
“Ghoul” aus dem Jahr 1987, als insbesondere Thomas Harris mit seinen Büchern um Hannibal die Aufmerksamkeit wieder auf das perverse Serienkillergenre lenkte, ist der zweite Band der “Special X” Serie, die inzwischen mehr als vierzehn Romane umfasst. Wie der erste Teil finden sich unter dem Sammelpseudonym die drei Kanadier Jay Clarke, Lee Clarke, and John Banks zusammen, die aufgrund ihrer juristischen Ausbildung mit dem Schwerpunkt unzurechenbarer Täter ohne Frage über die Erfahrung verfügen, den kriminalistischen wie auch den juristischen Hintergrund ihrer Geschichten ausgezeichnet, aber auch angesichts der Komplexität der verschiedenen Fälle, die im Verlaufe der Handlung ineinander laufen ein wenig zu gedehnt zu präsentieren. Interessant insbesondere für Horror- Fans sind die zahlreichen Anspielungen nicht nur auf Horror Filme, sondern auch auf H.P. Lovecraft und seine Alten, während die drei Autoren aber streng genommen niemals die Schwelle zum Übernatürlichen, zum Unerklärlichen wirklich überschreiten.
Mit drei Autoren beginnt der Roman gleich auf verschiedenen Ebenen. Ein Junge wird lebendig begraben als Teil eines Einführungsrituals in einen Horrorclub. Danach entwickelt sich die Geschichte bis zur Entführung von Zwillingen, mit denen einer der Killer die Tore zu den Alten wie in H.P.Lovecraft öffnen möchte, der Plot auch über verschiedene, sehr unterschiedliche Ebenen. Zwar gibt der in diesem Punkt unnötig ausführliche Klappentext einen entscheidenden, die Täter und deren Taten verbindenden Hinweis, aber selbst der Bogen zur Metal Band „Ghoul“ – auch der Name eines Horrorfilms aus den dreißiger Jahren, der aufgrund seiner Seltenheit lange über die eigentliche Qualität des Streifens hinaus stilisiert worden ist – wird wieder verschachtelt. Mit Schauplätzen in Vancouver, London und Rhode Island konzentrieren sich die Autoren auf eine sehr stringente Handlung. In den achtziger Jahren eher eingesetzte Rückblenden sollen die nicht immer sattelfesten Motivationen der psychopathischen Killer mehr hinterfragen und liefern in den wenigsten Fällen absolut notwendige Informationen.
Mit dem Vampirkiller ist vielleicht der einfachste Killer charakterisiert. Er lässt seine Opfer durch eine Wunde im Hals buchstäblich zur Ader. Jack the Ripper wird eher durch den im Original so klassisch bezeichneten „Sewer Killer“ nachgestellt, der dessen Wegen folgt. Etwas unglücklich ist, dass auch der Bombenleger Jack heißt, so dass insbesondere oberflächliche Schnellleser den Eindruck bekommen könnten, es handelt sich nicht um drei, sondern nur um zwei Killer. Aus dem Zeitgeist der achtziger Jahre stammt die Idee, dass der Bombenleger vor allem Lokale zerstören und Menschen töten will, die von Homosexuellen besucht werden. Mit der achtziger Jahre galt AIDS noch ausschließlich als Homosexuellenkrankheit und mit Jack dem Bombenleger versuchen die Autoren eine Art zynischen Sensenmann des höheren Gerichts zu etablieren. Vor allem aus heutiger Sicht mit einer ganz anderen Art von Terror bewegen sich die Autoren auf einem schmalen Grad zwischen Geschmacklosigkeit und Provokation.
Auf der Seite der Ermittler stehen mit dem typischen Kanadier Mountie Zinc Chandler und dem Ermittler Hilary Rand in Vancouver und London zwei konträre Charaktere sich quasi in einem Fall gegenüber. Dabei ist die kanadisch amerikanische Spur anfänglich interessanter. Mit einer der ältesten Familien des Landes – die Wards – und deren inzestuösen Wahnsinn wird im Grunde ein perfekter wie mächtiger, an eine Hydra erinnernder Antagonist etabliert. Mit ein wenig mehr Phantasie und vor allem nicht nur dem klassischen Erwecken bekannter Mythen anderer Autoren, sondern dem Mut, neue Wege zu gehen, hätte Michael Slade auch die Wards als Nachkommen der Alten in ihren gigantischen Palästen sprich alten Landhäusern erwecken können. Potential bietet dieser Handlungsbogen ausreichend. Stattdessen fällt der Fokus relativ schnell auf die Zwillinge Saxon und Rika, die nicht nur in der erwähnten Haevy Metal Band spielen, sondern die Welt des „Cthulhu“ Mythos Lovecraft wieder erwecken wollen. Da Michael Slade harte Thriller und vor allem keine übernatürlichen Horror Romane schreiben, ahnt der zumindest durch den Auftaktroman „Headhunter“ informierte Leser, in welche Richtung die Absichten der Zwillinge gehen. Verlief die Handlung bislang parallel mit den Ermittlungen in London, wird durch die Reise der Band nach Großbritannien der Plot auf einen Standort positiv für den weiteren Verlauf des Buches reduziert. Die Kooperation Rands und Chandlers scheint eher aus Verzweifelung geboren. Das ist vielleicht auch eine der wenigen Schwachstellen des Buches, denn Michael Slade entwickelt auf der einen Seite so viele Handlungsebenen, auf der anderen Seite ist es erstaunlich, das selbst in den achtziger Jahren und damit der Tradition Thomas Harris folgend nur wenige Polizisten und Spezialisten sich mit diesen markanten und