Herzblut

Herzblut, Rezension, Thomas Harbach
Volker Klüpfel, Michael Kobr

„Herzblut“ ist inzwischen der siebente Kultkrimi um die Figur des Allgäuers Ermittler Kluftinger. Am Ende der Lektüre wird der Leser ein wenig an den zweiten Band „Erntedank“ erinnert, in dem auch ein psychopathischer Massenmörder allerdings ferngesteuert eine Mission übernimmt. In beiden Romanen wird Kluftinger am Ende direkt mit dem Täter konfrontiert und in beiden Büchern hängen Ereignisse aus der Vergangenheit sehr eng mit dem Geschehen zusammen.

Im Gegensatz zu den letzten, teilweise doch sehr schlampig konzipierten Kluftinger Romanen versuchen die Autoren wie bei den „Tatort“ Krimis das Geschehen härter und brutaler, die Morde blutiger erscheinen zu lassen.  Rückblickend macht das kriminalistische Geschehen nur Sinn, wenn man die Täter nicht weiter charakterisiert und ihr Motiv stark konzentriert, wobei einige ernste Themen wie Versicherungsbetrug am Privatmann, das „harte“ Leben der Schausteller und schließlich auch die Jagd nach dem großen Geld in der Forschung zu oberflächlich gestreift werden. Jeder dieser Aspekte würde für ausreichend Tiefe sorgen und die mehr als einhundert Seiten zufriedenstellender füllen, die dieser Roman einfach in jeglicher Hinsicht zu lang ist.

Auf der anderen Seite verbinden die Autoren geschickt, aber nicht nachhaltig genug die Mordspuren miteinander. So ermittelt Kluftinger in einem Mord an einem Taxifahrer. Auf der Pressekonferenz erhält er einen anonymen Handyanruf. Kluftinger ist überzeugt, dass er Zeuge eines Mordes wird. Spätestens als er abends im Fernsehen einen entsprechenden Hitchcock Krimi sieht.  Während der Mord am Taxifahrer relativ schnell aufgeklärt wird und der „Täter“ sich als Drogenabhängiger entpuppt, beginnt Kluftinger den vagen Spuren des Anrufs zu folgen. In diesem Abschnitt beschreiben die Autoren das sogar relativ plastisch und der Instinktkriminaler Kluftinger folgt der richtigen Spur. Am vermeintlichen Tatort rutscht er auf einer Lache voll Blut in der Nacht aus. Die Situation wird Kluftingerfans allerdings mit Schlamm aus dem ersten Band „Milchgeld“ bekannt vorkommen. Die Polizei verfügt jetzt über einen Tatort, aber keine Leiche. Innerhalb kürzester Zeit werden aber mehrere Menschen brutal ermordet. Ein örtlicher Arzt an einer Herzklinik, eine Beamtin der Aufsichtsbehörde und schließlich auch ein Versicherungsvertreter. Ihnen wird jedesmal das Herz herausgeschnitten und ein Streichholzheftchen wird am Tatort platziert. Kluftinger hat es also mit Serientäter zu tun.

Im Gegensatz zur eingehenden Prämisse mit dem Zufallsprinzip Anruf geben sich die Beamten sogar sehr viel Mühe. Wenn am Ende der Fall für Kluftinger sogar persönlich wird, ist diese Idee sorgfältig an der bekannten Figur vorbereitet.  Den nach gegangenen Hinweisen kann der Leser jederzeit auf Augenhöhe folgen und selbst wenn er die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Taten schneller ahnt als die Polizei, kann er weder den Täter aus den vorhandenen Hinweisen ermitteln – obwohl Kluftinger einem Täter sogar begegnet – noch den Auslöser dieser Mordserie erkennen. Das Ende ist spannend, obwohl niemand wirklich einen Moment glauben kann, dass es auch das Allgäuer Urvieh erwischen kann. Die Autoren konzentrieren sich darauf, aus Kluftinger wieder mehr einen Polizisten zu machen, der das Große überschaut und seinen Instinkten folgt als den arroganten „Trottel“ der letzten Romane, der bei den eigentlichen Ermittlungen eher Schaden anrichtet als ein Ergebnis erzielt.  Diese Wendung der Figur zurück zu einer gewissen Glaubwürdigkeit ist ohne Frage überfällig. Aber während sich insbesondere „Milchgeld“ auch hinsichtlich des zu untersuchenden Falls dem Allgäu und seinen Bewohnern angepasst hat, wirkt „Herzblut“ eher wie eine Serienkillerrachegeschichte, die durch einen Zufall in der Provinz gelandet ist.  Deutlich straffer trotzdem geschrieben mit einer nachvollziehbaren Spannungskurve ist es dieses Mal der Kriminalfall, der fesselnder ist als die Irrungen des Herrn Kluftingers.      

