Mit "Kaiserkrieger 5- die Flucht" liegt der vorletzte Roman des inzwischen ersten Sechsteilers vor. Dirk van den Boom beginnt im Vergleich zum letzten Roman die einzelnen Handlungsstränge zu raffen und die Protagonisten für den finalen Showdown inklusiv eines kleinen Cliffhangars, welcher den Ausgangspunkt der ganzen Serie pointiert
Hinterfragt und hoffentlich von Arbeiten wie „Der letzte Countdown“ positiv im Abschlussroman abweicht, in Position zu bringen. Auf der anderen Seite gewinnt der ganze Handlungsbogen aber zu wenig an Substanz, da der Leser das unbestimmte Gefühl erhält, als diene manche Sequenz weniger dazu, den Plot voranzutreiben, sondern eher den Roman zu füllen.
Die "Saarbrücken" ist mit ihren beiden in der Vergangenheit gebauten Begleitschiffen in Konstantinopel eingetroffen, nachdem der immer stärker um sich greifende Bürgerkrieg auf der einen Seite und der Griff der Verräter nach den Errungenschaften der Zukunft auf der anderen Seite einen Verbleib in Rom unmöglich gemacht hat. Aber auch in Konstantinopel sind die Deutschen nicht sicher. Es ist erstaunlich, wie stark insbesondere Rheinberg die Gerüchte ignoriert und naiv in eine nicht einmal sonderlich geschickt gelegte Falle tappt. Auf der anderen Seite befreit Dirk van den Boom seinen Helden auch schnell wieder aus dieser misslichen Lage, in dem der Autor aufzeigt, dass persönliche Bande stärker sind als das Unterwerfen unter den zukünftig starken Mann Maximus. Dieses Drehen und Wenden der Handlung wirkt nicht immer nachhaltig überzeugend. Noch stärker als in den ersten Bänden der Serie baut der Autor ohne Frage Spannung und auch Erwartung in den Lesern auf, um sie vor allem in der ersten Hälfte des Romans verpuffen zu lassen. Die einzelnen Auseinandersetzungen sind ohne Frage dramatisch beschrieben. Höhepunkt ist der Angriff auf die Hafen liegende "Saarbrücken" und ihre Begleitschiffe durch die euphorischen wie todesmutigen Truppen des Gegenkaisers, welche alleine mit ihrer Masse versuchen, die waffentechnisch überlegenen Deutschen zu erdrücken. Die Befreiung der Geiseln als Gegengeschäft durch eine kleine Gruppe von Rheinbergs Männern geht fast zu glatt vonstatten.
Andere Szenen werden vom Autoren zu ambivalent abgehandelt. Rheinberg gibt sich Mühe, das deutsche Dorf inklusiv der entsprechenden technologischen Erfindungen und Gebäude zu vernichten. später erfährt er, dass ein wichtiges Handbuch mit Gebrauchsanweisungen für fast alles inklusiv der Schnapsbrennerei und der Möglichkeit, Kaffee zu brauen, nicht verbrannt ist, sondern in die Hände der Feinde gefallen ist. Fatalistisch akzeptiert er nicht nur diese Tatsache, sondern sieht seine Hoffnung in einer schnelleren Wiederaufnahme der eigenen Produktion. Dabei wird außer acht gelassen, dass die "Saarbrücken" und ihre Begleiter noch keinen neuen Hafen gefunden haben. Natürlich wird mit diesem praktischen Auffinden wichtiger technischer Daten zumindest indirekt eine Art Gleichgewicht des Schreckens zwischen den wackeren deutschen Soldaten und der von dem Verräter angetriebenen Gegenbewegung hergestellt. Auf der anderen Seite findet der Leser wenige Seiten vorher den wichtigen Hinweis, dass die "Saarbrücken" unbedingt im Trockendock einen neuen Anstrich erhalten muss und das das Schiff aufgrund der schwindenden Munitionsvorräte nicht so unbesiegbar ist wie es Rheinberg wenige Szenen später formuliert.
In Bezug auf die Nebenhandlungen wirkt Julias Abrechnung mit ihrem unfähigen Mann Martinus Caius zu gedehnt. Der Zufall will es, dass ihr Mann ausgerechnet mit dem Schiff seiner Frau nachreist, mit der sie in die Gegenrichtung fliehen will. Kaum fordert er Sex ein, kauft sie ihm vier Prostituierte für eine ganze Woche, damit er sich abreagieren kann. Zumindest baut er Dramatik auf, in dem er vorausschauend prophezeit, dass sie ihn in absehbarer Zeit „töten“ wird. Diese Aussage relativiert der Autor schließlich, ohne dieses Szenario wirklich abzuschließen. Dirk van den Boom kann zusätzlich im vorliegenden Roman dieser Handlungsebene keine neuen Informationen hinzufügen, so dass angesichts des bei anderen Abschnitten des Romans vorgelegten Tempos zu viel Raum "zweckentfremdet" wird.