herausragenden Serienkillerverbrechern beschäftigen. In den Gegenwart sind es dank Serien wie „CSI“ inzwischen ganze Teams bestehend aus unterschiedlichen Spezialisten. Natürlich lässt sich in diesen eher klassisch und damit auch an den Horrorbuchvorlagen manchmal ein wenig klischeehaft plottechnisch konstruierten Romanen die Gefahr für das Individuum, für den Helden an der Seite des Lesers deutlich steigern als wenn man es mit einem ganzen Team zu tun hat. Im Verlaufe der inzwischen vielen „Special X“ Romane hat man auch gelernt, dass Michael Slade wie zum Beispiel auch Richard Laymon, aber auch Stephen King oder Peter Straub sich nicht zu schade ist, sympathische Identifikationsfiguren des Lesers zu töten, aber dieses Werkzeug der letzten Spannungserzeugung setzt der Autor in den ersten Romanen zu selten ein. Die Fokussierung auf die beiden Ermittler gegen drei unterschiedliche psychopathische Killer wirkt ein wenig überzogen. Interessant bis leider manchmal belehrend ist auch Michael Slades Hang, an den Tatorten zu viel zu erklären. Damit nehmen die Autoren aber die angesprochenen Fernsehserien wie „CSI“ vorweg, die den Zuschauern teilweise arrogant an der Nase herumführend erläutern, was sie alles im Gegensatz zu den Ermittlern nicht gesehen haben. Bei einem komplexen Roman wie dem vorliegenden Krimi stockt der Lesefluss dadurch an einigen Stellen. In einem scharfen Kontrast stehen dagegen die sadistisch blutigen Exzesse, die anscheinend weniger um sich selbst willen im Vergleich zu Richard Laymon so ausführlich beschrieben worden sind, sondern in einer interessanten Balance aus den subtileren Vorlagen – sowohl H.P. Lovecraft im vorliegenden Buch als auch das französische „Grand Guignol“ Theater wird mehr als einmal in der Reihe zu Rate gezogen - und einem klassischen Kriminalroman. Aber insbesondere Robert Bloch als Ideengeber zu „Psycho“ und Autor sehr vieler dunkler Krimis wird ohne auf Konkretes in seinem Werk zurück zu greifen bemüht. Neben seiner Faszination mit „Jack the Ripper“, die auch in einem Drehbuch zu einer originalen „Star Trek“ Folge gipfelte, sind Blochs interessante Mischung aus Erzeugen einer morbiden, den Leser in die Ecke drängenden Atmosphäre und seine für die damalige Zeit ausgesprochen direkte Erzählstruktur, die natürlich deutlich übertriebener und brutaler extrapoliert worden ist, erkennbar.
Der grundlegende kriminalistische Plot ist vielleicht auch die Stärke dieser ganzen Reihe und in „Ghoul“ ohne die inzwischen etablierten Muster im Besonderen. Der Leser ist nur vordergründig auf Augenhöhe mit den Ermittlern. Im Gegensatz zu ihnen wird er vom Autoren in eine Sackgasse geführt. Was anfänglich im Roman ausführlich und lang, durch die verschiedenen Handlungsebenen verwoben erscheint, wird vor dem finalen Showdown ein wenig zu radikal zusammengeführt und teilweise gekürzt. Der Verdacht fällt wie es sich für einen Kriminalroman dieser harten Güteklasse gehört anfänglich auf den Falschen, bevor die Autoren fair und für den Leser rückblickend nicht nur den tatsächlichen „Ghoul“ entlarven, sondern die Hinweise auch fokussiert haben. Vielleicht wirkt der alle Fäden abschließende Epilog mit den Überlebenden nach dem in erster Linie aus Action bestehenden Finale ein wenig überzogen und will zu viel, aber zumindest hat Michael Slade den Respekt vor dem Leser, diese Knotenlösung anzubieten.
Natürlich werden sich an der in den achtziger Jahren provokativen, in der heutigen deutlich mehr pervertierten Zeit eher als Exzess empfundenen Gewalt weiter die Geister scheiden. Michael Slade sieht diese Gewalt und die daraus folgenden ohne Frage grausamen Szenen aber nicht als entschuldbare Exkurse schwacher Geister, die von der verführerischen Literatur quasi aus der Bahn geworfen worden sind, sondern liefert den unangenehmen Gehalt der Bücher eher steigernd keine wirklichen Erklärungen ab. Er zeigt die Gewalt als Teil des Menschen und setzt den Tätern entschlossene Ermittler gegenüber. Dabei respektiert er in seinen Splattergrenzen die Wurzeln des Genres und ist eines der wenigen Autorenteams, das diese Mythen nicht nur kennt, sondern effektiv einsetzt. Das macht ohne Frage für Kenner des Genres einen Teil des Reizes aus, wobei aufgrund der Zielgruppe und des konsequenten Verzichts auf Mystik und abschließend nicht erklärbare Phänomene diese Hintergründe nicht nur auf den ersten Blick konträr und widersprüchlich erscheinen.
Neben dem provokanten Titelbild hat der Festa- Verlag im Vergleich zum ersten Michael Slade Roman den Roman hinsichtlich der deutschen Erstübersetzung deutlicher überarbeiten lassen, so dass irgendwie „Der Ghoul“ in der vorliegenden Fassung wie eine Erstausgabe und keine Neuauflage wirkt.
Buchreihe: | Festa Crime |
---|---|
Buchseiten: | 512 Seiten |
Ausführung: | Paperback, Umschlag in Festa-Lederoptik |
Format: | 20 x 12,5 cm |
ISBN: | 978-3-86552-187-3 |
Originaltitel: | Ghoul |
Übersetzung von: | Heinz Zwack |