Doris Milberg stellt in ihrer kurzweilig zu lesenden Studie “The Art of the Screwball Comedy” die subversive Komödienvariante vor, die in den dreißiger Jahren wahrscheinlich auch als Antwort auf die strengere Zensurbestimmungen – diese werden im Vorwort kurz angerissen – in Hollywood entstanden ist. Der anarchistisch klamaukartige Humor der Stummfilmzeit – Harold Lloyd, Buster Keaton seien hier stellvertretend genannt – wurde durch brillante sehr oft zweideutige Dialoge ersetzt. Verrückte auf den ersten Blick auf der Situation heraus entstehende Peinlichkeiten sollten nicht selten in Dreiecksverhältnissen nicht nur in den Hafen der dann nur noch langweilig zu nennende Ehe führen, nachdem die potentiellen Ehemänner und Ehefrauen ihre harmlosen Hörner sich in der Balzphase abgestoßen haben. Der Unterschied zwischen einer Screwball und einer romantischen Komödie ist klein. Es kommt, wie die Autorin mehrfach erwähnt, auf die Nuancen, die Zwischentöne an. Auch mit dem Detektivfilm – hier sei die „Der dünne Mann“ Serie erwähnt – verband diese Art der subversiven Komödie einiges. Da die Autorin sie eher als Zeitgeist mit Auswirkungen auf die Gegenwart – „The Runaway Bride“ oder gar „Pretty Woman“ werden erwähnt, Barbara Streisands explizierte Hommage auf dies Screwball Komödie „Is was, Doc?“ fehlt dagegen zumindest in den ersten Kapiteln und wird später oberflächlich als Hommage gestreift - sieht, konzentriert sie sich in ihrer anfänglich oberflächlichen wie ambivalenten Anatomie eines Genres auf die Eckpfeiler. Diese Vorgehensweise gibt Uneingeweihten einen kurzen, aber auch prägnanten Überblick, lässt aber wie manch andere Passage dieser Studie die notwendige Tiefe vermissen.
Kaum hat sie – mit zahlreichen Filmtiteln unterstrichen, auf die nur selten wirklich mit mehr als einem Nebensatz eingegangen wird und die deswegen ein vorheriges Sehen förmlich verlangen – das Grundgerüst des Genres etabliert, geht sie in den folgenden Kapiteln auf die wichtigsten Schauspieler und Nebenakteure sowie das Personal hinter den Kulissen ein. Die üblichen Verdächtigen wie Carole Lombard, Katherine Hephburn und natürlich Gary Grant werden kurz erwähnt. Ihre diesem Subgenre zuzuordnenden Filme gestreift. Während sich der unbedarfte Leser hier noch ein Bild von den zahlreichen Schauspielern machen kann, die zum Teil eher als Teil ihrer Studioorientierten Karriereplanung ebenfalls in Komödien mitspielen durften oder mussten – James Cagney, Gary Cooper oder Bette Davies fallen dem Betrachter ins Auge – argumentiert die Autorin noch in einer Art Vakuum, da sie die Screwball Filme noch nicht von den anderen Komödienvariationen abgegrenzt und die Eigenständigkeit etabliert hat. Viele Stellen dieses Buches wirken schwammig, ein tiefer gehendes Hintergrundwissen wird entweder verlangt oder die Autorin schreibt in einem Insiderverschwörerton, als wenn sich die Mitglieder einer kleinen Fangruppe treffen und von den „alten“ Zeiten schwärmen. Wenn Doris Milberg dann allerdings zahlreiche Nebendarsteller vorstellt und davon schreibt, dass die Namen nicht unbedingt präsent, die Gesichter aber auf jeden Fall bekannt sind, vermisst der Leser entsprechende Fotos, um zumindest auf Höhe der Autorin „mitdenken“ zu können. Die Auflistung der zahlreichen Schauspieler und einiger wichtiger Filme gehört im Grunde an eine andere Stelle des Textes. Es hilft auch wenig, wenn verschiedene Schauspieler an unterschiedlichen Stellen mit den gleichen Filmen expliziert erwähnt