Hollywood Hellfire Club

Hollywood Hellfire Club, Greogry Mank, Thomas Harbach, Rezension
Gregory Mank

Der Titel von Gregory William Manks zusammen mit Charles Heard und Bill Nelson verfassten Buch ist ein wenig irreführend, denn es handelt sich nicht wie in dem später entstandenen gleichnamigen britischen Gruselstreifen um einen Club, um eine organisierte Gruppe von in erster Linie die moralischen Regeln brechenden Männern, sondern um talentierte Männer – Schauspieler, Autoren und schließlich den Maler/ Graphiker/ Satiriker John Decker -, die sich in Deckers Studio auf dem Bundy Drive quasi die Klinge in die Hand gegeben haben. Bevor man sich mit den einzelnen Persönlichkeiten beschäftigt, ist es wichtig, die Struktur des Buches zu analysieren. Es gibt eine sehr lange Phase, in der sich die einzelnen Protagonisten mehr oder minder direkt nicht nur ins Rampenlicht, sondern auf diesen magischen verführerischen und schließlich auch für viele aufgrund ihrer Exzesse vorzeitig tödlichen Ort zu bewegen. Die Aufenthaltszeit ist relativ gesehen schmal. Mit den ersten Sterbenden wie John Barrymore zeigen sich mehr und mehr die Zerfallserscheinungen nicht nur dieser losen Gruppe, sondern vor allem des Hollywoodsystems, das nach dem Krieg deutlich erschüttert worden ist.  Die lange Phase danach wird begleitet von den vorzeitigen, krankheitsbedingten Todesfällen bis zum Abriss des Gebäudes, in dem John Decker nicht nur die mächtigen Hollywoodstars mit seinen Zeichnungen karikierte, sondern anscheinend nicht gänzlich abschließend extrapoliert auch einige alte Meister fälschte, um seinen nicht billigen Lebensstil zu finanzieren. Unabhängig vom Charisma der Schauspieler wie John Barrymore – in den zwanziger Jahren der am höchsten bezahlte Schauspieler Hollywoods – oder Errol Flynn oder als Gegenentwurfs der nicht unumstrittene Komiker W.C. Fields, handelt es sich wie Mank im Text herausarbeitet, bei den Männern auch um eine Gruppe von teilweise unsicheren Machos, die nach jungen Frauen lechzten, die aus zerrütteten Familien teilweise mit erdrückend dominierenden Müttern, aber kaum vorhandenen Vätern stammten, die alle mindestens Alkoholabhängig, teilweise sogar drogensüchtig gewesen sind. Sie lieben Tiere mehr als Menschen. Sie haben alle auf ihren Gebieten Erfolg und sind doch tief in ihren Herzen einsam. Mehr und mehr wird Deckers Atelier in der in den dreißiger und vierziger Jahren populären, aber noch nicht so bekannten Bundy Drive zu einem Hort, in dem sie ihre Masken fallen lassen können, den selbst erwählten Druck der Öffentlichkeit abstreifen und schließlich sogar leben können. Natürlich ist es schwer, angesichts dieser Versammlung von unsympathischen, selbst verliebten Männern mit ihren gigantischen Spielzeugen wie verschiedenen Jachten, ihren künstlerischen Erfolgen und ihrer Unfähigkeit, wirklich eine normale Ehe zu führen, Gefühle für diese „Menschen“ zu empfinden. Zu selbstzerstörerisch haben sie ihre Talente verschwendet und ihre Umwelt brüskiert. So wenig haben sie Respekt für die Fans aufgebracht, die ihnen durch die Studios diesen Lebensstil teilweise ermöglicht haben. Bis auf den hart arbeitenden Reporter Fowler haben sie Vermögen verdient und zwei Vermögen mit ihren Partys, ihren Häusern, ihren Schiffen und schließlich ihrer jeweiligen Sucht durch gebracht.  Ob sie das Rat Pack der sechziger Jahren wie Schuljungen aussehen ließen, bleibt dem Leser überlassen. Ohne Frage haben sie teilweise Ende der zwanziger und zu Beginn der dreißiger Jahre vor der Einführung des Hays Codes von der vordergründig strengen, hintergründig durch die  Isolation der Stars auch laxen Moral profitiert. Auf der Leinwand haben sie ihre Zweideutigkeiten ausgelebt, wobei erstaunlich ist, dass insbesondere der Komiker W.C. Fields mit seinen schmutzigen, sehr direkten Dialogen durchgekommen ist. Gregory Mank liefert ausreichend Beispiele. Die Veränderung der Zeit zeigt sie nur mäßig. Während Fields wegen Plagiaten angeklagt worden ist, musste sich Flynn wegen Vergewaltigung vor Gericht verantworten. Nach den Prozessen der zwanziger Jahre keine Überraschung und kein Novum für diese Gruppe. Da sie außerhalb ihrer Treffen niemals richtig als „Vereinigung“, als fester Freundeskreis definiert worden sind, wirkt die Interaktion zwischen ihnen auch nicht immer zwingend. Nicht selten sind es zufällige Überschneidungen, Begegnungen, die sich mit Decker im Mittelpunkt des Geschehens abspielen. Sie können im Verhalten der anderen „Nachbarn“ reflektiert, vielleicht auch analysiert werden, sie bleiben aber erstaunlich oberflächlich. Immer wieder hat man den Eindruck, als wenn sie alle ihres Unglücks Schmied sind und sich nicht gegenseitig bedauern, sondern ihre Schmerzen masochistisch selbst ausleben wollen, damit sie das Glück ihrer beruflichen Laufbahnen, die Bewunderung ihrer Fans besser ertragen können. Es ist ein schmaler Grat, auf dem sich die Protagonisten eher angetrieben von ihren Ängsten ständig auf der Flucht bewegen. John Barrymores Furcht, wie sein Vater seinen Verstand zu verlieren, ist genauso eine Triebfeder wie Flynns innere Unsicherheit und fehlende Charakterstärke angesichts der kontinuierlichen Bewunderung, die er als das amerikanische Sexsymbol erhalten hat. Interessant ist, dass die zerbrochenen einfachen Familien, aus denen sie stammten, lange Schatten geworfen haben. Kaum einer der Männer lebte abschließend mit einer Frau zusammen, die nicht deutlich jünger gewesen ist. Dabei haben sie mit diesen jungen „Mädchen“ nicht immer ihre Unsicherheiten überspielen können. So konnte John Barrymore dem wahrscheinlich auch sexuellen Einfluss seiner letzten Frau vom Alkohol gezeichnet nicht mehr entkommen, während Flynn zwar junge Mädchen suchte, die aber teilweise mehr erotisch exotische Erfahrungen hatten als er selbst.  Auch wenn die beiden nicht abschließend dem Kino/ Theater verschriebenen Künstler – Fowler hat erfolgreich Drehbücher verfasst, John Decker zu Beginn seiner Karriere auf der Bühne gestanden und in wenigen Filmen mitgespielt – auf den ersten Blick weniger exzentrisch agieren und ihre Ehen „ruhiger“ wirkten, durchzieht John Deckers Leben die Jagd nach Affären und Fowler hat ebenso wie alle anderen Mitglieder dieser Gruppe exzessiv getrunken.

