
Fünf Jahre hat Frank W. Haubold an seiner „Götterdämmerung“ Trilogie gearbeitet. Der abschließende Roman „Das Licht von Duino“ ist mit knapp vierhundertfünfzig Seiten so lang wie die ersten beiden Teile zusammen. Wahrscheinlich ist der Roman die längste professionell veröffentlichte Arbeit in Frank Haubolds literarischem Schaffen. In seinem Nachwort macht sich auf der einen Seite Erleichterung breit, den Weg bis zum Ende gegangen zu sein. Auf der anderen Seite schreibt der Autor, dass er absichtlich nicht alle Fragen beantworten wollte und das sein Universum noch viele Seitenzweige birgt, noch viele Reisen ermöglicht und vor allem der Weg seiner Protagonisten nicht zu Ende ist. In allen Punkten hat der Autor recht. Und irgendwie auch Unrecht, denn der Fokus auf einem Abschlussband einer Serie hat Frank W. Haubold vor allem im mittleren Abschnitts des vorliegenden Buches überambitioniert, zu stark fokussiert und zu wenig als Schriftsteller auch improvisierend erscheinen lassen. Warum diese ambitionierte Serie wirklich mit diesem umfangreichen, teilweise inhaltlich aufgrund der Fülle erdrückenden Buch enden lassen? Der Stoff hätte durchaus zwei deutlich straffere und inhaltlich anders „sortierte“ Romane vertragen können. Mit dem Aufbrechen der engen Korsettstangen einer Trilogie hätte Frank W. Haubold sich Freiheiten geben können, die nach einem eher betulichen Anfang das Szenario dreidimensionaler erscheinen lassen.
Auf den ersten Seiten fasst der Autor die verschiedenen Handlungsebenen seiner ersten beiden Bücher zusammen. Da „Das Licht von Duino“ unmittelbar einsetzt, ist dieser übersichtlich geschriebene Zeitraffer auch notwendig. Interessant ist zusätzlich, dass Haubold auf solide Grundthemen der Science Fiction zurückgreift und diese teilweise in Allegorieform – sebst seine Figuren resümieren am Ende über diese Möglichkeit – deutlich verfremdet präsentiert. In seinem Universum ist es möglich, sowohl der Musiker Jim Morrison – an sich ein schwieriger, zu irdischer Charakter – wie auch dem Dichter Rainer Maria Rilke vor teilweise „himmlischen“ Hintergründen zu begegnen. Anfänglich ist der Leser über diese Extrapolation der Vergangenheit in einer fernen Zukunft irritiert. Aber wie einige andere Aspekte – siehe die angreifenden Reiter, die absichtlich anachronistisch und surrealistisch zu gleich erscheinen – dieser Trilogie wehrt sich Frank W. Haubold gegen die Idee, eine grundsätzlich realistische Weltraumserie zu schreiben. Selbst die Suche nach der verschollenen Mannschaft der Nemesis wird weniger zu einer Reise in ferne Region des grauen Land jenseits der bewohnten Regionen, sondern wie in Joseph Conrads „Heart of Darkness“ stellvertretend für vergleichbare Werke zu einem nach innen gerichteten Blick. Bei Frank W. Haubold ist nicht nur in diesem Werk jede Reise gleichzeitig eine Auseinandersetzung mit sich selbst. Das macht einzelne Passagen, die auf den ersten Blick „ruhig“ erscheinen, aufgrund der Zwischentöne zu Herausforderungen, aber die Tiefe der Romanform - wie auch bei seinen Novellen - im Vergleich zu seinen deutlich stringenteren Kurzgeschichten gibt ihm auch den Rahmen, um sich mit den einzelnen, sehr unterschiedlichen, aber teilweise nicht hintergründig genug charakterisierten Nebenfiguren auseinanderzusetzen. Die Fülle der direkt aktiv oder indirekt nur passiv handelnden Personen erschlägt an einigen Stellen den Leser förmlich. Um einen göttlichen Konflikt zu beschreiben, ist ein entsprechendes Publikum notwendig, aber es ist auch die Aufgabe der Autors, die Figuren nicht nur voneinander abzugrenzen, sondern insbesondere bei einer Ansammlung von exzentrischen, teilweise übernatürlichen, auf realen Vorlagen basierenden oder der eigenen Phantasie entsprungenen Protagonisten die Charakterisierung ausführlicher und emotionaler zu gestalten. Damit soll auf der anderen Seite nicht ausgedrückt werden, dass die Figuren alle eindimensional oder distanziert sind, aber wie bei einigen Teilen dieser Trilogie erkennt der Leser, dass Frank W. Haubold eher mit der Konzeption des Plots, dem Einpressen in eine Romanform beschäftigt gewesen ist als mit der kontinuierlich überzeugenden Entwicklung seiner Figuren.