werden. Auf der anderen Seite hat sich die Autorin allerdings auch bemüht, markante Schauspielerkombinationen auch in Nebenrollen nicht zu trennen, so dass als Ganzes betrachtet insbesondere das Kapitel mit denen, welche mit kleinen, aber signifikanten Rollen dem Genre ihren zeitlosen Glanz verliehen haben, ein idealer Einstieg in eine aktive Auseinandersetzung mit der Screwball Komödie sein sollte. Manchmal argumentiert sie in einer Art luftleeren Raum und stellt Behauptungen auf, die sie nicht ausführt. Alleine das Erkennen des aufdämmernden Massenmediums Fernsehen reicht nicht aus, um für sich eine gesicherte Zukunft zu erlangen. Hier fehlt mehrmals der Querverweis, das nach der Blütezeit der Screwball Komödie im Kino das Fernsehen viele genretypische Aspekte übernommen und in Serienform übernommen hat. Doris Milberg versucht die Schwäche dieser anscheinend aus einzelnen zusammengefassten Essays bestehenden Arbeit zu überspielen, in dem sie immer wieder auf die kommenden Kapitel verweist. „Pervers“ wird diese Vorgehensweise, wenn sie dem Traumpaar der „Dünner Mann“ Serie ein einzelnes Kapitel einräumt und gleichzeitig eine Seite weiter den „Star“ – der Hund Asta“ – des Jahrzehnts und dieser Serie ausführlicher vorstellt. Herrchen/ Frauchen und Asta hätten in einem Kapitel mit Querverweisen auf ihre anderen Arbeiten besser abgehandelt werden können. Der letzte Abschnitt des ersten Buchteils – nicht ganz passend „The Essence of Screwball“ betitelt – wird den Regisseuren und ihren Drehbuchautoren gewidmet. Wie auf der Leinwand haben sich hinter den Kulissen erfolgreiche „Duette“ gesucht und gefunden. Das Spektrum der vorgestellten Regisseure reicht natürlich vom unbewussten Wegbereiter Frank Capra und seinem literarischen Alter Ego Robert Riskin über Howard Hawks zusammen mit Ben Hecht/ Charles MacArthur bis zu Preston Sturges. Doris Milberg ignoriert dabei eine Reihe von Fakten. Insbesondere Howard Hawks war anfänglich ein reiner Studioregisseur, der auf seine Stoffe keinen Einfluss hatte. Andere Auftragsarbeiter werden in dieser Studie zu Auteuren. Wenn Ernst Lubitsch dem Screwball zugerechnet wird, ist das nur bedingt richtig. Lubitsch hat schon in Deutschland eine Reihe von provokanten Stummfilmkomödien inszeniert, deren Themen in seine weniger amerikanischen Arbeiten eingeflossen sind. Billy Wilder hat ohne Frage auch einen oder zwei Beiträge zu diesem Subgerne beigetragen, warum fehlt aber im Vergleich zu anderen deutlich vager der Screwball Komödie zuzuordnenden Streifen Preston Sturges „Eins, zwei, drei“, der in den sechziger Jahren entstanden neben den von Doris Milberg angesprochenen politischen Themen – Kapitalismus und Kommunismus treffen in der geteilten Stadt Berlin aufeinander – den Klassenkonflikt – reiche Tochter und armer überzeugter Kommunist – genauso persifliert wie eine überdrehte Handlung mit pointierten Dialogen präsentiert. Wenn Billy Wilder schon erwähnt wird, dann sollte dieser Film nicht fehlen. Bei anderen Regisseuren fügt die Autorin ohne Frage detaillierte Informationen ihrer Studie hinzu, welche der Leser akzeptieren muss, das weiterreichende Begründungen an wichtigen Stellen fehlen. Als reiner Überblick ohne einen echten und nachhaltigen Verweis auf das Theater, aus dessen Fundus einige der erfolgreichsten Komödien schließlich stammten, interessant. In einer Betrachtung der „Art of the screwball comedy“ leider wie manches an diesem Buch oberflächlich und zu wenig in die Tiefe gehend.