Obwohl sich die Autoren auf eine Handvoll sehr unterschiedlicher und doch ähnlicher Charaktere konzentriert haben, funktioniert „Hollywood Hellfire Club“ durch die zahllosen Zitate und Quellenangaben, durch die detaillierte Recherche deutlich besser als zum Beispiel „Hollywood Babylon“. Kenneth Anger hat hier die einzelnen Skandale mit Fotos aufgelistet und ein solides, aber distanziertes Bild dieser Exzentriker erschaffen. Manks Einfluss geht weiter. Immer wieder löst er sich von der Handlung und erläutert an Hand von Episoden – Barrymore schockiert den jungen Legar, der nach einigen wenigen Erfolgen als korpulenter Horrorstar sich schließlich quasi zu Tode hungert, bei ihrer ersten Begegnung  - den Einfluss, den vor allem Flynn oder Barrymore gegen ihren Willen hatten. Aber auf der Bundy Drive Lane waren sie auch nur Mitfahrer bei der Entstehung des „Clubs“, die Mank ausführlich beginnend mit der Lebensgeschichte jedes einzelnen „Mannes“ in der ersten Hälfte fundamental überzeugend entwickelt.               

 Die Geschichte dieser lockeren Gruppe beginnt im Grunde nicht in den zwanziger Jahren mit dem unaufhaltsamen Aufstieg Hollywoods, sondern schon im Ersten Weltkrieg, in dem Decker in einem Internierungslager in England aufgrund seiner deutschen Herkunft gefangen gehalten worden ist. Nicht nur bei dem populären Karikaturisten sind es die Ängste der frühen Jugend oder des Erwachsenwerdens, die ein Leben lang sie zeichnen sollen. Während Decker Angst vor den Erlebnissen in diesem Lager gehabt hat, fürchtete sich John Barrymore vor dem Wahnsinn seines Vaters, auch wenn er mit Drogen, Alkohol und anderen Exzessen seinen Körper kontinuierlich schwächte und sich im Grunde selbst in die Isolation trieb. Mank geht bei seiner Studie sehr geschickt vor. Wie schon angedeutet steht die Gruppe eher mittelbar im Mittelpunkt des Buches. Es gibt nur wenige Informationen über deren Feiern. Vielmehr erinnert Deckers Studio an eine Fluchtburg, in welche sich die einzelnen Mitglieder vor allem dann flüchteten, wenn sie wieder die Kontrolle über ihr Leben zu verlieren drohten. Durch den jeweiligen Fokus auf einen tragischen Antihelden behält der Autor anfänglich die Kontrolle über die Konzeption des Buches. Erst im Mittelteil wird er dieses strenge Korsett auflösen und sowohl in die Vergangenheit als auch in die Zukunft greifen. Mit Kurzbiographien von John Barrymore oder Errol Flynn, von dem auf den ersten Blick nicht in die Gruppe gehörenden Anthony Quinn mit seinem kranken Ehrgeiz, aber auch als Schwiegersohn eines einflussreichen Produzenten Sonderstatus. W.C. Fields mit seiner aggressiven und provokanten Art sowie John Barrymore mit seiner kontinuierlichen Selbstvernichtung gepaart mit egoistischer Exzentrik bilden die Eckpunkte. Insbesondere Leser, die sich noch nicht mit den zwanziger bis vierziger Jahren über die Meilensteine hinaus beschäftigt haben, werden durch die in Zeitraffer dargestellten, aber trotzdem ausführlichen Karrieren mit einigen Hinweisen auf deren Werke sowie deren Querverbindungen zu anderen Exzentrikern wie Erich von Stroheim sehr viele Informationen erhalten. Mank ist sich seiner Mammutaufgabe bewusst. Daher bemüht er sich, einzelne Themen ausführlicher darzustellen und spricht insbesondere mit Barrymore auch die Leser an, die