Weniger selbstbewusst und aggressiv geben die Autoren Kluftinger aus einer inzwischen klischeehaften Situation heraus ein Motiv. Ihm sticht es in der Brust und ein Besuch bei Doktor Langhammer – eine Figur, die sehr am Rande dieses Mal mitgeschleift wird – führt dazu, dass Kluftinger der Meinung ist, nicht mehr lange auf Erden zu haben und unbedingt gesund leben zu müssen. Jetzt teilt sich im Grunde die private Handlungsebene. Während Kluftingers Mutter alleine angesichts des Gedankens, ihr Sohn könnte nicht richtig ernährt werden, in Panik gerät, ist Erika begeistert und unterstützt die gesunde Ernährung. Hinzu kommt aus Yoga Kursen das positive Denken, dass Kluftinger gleich bei den Kollegen ausprobieren möchte.  Auch wenn viele kleinere Situationen den Polizisten immer noch trottelig erscheinen lassen, ist die Balance zwischen nicht immer subtilen Humor, dem Spott und schließlich auch Klamauk überzeugender gestaltet worden.

Wenn Kluftinger mit dem potentiellen japanischen Schwiegervater in seinem gebrochenen Englisch spricht und natürlich das englische „gift“ als Gift interpretiert, kann der Leser herzlich lachen. Wenn er dagegen die Kollegen mit seinem positiven Denken angesichts des gestrichenen freien Sonnabends zu überzeugen sucht, dann hätte ein wenig mehr Subtilität dem Geschehen gut getan. Aber da Kluftinger sich im Diätrausch befindet, brennen wie bei der Vernehmung einer wichtigen Zeugin oder schließlich auch im Autoscooter auf dem örtlichen Jahrmarkt schon einmal die Sicherungen durch. Hier ist die Charakterisierung dieser Figur ausgesprochen grenzwertig und selbst die tölpelhaften Entschuldigungen können über die in diesen Punkten nachhaltig negative Charakterisierung zu wenig hinweg täuschen.  Innerlich gereift erscheint der Komissar, wenn er seinen letzten Willen verfasst oder tatsächlich mit seinem erwachsenen Sohn von Mann zu Mann sprechen kann. Wie schon angedeutet ist Kluftingers Umfeld in Person von Doktor Langhammer, der eher einfühlsamen Erika oder seinen exzentrischen Kollegen dieses Mal ausgesprochen zurückhaltend gezeichnet, was die Längen der Ermittlungen allerdings auch offensichtlicher macht. Zusammenfassend eine deutliche inhaltliche Steigerung gegenüber den letzten Kluftinger Romanen, wobei sich auch die Frage stellt, ob die Autoren weniger bei den Morden auf die gängigen Klischees zurückgreifen sollten, sondern lieber den exzentrischen Kluftinger als Charakter weiter reifen lassen, so dass die Einzigartigkeit des bislang unerreichten, wenn auch für Debütautoren auch teilweise überambitioniert gestalteten „Milchgeld“ Krimis in greifbare Nähe zurückkehrt.   

               

Hardcover, Droemer HC
26.02.2013, 400 S.

ISBN: 978-3-426-19937-4

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