House Dick

E. Howard Hunt

Es ist nicht oft, dass der Autor eines Hardboiled Krimis hinsichtlich seines Lebens mehr zu bieten hat als die Protagonisten seiner Geschichten. E. Howard Hunt war nicht nur der Autor von mehr als fünfzig Spionagegeschichten und Hardboiled Krimis, sondern arbeitete jahrelang für den CIA, gehörte zu Nixon „Klempner“, die während das Watergate Skandal in die Zentrale der Demokraten eingedrungen ist und hatte mit Kennedy bei der Invasion der Exilkubaner in der Schweinebucht zu tun. Es ist eine Ironie der Geschichte, das seit fast zehn Jahre vor den Ereignissen des „Watergate“ Skandals spielender Krimi  in einem Hotel namens „Washington“ angesiedelt worden ist.  

Der Titel “House Dick” bezieht sich nicht unbedingt schmeichelhaft auf den Hausdetektiv Pete Novak in dem zumindest impliziert angedeutet  ehemaligen Nobelhotel Tilden in Washington.  Immer wieder greift Hunt quasi aus der laufenden Handlung heraus Themen auf, die eher seine eigene zwiespältige Karriere betreffen. Obwohl der Roman einige Jahre vor seiner Verhaftung geschrieben worden ist, gibt es nur zwei Menschenarten für ihn in der Hauptstadt der USA. Die Kleinkriminellen/ Prostituierten/ Schwerenöter auf der einen Seite, die gewählten Häupter auf der anderen Seite.

Pete Novak ist dabei ein harter Hund. Anfänglich entlässt er einen Mann mit einem Makel in seiner Akte, weil er ein potentieller Dieb sein könnte. Der Autor arbeitet aber nicht klar angesichts der folgenden Verwicklungen heraus, ob der Diebstahl der Juwelen wirklich stattgefunden hat oder ob Novak versucht hat, einen unliebsamen Mitarbeiter loszuwerden.  Wie in einem vielleicht auch ein wenig klischeehaften Kammerspiel checken kurz hintereinander die drei wichtigen Protagonisten im Hotel ein.- Da wäre die attraktive Paula Norton. Ihr ehemalige Geliebter Chalmers Boyd checkt ebenfalls zusammen mit seiner kranken Frau in dem Hotel ein.  Als Mrs. Boyd den Diebstahl – der zweite Diebstahl - von Diamanten meldet, versucht ihr Mann Pete Novak davon zu überzeugen, nicht die Polizei zu rufen.  Den angeblichen befinden sich die Juwelen sich weiterhin im heimischen Safe und sind nicht gestohlen worden. Boyds Frau ist nur verwirrt.  Kurze Zeit später wird Paula Norton von ihrem Ex- Mann, der ebenfalls in  Washington auftaucht, im Hotel geschlagen. Novak will eingreifen, wird aber eher zurück gehalten. Wenige Stunden später ist Boyd tot, die Juwelen immer noch verschwunden. Anscheinend hat seine Geschichte nicht gestimmt. Auch entpuppt sich Mrs. Boyd nicht als kranke, von Medikamenten abhängige Frau und sie weiß, dass die Diamanten von ihrem Mann einer Geliebten geschenkt worden sind. Nur haben die Steine einen Wert von damals 90.000 Dollar, was heute eine knappe Millionen wäre. Die Geliebte ist Paula Norton und gegen eine ansehnliche Belohnung soll Novak die Diamanten zurückholen, während Novak als ehemaliger Polizist weiß, dass ein Eintreffen der Polizei und die Verhaftung der üblichen Verdächtigen seine Pläne über den Haufen werfen könnten.

Von der Personenkonstellation her bietet „House Dick“ nur wenige Überraschungen. Da wäre die naive, aber nicht dumme Paula Norton, deren Mann im Gefängnis sitzt. Kaum droht seine Entlassung, hat sie sich mit Boyd einen neuen, vom Reichtum seiner Frau lebenden Liebhaber genommen, der sie aber angesichts der potentiellen Bedrohung durch ihren Ex- Mann am liebsten wieder loswerden möchte. Damit das Verschenken der Diamanten nicht auffällt, soll ein aufwendiger Versicherungsbetrug inszeniert werden, in dessen Verlauf Paula Nortons Ehemann auch kassieren möchte.  Mit sichtlichem Vergnügen etabliert Hunt das Szenario und ist sich nicht zu schade, die einzelnen Klischees wirklich nachhaltig abzuarbeiten.  Vielleicht will er den Leser auf falsche Spuren setzen, aber im ersten Drittel des Buches verläuft der Plot allerdings auch mit inhaltlichen Wiederholungen – den Hinweis auf die 1000 Dollar Belohnung kann niemand mehr wirklich lesen – ausgesprochen stringent und die Versatzstücke inklusiv des einzigen in Frage kommenden Täters fallen sehr schnell ineinander.