Dem Verräter und Schurken von Klasewitz wird relativ wenig Raum geschenkt. Mehr und mehr erinnert die Figur an Stirlings Antagonisten. Brutal, rücksichtslos, ehrgeizig, intelligent natürlich den subversiven Kräften dienend. Hier neigt der Autor auch ein wenig zu Übertreibungen. Drei Gefangene haben ihm unter der Folter die gleichen Informationen gegeben. Vorsichtshalber lässt er noch einen vierten Mann foltern und dann töten. Dabei haben seine Männer noch nicht einmal richtig die deutsche Siedlung durchsucht. Auch stellt sich für den Leser die Frage, warum die deutschen Soldaten die elementare Siedlung nicht gründlicher zerstört haben. Zeit, um Sprengstoff zu legen oder die wichtigen Maschinen zusammenzustellen und zu vernichten hatten sie genug. An einer anderen Stelle gibt es keine Probleme, zwecks Geiselbefreiung eine Mauer in die Luft zu sprengen.
Relativ deutlich erkennt der Leser ab der Mitte des Romans, dass es Dirk van den Boom weniger darum geht, den eigentlichen Plot voranzutreiben, sondern fast ausschließlich, seine Helden und Antagonisten für den natürlich angesichts einer neuen Miniserie vorläufigen Showdown in Position zu bringen. Die spät eingeführt Bedrohung durch die Post entzieht den Getreuen des rechtmäßigen Kaisers einen Teil ihrer Armee und nötigt die „Saarbrücken“, die nur scheinbare Sicherheit des östlichen Mittelmeers endgültig zu verlassen. Positiv dagegen kann der Autor noch einmal herausarbeiten, dass die Männer des Kaisers auch humanitär in der Vergangenheit unterwegs sind. Als Zielorte der „finalen“ Auseinandersetzung zeichnen sich Nordafrika und Sizilien ab. Zumindest Nordafrika würde den Druck aus einer sich weiterhin gegenüber der Historie verändernden Zeitlinie nehmen und der Besatzung der "Saarbrücken" die Möglichkeit schenken, eine neue Basis aufzubauen. Hier agiert Dirk van den Boom inzwischen sehr routiniert. Ohne Frage setzt er wie schon angedeutet einzelne Höhepunkte und schenkt der "Saarbrücken" Besatzung nach dem sehr dunklen, aber deswegen auch überzeugenden Ende des vierten Romans nicht nur neue Hoffnung, sondern hinter den Kulissen zumindest neue Verbündete. Manches wirkt aber zu stark konstruiert und nicht mehr so frei fabuliert wie in den ersten drei Romanen. Dirk van den Boom hat ein sehr breites Szenario aufgebaut, wo der Autor sich bemüht, die einzelnen politischen Kräfte inklusiv ihrer weltlichen, zukünftigen oder kirchlichen Verbündeten klar voneinander zu unterscheiden. Die Ziele aller Gruppen bzw. in einzelnen Fällen Individuen wird überdeutlich formuliert. Die Macht im strauchelnden römischen Reich zu übernehmen, wobei die Besatzung der "Saarbrücken" die fatalen Folgen der Völkerwanderung für Rom zu minimieren sucht, während Maximus zusammen mit dem Verräter von Klasewitz nach der Macht greifen will. Die Individuen dagegen versuchen sich entweder in dieser Zeit zu assimilieren oder ihre Liebsten wiederzufinden und die Familie zu vereinen.
Zu den Stärken des Romans und der ganzen Serie gehört die Glaubwürdigkeit mit ausreichend historischen Details ohne belehrend zu wirken, mit welcher der Autor die letzte Phase des römischen Weltreichs beschreibt. Weiterhin positiv ist, dass der Kreuzer „Saarbrücken“ nicht zu einer „Deus Ex Machina“ Lösung verkommt, sondern dessen beeindruckende technologische Überlegenheit durch die eingeschränkte Verfügbarkeit von Brennstoffen, Ersatzteilen und schließlich auch anfänglich passender Munition überzeugend relativiert wird.
"Die Flucht" ist ein zufriedenstellender Roman, dessen Qualität wahrscheinlich erst mit dem abschließenden Roman wirklich zu beurteilen ist. Dirk van den Boom hat sich eine vielschichtige Bühne gebaut, auf der hoffentlich ein guter letzter Akt aufgeführt wird. "Die Flucht" ist eine vielleicht zu lange und stellenweise sehr mechanisch erzählte Vorbereitung.
- Broschiert: 254 Seiten
- Verlag: Atlantis Verlag Guido Latz (Februar 2013)
- Sprache: Deutsch
- ISBN-10: 3864020395
- ISBN-13: 978-3864020391