über die phantastischen Themen seiner anderen Bücher auf „Hollywood´s Hellfire Club“ aufmerksam geworden sind. Diese Vorgehensweise ist nachvollziehbar. Einige Ansätze wird er später in einer seiner letzten Buchveröffentlichungen – einer Sammlung von Essays – noch einmal aufgreifen und zum Beispiel Barrymores „Svengali“ inklusiv der Remakes noch einmal intensiver untersuchen. Da der Fokus nicht von oben – von den dominierenden Studios – nach unten – zu den Schauspielern – gerichtet worden ist, sondern den entgegen gesetzten Weg geht, kettet die emotional persönliche Note die Leser an das Geschehen, auch wenn man manchmal das Gefühl hat, die einzelnen Menschen schütteln zu wollen. Talentiert und verloren. Unsicher und doch zeitweise erfolgreich. Die dreißiger Jahre bilden im Grunde den Wendepunkte. Auf dem Höhepunkt ihrer Erfolge – Quinn und Flynn folgen erst einige Jahre später, die Entwicklungen sind aber abzusehen – schaffen sie es nicht, auf der Spitze zu bleiben, sondern zerstören sich selbst. Betrachtet man aus heutiger Sicht die Exzesse, dann erscheint Hollywood im 21. Jahrhundert eher wie ein Kloster. Interessant ist, dass insbesondere bei Flynns Prozessen um die Vergewaltigung zweier junger Mädchen Aspekte aufgezeigt werden, die pervers und absonderlich zu gleich erscheinen. Das Mank mit einem Nebensatz auch den Airbuckle Prozess – er wurde schließlich der Vergewaltigung frei gesprochen, seine Karriere war aber zerstört – relativiert, ist eine der Feinheiten dieser gut recherchierten Ausgabe, die als Sprungbrett zu betrachten ist. Als Sprungbrett, um die einzelnen Karrieren auch angesichts der verschiedenen im Text erwähnten Biographien oder Autobiographien zu beleuchten. Mit dem frühen Tod Barrymore – nicht wenige Mitglieder dieser Gruppe starben in ihren fünfziger Lebensjahren durch ihre Exzesse – beginnt ihr imaginären Stern zu sinken und vor allem ihre negativen Persönlichkeiten zu dominieren. Fowler und Quinn bleiben schließlich über, wobei insbesondere Fowler in seinen semiliterarischen Arbeiten dieser Gruppe ein Denkmal gesetzt hat. Ein verbindendes Element sind Deckers Zeichnungen, die nicht unumstritten die negativen Charakterzüge Hollywoods entlarvten. Neben den Wegen einiger dieser Graphiken beschreibt Mank andere unbekanntere Arbeiten und vor allem die Reaktionen der so entlarvten eitlen Schauspieler. Ein Vorteil dieser Ausgabe ist, dass die Bebilderung überdurchschnittlich reichhaltig ist, so dass beginnend vom hervorragenden Titelbild – Deckers Gruppenbild – der Leser sich einen eigenen Eindruck machen kann. Dazu kommen teilweise seltene, doppelseitige Fotos, die alle passend in schwarzweiß abgebildet diese Ära beleuchten.

Auch wenn das eigentliche Thema des Textes – wie eingangs erwähnt ist es eine zufällige, atheistische Versammlung von markanten Charakteren und kein eigentlicher Club – eher als MacGuffin, als Einladung zu verstehen ist, schaut Mank in seiner gut geschriebenen, durch zahlreiche Zitate auch „lebendigen“ Studie hinter die Kulissen des frühen Hollywoods und zeigt ein weiteres Babylon nachhaltig auf.          

  • Taschenbuch: 280 Seiten
  • Verlag: Feral House (1. Oktober 2007)
  • Sprache: Englisch
  • ISBN-10: 1932595244
  • ISBN-13: 978-1932595246
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