Der umfangreichere zweite Teil „The Sub-genres of Srewball“ gleicht die angesprochenen Schwächen ein wenig aus, wobei die thematische Unterteilung nicht unbedingt willkürlich, sondern überambitioniert erscheint. Zu fließend sind die Übergänge, zu oft wird in einem Film mehr als ein Schwerpunkt gesetzt. Das führt dazu, dass die einzelnen Essays zu isoliert nebeneinander stehen. Wenn die Autorin im Auftaktkapitel von den Erben und Erbinnen auf der Suche nach der echten Liebe spricht und erst später auf die Idee eingeht, dass diese potentiell armen Reichen oder angeblich reichen Armen sich in bürgerlichen Berufen wie Diener im 20. Jahrhundert mehr oder minder freiwillig versuchen, dann gehören diese Ideen in ein Kapitel. Erstaunlich ist auch, dass Doris Milberg auf der einen Seite die Grenzen der Screwball Komödie zeitlich sehr eng zieht - Frank Capra erschuf das Genre mit "It happened one Night" 1934 und der Eintritt Amerikas in den Krieg beendete es zumindest formal -, auf der anderen Seite aber positiv für das ganze Buch über den zeitlichen Tellerrand nach vorne zu den Anfängen des Tonfilms, aber auch in die fünfziger Jahre mit Marilyn Monroe schaut. Den sechziger und siebziger Jahren wird am Schluss ein eigenes Kapitel gewidmet. Auch die innerfamiliären Verhältnisse gehen ineinander fließend über. Nicht selten verfügen insbesondere die jungen Erbinnen über verzweifelte Eltern, denen ein eigenes Kapitel gewidmet wird. Wenn Doris Milberg auf herausragende Beiträge zur Screwball Komödie insgesamt sechs bis sieben Mal in den verschiedenen, den deutlich umfangreicheren zweiten Teil ausmachenden Kapiteln eingeht, wirkt es teilweise unübersichtlich. Schlimmer ist es, dass die Autorin nicht deutlich genug herausarbeitet, was erstens ein enttäuschendes Remake ausmacht. Zweitens, ob ein Film kommerziell und "künstlerisch" erfolgreich macht und dritten in ihren Bewertungen seltsam oberflächlich bleibt. Zumindest nimmt der Leser den Hinweis mit, dass das Mädchen immer den in den Credits an Nummer eins genannten Schauspieler bekommt.
Positiv dagegen ist, dass der Leser weniger die einzelnen Themen als Überblick betrachten sollte, sondern in zahlreiche kleinere, heute eher unbekannte Filme eintauchen kann, die einzelne Fragmente der Screwball Komödie in sich vereinigen und alleinstehend schon sehenswert sind. In erster Linie finden sich kleinere Inhaltsangaben, die von Hinweisen auf die Schauspieler und ihre Rollen sowie die Akzeptanz beim Publikum begleitet werden. Keine Kritik geht wirklich in die Tiefe. Interessanterweise verzichtet die Autorin auch auf eine Differenz zwischen der überdrehten Screwball Komödie und den romantischen Filmen dieses Subgenres, in denen mehr impliziert wird als expliziert dargestellt. Das die Screwball Komödie die Idee der sich anziehenden Gegensätze in erster Linie nur bis zum Ja- Wort bzw. dem Traualter verfolgt wird eher beiläufig abgehandelt. Die Wunschvorstellung des amerikanischen Publikums, nicht nur hinter die damals noch glänzenden Kulissen Hollywoods zu schauen und einen Blick auf das natürliche fiktive Privatleben der Stars zu erhaschen wird ebenso in einem gesonderten Kapitel durchgesprochen wie der Versuch, mittels erdachter Affären wieder die Aufmerksamkeit des Ehemanns oder der Ehefrau zu erwecken. Screwball und Hollywood spielen in einem aus heutiger Sicht phantastischen Niemandsland, auch wenn die Besonderheiten der Screwballkomödie eher eine Weiterentwicklung der Burleske sind. Schwammig wird es in der vorliegenden Studie, wenn die Autorin versucht, insbesondere populäre Kinoserien wie "Der dünne Mann" dem Subgenre zuzuordnen. Vergleicht der Leser die wilde Hektik der besten Howard Hawks Komödien wie "Leoparden küsst man nicht" mit dem subtilen pointierten Humor der Streifen um den Hobbyermittler, dann gehören diese beiden Filme in zwei unterschiedliche Genres. Um das Buch mit Material zu füllen, muss Doris Milberg weit über den eigentlichen Horizont hinaus greifen. Mit dem immer heftiger werdenden Zweiten Weltkrieg und der stetig steigenden Zahl von auch prominenten Toten verliert die Screwball Comedy ihre naive Unschuld und weicht mehr und mehr dem Film Noir bzw. den patriotisch heroischen Streifen. Auch hier finden die Autorin noch Aspekte des Screwball Komödie.