Erst nachdem auch die Geduld des Lesers deutlich strapaziert worden ist, erweitert E. Howard Hunt das Szenario nicht etwa folgerichtig um weitere Protagonisten oder andere Ansätze, sondern führt immer wieder eine weitere Ebene ein, um den Leser zu verwirren und Novak förmlich in die Mauern seiner Ermittlungen laufen zu lassen. Dabei hält der Autor positiv für den ganzen Roman die roten Fäden in der Hand. Ohne das Tempo mehr zu verschleppen, allerdings auch ohne die Ambition, es wie an einigen Stellen notwendig deutlich zu erhöhen, bleibt er fast stoisch bei seiner Struktur. Insbesondere im Vergleich zu einigen anderen Krimis, in denen die Auflösung überhastet und stark konstruiert erscheint, umschifft der Autor mit dieser statischen Vorgehensweise eine Reihe von Klippen. Zusätzlich kann er aus dem kleinen, dem Leser vertrauten Personenkreis schöpfen und gleichzeitig eine konsequente, aber auch überraschende Auflösung präsentieren.

In einem im Vergleich zu anderen Hardboiled Krimis an einigen Stellen eher mühsam wie distanziert zu lesenden Stil führt der Autor mit Pete Novak einen interessanten Antagonisten ein, der vielleicht weitere Romane verdient hätte.  Er ist ein einsamer Hoteldetektiv, der keiner verflossenen Beziehung nachweint. Lange Jahre hat er als Polizist eher mäßig erfolgreich gearbeitet, sich aber seine Instinkte erhalten. Er ist noch kein richtiger Alkoholiker, aber die Sehnsucht nach der Flasche ist spürbar. Ganz bewusst hält er sich von den illustren Hotelgästen fern und dominiert, wenn nicht sogar demontiert diese. Er ist kein Sadist, aber zumindest ein Mann, der in einer beruflichen Sackgasse sein Bestes geben will. Auf der anderen Seite ist er weiterhin Ermittler genug, um zur Wiederbeschaffung der Diamanten 1000 Dollar anzunehmen, obwohl er  wie der eigentliche Eigentümer weiß, wie die Diamanten im Hotel sich befinden. Novak ist ein oberflächlicher Zyniker, der in der hier präsentierten Charakterisierung, eben nicht über die Schwachstellen eines Marlowe – vor allem wie von Bogart gespielt – oder eine Sam Spades verfügt. Das macht ihn zu keiner sympathischen Hauptfigur und diese Eiseskälte durchdringt im Grunde den ganzen Roman.

Um Pete Novak herum hat der Autor allerdings eher schwächere, teilweise klischeehafte Figuren platziert. Der angeblich so ehrlich wie reiche Boyd, der von seiner kranken Frau ausgehalten wird, hat nur einen sehr kurzen Auftritt. Seine arrogante, vielleicht nicht einmal wirklich kranke Ehefrau  erfüllt ebenfalls alle Klischees. Auf der einen Seite nimmt sie Tabletten, auf der anderen Seite weiß sie, dass ihr Mann versucht, an ihr Vermögen zu kommen. Selbst das Verschenken der Diamanten an die Gespielin ist ihr dank eines beauftragten Detektivs nicht entgangen. Warum sie allerdings gewartet hat, bis Boyd und Paula Norton den Versicherungsbetrug im Hotel perfekt machen, bleibt ein Rätsel. Auch wird nicht geklärt, wie Boyd theoretisch erst einmal das Geld von der Versicherung quasi vorstreckt, das er beim Auftauchen der Diamanten ja an die Versicherung und nicht an seine Geliebte und deren „Mann“ hätte zahlen müssen.  Irgendwann im Verlaufe der Handlung hat sich der Wert dieser gestohlen/ verschenkten/ verschwundenen/ verliehenen Diamanten quasi verdreifacht,  bevor es im letzten Abschnitt um das Aufknoten der Rätsel geht.

Von der Komplexität steht vielleicht noch Paula Norton Novak in nichts nach. Auf der einen Seite jung, attraktiv, in ihrer ersten Beziehung auch ein wenig naiv ist sie inzwischen geschäftstüchtig und versucht beide Seiten der Medaille zu spielen. Das dieser Plan scheitern muss, steht außer Frage, aber zumindest erfüllt sie nicht zu Beginn alle körperlichen Erfordernisse einer Femme Fatale, sondern hat eigene Pläne, mit denen sich Novak auseinandersetzen muss.

Zusammengefasst liest sich „House Dick“ nicht zuletzt aufgrund von Howard Hunts nicht einfachen, zu viele Informationen zu kompakt präsentierenden Stil nicht unbedingt einfach. Wie schon angesprochen sollte sich der Leser nicht von den zahlreichen Klischees zu Beginn täuschen lassen. Die Handlung entwickelt sich solide und Hunt kennt sich in Washington ausreichend aus, um einige kleinere Abrechnungen in den laufenden Plot einbauen zu können. Spannung wird weniger durch die klassische Suche nach dem Täter erzeugt, sondern durch das Zusammenspiel der unterschiedlichen, anfänglich allerdings noch eindimensionalen, durch die Bank nicht sympathischen Figuren.  Auch wenn die Laufbahn und schließlich die Verwicklung in verschiedene amerikanische Affären von Weltruf Hunts literarisches Werk überschattet, ist „House Dick“ von einem „Profi“ geschrieben worden und das Buch unterhält kurzweilig auf ansprechendem Niveau.       

      

 

April 2009
ISBN: 978-0857683687
Cover art by Glen Orbik

208 Seiten

Hard Case Crime, Taschenbuch

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