
Unabhängig vom Rückblick verläuft der Handlungsbogen jetzt auf drei Ebenen, die nur indirekt miteinander verbunden worden ist. Im Rückblick wird die Flucht von Lanzo und Arnest von der Erde beschrieben. Intensiv mit einigen cineastischen Bildern – zweihunderttausend Zombies sind in Wellen auf dem Marsch zur letzten Bastion der Menschheit, wo in erster Linie Milliardäre zu den im Orbit wartenden Raumschiffen ausgeflogen werden - beschreibt Claudia Kern diese relevante Episode auch hinsichtlich des Verhältnisses zwischen den beiden Brüdern ausgesprochen kompakt. Auch wenn das Ende natürlich von Beginn an ersichtlich ist, überzeugt dieser Rückblick genau wie die letzten, sich wie bei einem Puzzle Stück für Stück zusammensetzenden Episode. Im Gegensatz allerdings zu den letzten Romanen, in denen der Rückblick einer der Höhepunkte gewesen ist, präsentiert die Autorin auf allen Handlungsebenen überzeugende Ansätze.
Auckland befindet sich weiterhin auf der Erde. Er muss sich mit den Gefolgsleuten des Albaners arrangieren. Dieser ist bislang der dominante Anführer der kleinen menschlichen Siedlung in einem Meer von Zombies gewesen. Um aktiv zur Seite zu stehen, braucht Auckland aus einem kaum genutzten Supermarkt im Zombieland allerdings entsprechende Hardware. Zusammen mit einigen wenigen Begleitern, von denen Barbie aus der Gruppe herausragt, macht er sich auf den Weg und wird in der Enge des Supermarktes von den Zombies gestellt. Nihilistische Atmosphäre, einige plakativ geschriebene Actionszenen und das schwierige Verhältnis zwischen den beiden Alphatieren Auckland und dem Alabaner bestimmen diesen Spannungsbogen. Vielleicht geht die Integration Auckland ein wenig zu schnell, aber die auf der Erde spielenden Episoden schließen sich im vorliegenden Roman sehr gut an den langen Rückblick an. Weiteres Konfliktpotential bedeutet der Anblick ehemaliger Vorgesetzter, wobei bislang noch nicht die alten Rechnungen präsentiert worden sind.
Rin und Arnest befinden sich zwar in der Umlaufbahn um die Erde. Arnest will aber seinen Bruder LAzlo suchen, nachdem er erfahren hat, dass das Tötungsvideo eine Fälschung gewesen ist. Die Spur führt sie wieder nach SCANIA. Mit der ELIOT fliegt er zu der Station. Am Ende dieses Handlungsbogens müssen die Charaktere erkennen, dass das vermeintliche Paradies für einen Neubeginn der Menschheit natürlich wieder eine Falle darstellt. Da dieser Spannungsbogen eher von der Bewegung auf das Ziel zu dominiert wird, wirkt der Cliffhanger eher pragmatisch als effektiv. Der Weg zum Ziel wird von pointierten Dialogen untermauert, so dass keine Langeweile aufkommt. Arnest Vorgehensweise ist nachvollziehbar, aber auf der anderen Seite lässt er seine Kameraden im Stich. Dieser innere Konflikt hätte ein wenig besser herausgearbeitet werden können. Der Leser ist ja inzwischen ausreichend mit den Protagonisten vertraut, so dass Claudia Kern in diesen für die Protagonisten schwierigen Passagen die zwischenmenschlichen Spannungen durchaus anheben könnte.
Kipling und Ama´Ru sind weiterhin in der Hand der Kultisten, die unbedingt auf die Erde zurückwollten. Dieser Spannungsbogen verzeichnet das meiste Potential und nutzt es zu wenig. Der religiöse Kult ist interessant und in diesem Zusammenhang auch die Idee von bekehrten Jockeys. Dabei wiederholt die Autorin mehrfach die Frage, ob es jetzt Christen sind. Aber den Kipling und Ama´Ru Abschnitten fehlt eine innere Dynamik, zumal Ama´Ru immer wieder andeutet, aufgrund ihrer Ausbildung und ihrer Erfahrung mit dem ursprünglichen Virus helfen zu wollen, aber es fehlt das aktive Handeln. Interessant ist aber, dass es jemanden in ihrer Nähe gibt, der mehr über die ursprüngliche Mission weiß, als sie selbst Preis geben möchte. Diese Geheimniskrämerei umgibt ihre Figur ja schon seit vielen Ausgaben. Wahrscheinlich wird Claudia Kern in den nächsten Ausgaben dieses Minizykluses noch einmal auf die Problematik eingehen, aber angesichts der zahllosen Geheimnisse um die Crew ist die Auseinandersetzung mit und um Ama´Ru fast überraschend die einzige Problemzone, die noch in einem direkten Zusammenhang mit der Erde und dem Ausbruch der Zombieseuche steht, während insbesondere die menschlichen Besatzungsmitglieder der ELIOT in dieser Hinsicht durch die zahlreichen Rückblicke für den Leser auf den neusten Stand gebracht worden sind.
„Schieß doch“ ist im Vergleich zu den letzten beiden Romanen aber nicht nur spannungsreicher, sondern der Plot schreitet auf den verschiedenen Ebenen schneller und vor allem interessanter voran. Die Autorin behält die Balance zwischen den beiden Rückblicken – direkt und indirekt – sowie den verschiedenen, parallel ablaufenden Spannungsbögen gut im Blick und eine kurze, pragmatische aber für Stammleser eher unauffällige Zusammenfassung des bisherigen Geschehens auf den ersten Seiten rundet diesen lesenswerten und bis zum frustrierend offenen Cliffhanger lesenswerten Band zufriedenstellend ab.
- Format: Kindle Edition
- Dateigröße: 949 KB
- Seitenzahl der Print-Ausgabe: 76 Seiten
- Verlag: Rohde Verlag (27. Oktober 2014)
- Verkauf durch: Amazon Media EU S.à r.l.
- Sprache: Deutsch
- ASIN: B00O704LRM