Wie schon angesprochen fügt sie mit einem Einblick auf die sechziger bis achtziger Jahre noch einige uramerikanische Aspekte hinzu. Provokant stellt sich der Leser allerdings die Frage, warum zum Beispiel "Pretty Woman" Screwballähnlich ist, während "Notting Hill" nicht erwähnt wird. Auch die britischen "Carry on..." Komödien werden nicht erwähnt. Dabei gibt es hier mindestens zwei Streifen, welche die Idee der Screwball Komödie aufgenommen haben. Auch bei den Streisand Filmen wird mit einem zu groben Sieb nach Details geschaut und der Blick fürs Ganze geht verloren. Ohne Frage ist es schwierig, fast fünfzig Jahre Hollywood auf weniger als zwanzig Seiten zu durchsieben, aber manche Argumente der Autorin wirken wie im Hauptteil eher bemüht als wirklich überzeugend herausgearbeitet. Auch schaut die Autorin so gut wie gar nicht über den amerikanischen Tellerrand. Mit Greta Garbo und Ernst Lubitsch finden sich stellvertretend zwei Europäer aber ausschließlich mit ihren amerikanischen Arbeiten in dieser Sammlung. Insbesondere die beiden Garbo Filme stehen eher für eine sowohl dem Kommunismus als auch dem grenzenlosen Kapitalismus gegenüber kritische Haltungen, die Elemente der Satire integrieren. Ob es sich deswegen um reine Screwball Komödien handelt, muss der Leser selbst entscheiden. Angesichts der von Doris Milberg im Vorwort aufgestellten Definition muss man es verneinen, sonst wäre jede Komödie außerhalb des reinen Slapsticks (Oliver Hardy & Stan Laurel, Charlie Chaplin, die Marx Brothers) Screwball. Die wenigen politisch relevanten Filme hat die Autorin dann allerdings auch unter den unterschiedlichen Subthemen abgehandelt, was ein Nachschlagen im Vergleich zur kontinuierlichen Lektüre schwieriger, wenn nicht sogar unmöglich macht.
Zusammenfassend ist "The Art of the Screwball Comedy" nicht ganz Fisch und Fleisch. Es geht weniger um den Blick auf die Details, auf die Kunst, anarchistisch frivol zu unterhalten, sondern dem unbedarften Interessenten einen Einblick in dieses unterschätzte und heute nicht selten belächelte, aber doch auch irgendwie zeitlose Genre zwischen Depression und Zweiter Weltkrieg zu geben. Insbesondere Howard Hawks und Capra oder Preston Sturges, der bei Doris Milberg von Beginn seiner Karriere an nur punktet, Anhänger können eine ganze Reihe von sehenswerten Filmen finden, welche die damals die Zensur umschiffenden Thematiken weniger plakativ, aber suggestiv weiterentwickelt haben. Die McFarland Ausgabe ist zufriedenstellend bebildert. Die Qualität der Fotos ist sehr gut. Neben einem sehr guten Nachschlageverzeichnis weißt Doris Milberg bei ihren Quellen auf eine Reihe von Büchern hin, welche das Thema noch intensiver und ausfüührlicher behandeln. Als Einstieg ohne Frage gut geeignet, auch wenn dem Buch leider die notwendige kritische Tiefe fehlt.
- Taschenbuch: 192 Seiten
- Verlag: Mcfarland & Co Inc (31. März 2013)
- Sprache: Englisch
- ISBN-10: 0786467819
- ISBN-13: 978-0786467815