Das Wunder von Bern
Land: 
DE
Laufzeit: 
118 min
Regie: 
Sönke Wortmann
Drehbuch: 
Rochus Hahn, Sönke Wortmann
Darsteller: 
Louis Klamroth, Peter Lohmeyer, Sascha Göpel, Peter Franke, Knut Hartwig, Lukas Grigorowicz
Kinostart: 
16.10.03

Es ist das Jahr 1954. Der Krieg liegt erst neun Jahre zurück und Deutschland trägt noch die tiefen Narben der Zerstörung. Dies ist das Jahr, in dem deutsche Sportgeschichte geschrieben werden sollte. Nicht nur auf dem Platz, auch die Rundfunkübertragung sollte nicht in Vergessenheit geraten.

Es ist das Jahr 1954, als Richard Lubanski aus dem Kriegsgefangenenlager in Russland zurückkehrt und das Leben der kleinen Familie durcheinander bringt. Sein fussballvernarrter Sohn Matthias, den er noch nie gesehen hat, versucht die Liebe seines Vaters, den er noch nie gesehen hat , zu gewinnen. Gerade seine Liebe zum Fussball und zu seinem Vorbild und Freund Helmut Rahn, scheint einen Keil zwischen sie zu treiben.

Es ist das Jahr 1954, als der Sportmoderator Paul Ackermann seine Hochzeitsreise absagt, um aus Bern von den Erfolgen der deutschen Fussball – Nationalmannschaft zu berichten.

Es ist das Jahr 1954, als die deutsche Elf unter Sepp Herberger in die Schweiz aufbricht. Niemand rechnet sich realistisch grosse Erfolgschancen aus, jedoch wollen die Spieler eine Menge erreichen.

Es ist das Jahr 1954.


Filmkritik:
von Jacob Behr (für SF-Radio.net)

An dieser Stelle will ich mich sofort als Fussballfan bis aufs Blut outen. Mag sein, dass ich diesen Sport nicht vollkommen objektiv beurteilen kann, doch will ich es zumindest versuchen. Auch sollte der geneigte Leser erfahren, dass ich - von wenigen Ausnahmen abgesehen - dem deutschen Film nicht sehr wohlwollend gegenüber stehe. Das Wunder von Bern fängt eher ruhig an. Man bekommt einen klaren Überblick über die Famile Lubanski, die, um sich den Lebensunterhalt zu verdienen, eine Eckkneipe im Ruhrgebiet bewirtschaftet. Man sieht den kleinen Matthias, der zu seinem Vorbild, Freund und Vaterfigur Helmut Rahn aufblickt. Helmut Rahn ist Kicker bei Rotweiß Essen. Sönke Wortmann zeigt in diesen stimmungsvollen Anfangsbildern fast schon eine Idylle inmitten von Zerstörung. Äusserst interessant ist die charakterliche Entwicklung von Helmut Rahn im Film. Sieht man ihn zum Anfang noch als einen verkaterten und undiziplinierten Jugendlichen, so wird zum Ende hin ein zumindest gereifter Erwachsener gezeigt.

Wer denken mag, Das Wunder von Bern wäre ein reiner Fussballfilm, der irrt sich gewaltig. Natürlich kommt der Film nicht ganz ohne Fussball aus, doch steht im Vordergrund die Beziehung zwischen Matthias und seinem zurückgekehrten Vater Richard. Unüberwindbare Differenzen scheinen sich zunächst zwischen beiden Protagonisten aufzutun. Dieses Problem löst Sönke Wortmann mit einem interessanten Zug: er nimmt das Hauptproblem zwischen Vater und Sohn - Matthias' Liebe zum Fußball und seine Vergötterung des Nationalspielers Rahn - und macht daraus kurzerhand die Lösung: Die Versöhnung zwischen den beiden Protagonisten liegt in genau dieser Begeisterung für den Sport.

Nun zum Handlungsstrang um die Ereignisse bei der Fussballweltmeisterschaft könnte man jetzt viele Statistiken und Berichte anführen, doch darauf will ich an dieser Stelle verzichten. Es sei soviel gesagt, dass dieser Teil des Filmes sehr gut gelungen ist. Köstlich sind die Szenen mit Sepp Herberger, in denen er seine mittlerweile von allen Liebhabern des Sportes bekannten Weisheiten zum Besten gibt. Ich gebe es gerne zu, nicht selten lief mir dabei ein ehrfürchtiger Schauer über den Rücken.

Die Schlüsselszene - Deutschland liegt gegen Ungarn schon 2: 0 zurück - ist einfach beeindruckend geworden. Als Anette Ackermann aufspringt und mit einer schwarz-rot-goldenen Fahne in der Hand das ganze Stadion mit einem simplen „Deutschland vor!“ aufheizt, ist einfach fantastisch anzusehen. Mag sein, dass diese Szene etwas zu pathetisch wirkt, doch in diesem Augenblick fällt das nicht mal auf. Zu gerne lässt man sich von der perfekt eingefangenen Stimmung erfassen und mittragen.

Zu kurz gekommen sind in meinen Augen die originalen Audiokommentare von Herbert Zimmermann, welche in Deutschland Rundfunkgeschichte geschrieben haben. Zwar wurden sie leicht angedeutet, doch bei weitem nicht mit dem Elan, den der Kommentator damals an den Tag gelegt hat. Schade eigentlich, hätten sie doch so gut zu den Szenen im Finale gepasst. Etwas fehl am Platze wirkt auch die Handlung um den Journalisten Paul Ackermann. Davon abgesehen, dass er Sepp Herberger einige seiner so bekannten Sprüche entlockt hat und seine Frau das Finale fast im Alleingang umgebogen hat, gibt es keine weiteren interessanten Szenen rund um das Ehepaar. Ob diese jedoch einen ganzen Handlungsstrang rechtfertigen, muss man zumindest anzweifeln.

Zusammenfassend kann man sagen, dass Sönke Wortmann ein sehr gelungener Mix aus Sportfilm und Nachkriegsdrama gelungen ist. Der Regisseur verbindet gekonnt einen winzigen Ausschnitt aus dem Leben einer Durchschnittsfamilie im Nachkriegsdeutschland mit einem der bedeutendsten Ereignisse der deutschen Fussballgeschichte.

Doch leider kann sich auch Das Wunder von Bern nicht ganz vom Manko des deutschen Filmes lösen: langwierige Dialoge bereiten dem Film teilweise Längen, die es nicht hätte geben müssen.
Nichtsdestotrotz ein Film, den ich unbedingt empfehlen kann.


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