Der Inhalt besteht aus zwei soliden Kontrasten. Da wäre zu einem Raymond Farrs Suche auf der grauen Welt mit dem angesprochenen Morrison an seiner Seite und der abschließenden Begegnung mit dem in doppelter Hinsicht tot geglaubten Dichter Rilke, dessen Verse Haubold als Hommage in die laufende Handlung der ganzen Trilogie und nicht nur während Rilkes „Auftritten“ im ersten und dritten Band hat einfließen läßt. Haubold ist niemals jemand gewesen, der einfache Wege gehen wollte. Einige seiner Texte litten weniger unter seinen überdurchschnittlichen stilistischen Fähigkeiten als der Tatsache, dass er einfache, nicht immer grundlegende originelle Ideen verwandt hat. Bei dieser Trilogie ist es anders. Aus einem einfachen Aspekt wie der Auseinandersetzung mit anscheinend gottgleichen Wesen macht Haubold eine auf mehreren Ebenen funktionierende Handlung. Die Idee der Rückkehrer aus der Zukunft, welche die Katastrophe verhindern oder vielleicht indirekt initiieren wollen/ müssen ist dabei das schwächste Glied. In den letzten Jahren sind Variationen dieser Idee sowohl in der laufenden „Perry Rhodan“ Serie als auch in Andreas Suchaneks „Heliosphere 2265“ angedeutet worden, so dass unabhängig von der wahrscheinlich parallel laufenden Entwicklung dieser Konzepte keiner der Autoren wirklich etwas Neues bieten kann. Auch wirkt das Verlassen der eigenen Zeitebene immer schwierig, da wie der berühmte Flügelschlag des Schmetterlings die Folgen nicht erkennbar und damit auch literarisch schwer zu bearbeiten.
Die finale Auseinandersetzung nimmt vor allem für die ganze Trilogie einen ausreichenden Raum ein. Wie schon eingangs erwähnt verweigert Haubold positiv wie negativ abschließende Antworten. Der Weg zurück in diese ohne Frage farbenprächtige, vielschichtige und exotische Universum ist jederzeit möglich. Die Leitplanken sind breit gesetzt. Diese Ambivalenz wird vor allem im Vergleich zu vielen anderen gegenwärtigen Space Operas Leser nicht nur verwirren, sondern vielleicht sogar ärgern. Aber wie im Leben verzichtet Haubold auf ausreichende Antworten. Angriffspunkte gibt es genug und der „finale“ Konflikt um die Zukunft der Menschheit erscheint rückblickend eher wie ein evolutionärer Zwischenabschnitt – die Rückkehrer aus der Zukunft bringen ja selbst ausreichende Variationsmöglichkeiten mit – als eine finale Entscheidung. Mutig vermischt Frank W. Haubold klassische, aber nicht klischeehafte Space Opera mit den Göttersagen einer eher fiktiven Antike und präsentiert zusätzlich verschiedene Quests, die nicht nur in unbekannte Weiten, sondern auch in das Innere einiger Protagonisten führen. Stilistisch herausfordernd, aber nicht um des Werkes selbst willens verspielt ist die ganze Trilogie anscheinend für den Autor auch eine Art Hassliebe gewesen. In einigen seiner Novellen agiert und schreibt Haubold deutlich befreiter. Ein wenig hat der aufmerksame Leser auch das Gefühl, als sei er über die „fehlende“ positive Resonanz auf die ersten beiden Bücher enttäuscht wie entschlossen gewesen, die Geschichte wirklich mit dem vorliegenden dritten Buch teilweise auf Kosten einer nicht negativ gemeint einfacher zu lesenderen Struktur zu beenden, so dass vor allem nach dem ruhigen, ein wenig phlegmatischen Auftakt der Mittelteil im Vergleich zum interessanten und vielschichtigen Ende durchhängt und zu stark konstruiert als natürlich aus sich selbst heraus entwickelt erscheint. Unabhängig von den angesprochenen Schwächen gehört der Respekt Frank Haubold, eine tief in seinem Inneren originelle, nicht kommerzielle, sondern intellektuell ausgerichtete Space Opera verfasst zu haben, die an den entscheidenden Stellen nicht nur nachdenklich stimmt, sondern den Leser angesichts des universellen Schicksals sogar berühren kann.
Atlantis Verlag,