
„Das Kommando“ ist der vierte Band der „Kris Longknife“ Serie, die inzwischen in den USA insgesamt sieben Abenteuer umfasst. Im Vergleich zu den letzten „Longknife“ Romanen, in denen der Autor eher bemüht die Handlung aus zwei grundsätzlich konträren Elementen zusammengebaut hat, wirkt „Das Kommando“ deutlich fließender und in sich geschlossener.
Aber die anfängliche Exkursion kann er sich auch nicht verkneifen. Longknife ist dieses Mal quasi alleine unterwegs und ihre Erkenntnisse werden im Verlaufe der Handlung unter den Tisch gekehrt, obwohl sie im Vergleich zur letzten Exkursion am Beginn des dritten, ebenfalls sehr umfangreichen Bandes, sehr viel effektiver in die laufende Handlung eingebaut hätten werden können. So bleibt im Leser immer mehr das unbestimmte Gefühl zurück, als versuche Mike Shepherd eine vertragliche Länge zu erreichen und wenn der Hauptplot dafür nicht ausreicht, wird noch eine Kurzgeschichte hinzugefügt. Wie eingangs geschrieben, der Bruch ist aufgrund der Versetzung ebenfalls ins Exil mit einem neuen Kommando nicht so stark spürbar wie bei den letzten Abenteuern, aber dieser statische Aufbau sollte einfach in den folgenden Romanen zur Seite geschoben werden.
Obwohl immer noch Leutnant erhält Kris Longknife das Kommando über die Raumdistrikt 41, der allerdings im weit entfernten Sonnensystem Chance liegend Beförderung und Strafe zu gleich sein könnte. Auch wenn es Mike Shepherd immer wieder impliziert heranzieht, könnte diese „Beförderung“ auch mit ihrem Vater als Premierminister und vor allem ihrem Großvater als herrschendem König zu verdanken sein. Es ist interessant, dass auf der einen Seite dieser Gedanke immer wieder angedeutet wird, auf der anderen Seite Mike Shepherd ausreichend Gegenargumente vor allem hinsichtlich ihrer letzten Aktionen heranzieht, um diese Argumente zu entkräften. Ein oder zweimal ist diese Vorgehensweise interessant, sie zieht sich aber ohne weitere Kontrastpunkte inzwischen durch alle vier Bände der Serie, so dass diese Kette insbesondere für Anhänger des Zykluses ins Leere läuft, während Neueinsteiger relativ schnell Longknife außergewöhnliche Position kennen lernen, aber aufgrund fehlenden weiterer Hinweise diese Fakten im Gedächtnis ohne Probleme ablegen können.
Eine interessante Komponente der ganzen Serie – der Konflikt zwischen den auf der einen Seite herrschenden Longknife und ihren familiären Rivalen den Peterwarld- Smiths – wird eher beiläufig weiter aufgebaut. Shepherd bemüht sich hier, eine Balance zwischen den politisch militärischen Ränkespielen und der Karriere Longknifes zu finden. Obwohl Longknife für ihre Karriere und erst dann für ihre Familie lebt, hat sich Mike Shepherd bemüht, ihr auch ein Privatleben zu geben, wobei sie mit dem naiven Ron – dem Bürgermeister von last Chance – einen potentiellen Liebhaber gefunden hat, der nicht einmal konträr zu ihrer Persönlichkeit angelegt worden ist. Ron steht unter dem Einfluss seiner Mutter, die ausgesprochen dominant ist. Auf der anderen Seite kann sich Kris Longknife trotz ihrer mutigen Aktionen nicht aus dem langen Schatten ihres Vaters, weniger ihres Großvaters lösen. Interessant ist bei dieser Beziehung, dass Ron offener agiert und vor allem seine Manipulation deutlich klarer erkennbar ist, während der Leser bei Kris Longknife noch darauf wartet, dass die politischen Hintergründe ihrer militärischen Karriere offenbart werden. Mit Hank verfügt der Roman über einen weiteren fast klassisch klischeehaften Pro- und Antagonisten, der karrieretechnisch das Spiegelbild von Kris Longknife sein könnte. Dabei bewegt sich der Autor auf einem ausgesprochen schmalen Grad, denn der Leser muss entscheiden, ob er eine Figur mit einem Schritt nahe am Wahnsinn überhaupt entsprechend akzeptieren kann. In dieser Hinsicht macht es sich Mike Shepherd mit seiner eher eindimensionalen Charakterisierung viel zu leicht. Schon im letzten Roman machte der Autor die gleichen Fehler, in dem er Antagonisten etablierte, die schon alleine aus ihren Handlungen heraus objektiv betrachtet kein echtes Hindernis für Longknife gewesen sind. Ohne Frage ist es notwendig, um innerhalb des übergeordneten, sich auf den vorliegenden Roman konzentrierenden Plots Spannung zu erzeugen, einen Kontrastpunkt zu setzen, aber sowohl hinsichtlich ihres Charakters als auch ihrer militärisch eher sinnfreien Handlungen verschenkt der Autor ausgesprochen viel Potential und unterminiert vor allem die Entwicklung Kris Longknifes viel zu stark, um überzeugen zu können. Vor allem angesichts der Tatsache, dass Kris Longknife einige Aspekte ihrer Familie sowie ein fast an Paranoia erinnerndes Misstrauen allen Seiten gegenüber zeigt. Mit einem zugänglicheren, vielleicht auch charmanteren und deswegen gefährlicheren Antagonisten hätte der Autor unabhängig von der Piratenjagdprämisse für sehr viel mehr Spannung hinsichtlich der ganzen Entwicklung der Serie sorgen können und spätestens ab diesem vierten Roman auch müssen.
Im Vergleich zu den letzten „Longknife“ Bänden wirkt aber auch der Hintergrund der Handlung ein wenig seltsam und stark konstruiert. Zum einen ist die militärische Auseinandersetzung noch nicht entbrannt, so dass es keinen echten Grund gibt, mit dieser abgeschiedenen, aber strategisch wichtigen Basis so stiefmütterlich umzugehen und keinen Kommandanten bis zum Eintreffen von Longknife an Bord zu haben. Interessanter wäre es gewesen, wenn der Fokus ausschließlich auf der Überwachung des potentiellen Feindeslandes gelegen hätte und so die Piraten auf der Jagd nach außerirdischen Artefakten zwischen diesen Überwachungsdrohnen durch geschlüpft worden wären. Aber konzeptuell wirkt es genauso wenig in der vorliegenden Art und Weise überzeugend wie der Abzug der ganzen Flotte in einem kritischen Moment von WARDHAVEN. Natürlich ging es in allen Kriegen auch um das Ego der Militärs und nicht selten wurden Soldaten geopfert, um höhere Ziele zu erreichen, aber dann muss auch die Hintergrundgeschichte diese Aspekte auffüllen und einen entsprechenden Boden ausbreiten. Das ist leider weder in dem hier vorliegenden Abenteuer noch in den letzten Bänden überzeugend der Fall gewesen. Die Grundidee mit den Piraten und den außerirdischen Artefakten ist solide erzählt, aber nicht unbedingt originell. Natürlich ist es wahrscheinlich, in den Tiefen des Universums auf derartige Überreste zu stoßen und sie von den falschen Männern und Frauen bergen zu lassen. Aber diese Idee ist weder neu noch gelingt es Mike Shepherd im Vergleich zu den politischen Ränkespielen oder den gut geschriebenen Actionszenen diesen Spannungsbogen wirklich nachdrücklich mit Leben zu erfüllen. Er wirkt viel mehr so, dass die Piraten Kris Longknife auf ihrem abgelegenen, aber doch sehr wichtigen und deswegen hinsichtlich ihrer Beförderung auch kritischen Stützpunkt eine Art Beschäftigungstherapie durchstellen, bis die übergeordnete Auseinandersetzung der verfeindeten Familien einsetzt. Auch wirken die Funde auf dem Planeten mit insgesamt drei außerirdischen, lange „verschollenen“ Zivilisationen zu pragmatische erzählt, um nachhaltig überzeugen zu können. Mit dem Auftauchen von Hanks Flotte ist dieser Handlungsaspekt sowieso ad absurdum geführt worden.
Zusammen verzichtet der Autor auf weitere Exkursionen der allgegenwärtigen und anscheinend sehr mächtigen Penny, die aus einer Stricknadel eine Atomwaffe machen kann. Die Beziehung zu ihrem allgegenwärtigen Leibwächter Jack bleibt weiterhin platonisch, aber von einer erotischen Spannung ist nichts zu sehen. Mit den vertrauten, Longknife umgebenden Figuren kann Shepherd einige langweilige Passagen des vorliegenden umfangreichen Romans füllen, ohne auf die stereotypen und inzwischen klischeehaften Handlungsmuster vor allem der ersten beiden Romane zurückzugreifen. Es bleibt trotzdem nicht mehr viel Zeit, den Konflikt zwischen den Familien – im Kleinen findet er auf einer rückblickend allerdings enttäuschenden Ebene zwischen Hank und Kris Longknife ja schon statt – weiter anzufachen und damit den potentiellen Bürgerkrieg ausbrechen zu lassen. Auch wäre es sinnvoller, die folgenden Romane fokussierter und ohne die leider nicht immer nachhaltig überzeugend eingebauten Nebenhandlungen zu konzipieren. Dafür kann der Umfang durchaus einige Dutzend Seiten kürzer sein. Für Anhänger militärischer Karriere Science Fiction eine solide Unterhaltung mit einigen, allerdings sehr auffälligen Schwächen hinsichtlich der Vorgehensweise der wichtigsten Figuren. Im Vergleich zum deutlich schwächeren dritten Roman der Serie eine kleine Steigerung, aber die Explosion vor allem auch hinsichtlich der Hauptfigur fehlt noch.
- Taschenbuch: 512 Seiten
- Verlag: Bastei Lübbe (Bastei Lübbe Taschenbuch); Auflage: Aufl. 2015 (12. Februar 2015)
- Sprache: Deutsch
- ISBN-10: 3404207750
- ISBN-13: 978-3404207756
- Originaltitel: Resolute