Earth vs. Sci- Fi Makers

Tom Weaver

Der Titel seiner Interviewsammlung “Earth vs. Sci- Fi Filmmakers“ ist nicht schlecht gewählt. Neben einigen Produzenten kommen Drehbuchautor wie Ken Kolb zu Wort, der neben Folgen der Kultserie „The Wild Wild West“ auch die siebente Reise Sindbads drehbuchtechnisch begleitet hat. Natürlich handelt es sich nicht immer um Science Fiction Filmemacher, aber sie haben alle im phantastischen Genre gearbeitet. Nicht immer steht der Interviewte im Mittelpunkt der Sammlung, wie das Gespräch mit Robert L. Lippert über Lon Chaney jr zeigt. Aber mit dieser Vorgehensweise schließt Tom Weaver auch filmgeschichtliche Lücken und präsentiert eine subjektive Perspektive auf den Mann, der zu lange im überlangen Schatten seines filmtechnisch dominierenden Vaters gestanden hat.

 Nicht alle Interviews dieser Sammlung stammen von Tom Weaver. Es handelt sich nicht einmal immer um klassische Interviews. Trotzdem gehört zu den Höhepunkten der Sammlung das „Gespräch“ mit Merian C. Cooper, der anlässlich der privaten Vorführung seines Meisterwerks „King Kong“ in den sechziger Jahre an der sehr langen Leine geführt über seine verschiedenen, sehr erfolgreichen Karrieren vom Filmemacher bis zum Paradeoffizier sprach. Nicht der einzige Filmschaffende, der später in der amerikanischen Armee Karriere machte. Auch der „Son of Frankenstein“ Donnie Dunagan hat dieses Kunststück geschafft. Cooper ist sich seiner Erfolge bewusst, rückt sie ins rechte Rampenlicht, vergisst aber positiv auch nicht seine Kollegen wie Schoedeck oder Willie O´Brien, ohne die Filme wie „Grass“, „Chang“ oder „King Kong“ entstanden wären. Es ist aufgrund der Aufzeichnung das lebhafteste, vielleicht auch am meisten positiv improvisierte Gespräch dieser Sammlung, das mehr den Charakter der Person als dessen Taten zeigt. Ebenfalls selten ist das Gespräch zwischen Tom Weaver und Alex Gordon kurz vor dessen Tod. Beginnend mit seiner Produzentenkarriere geht Weaver in erster Linie auf dessen ersten Science Fiction Film „The Day the World ended“ ausführlich mit vielen Anekdoten ein. Bedenkt man, wie viele Geschichten Alex Gordon erzählen könnte und teilweise in seinen Essays im „Fangoria“ Magazin auch erzählt hat, wirkt das ebenfalls bei „Fangoria“ veröffentlichte Interview unvollständig. Natürlich liegt der Fokus auf „The Day the World ended“, aber die lange aus gezielten Fragen bestehende Einführung zu den ersten Tagen bzw. auch dem ersten Jahr von „American International Pictures“ deuten auf einen Umfang hin, der ohne Frage nicht nur das Magazin, sondern auch den Rahmen dieses Buches gesprengt hätte. So vermisst der Leser Alex Gordon auch ein wenig selbstverliebte Plauderein zu seinen anderen Filmen und muss sich mit den seltenen Fotos begnügen, die nicht nur diesen Artikel herausragend begleiten. Es ist aber das erste von insgesamt sieben Interviews – wobei das Gespräch mit Frankie Thomas schon in einer anderen Tom Weaver Sammlung thematisch besser platziert veröffentlicht worden ist -, die sich nicht mit Karrieren, sondern einzelnen Filmen beschäftigen. Dabei ragen Gary Grays Erinnerungen an „The next Voice you hear“ heraus. Ein Botschaftsfilm von William A. Wellmann, der inzwischen von Warner wieder auf DVD on Demand zu erhalten ist und sich intensiv mit dem Einfluss Gottes in einer schwindenden Zeit auseinandersetzt. Es ist diese verführerische Kombination aus Erinnerungen und Filmen, die insbesondere jüngere Generation wieder entdecken können, sollten und müssen, die den Reiz der Interviewsammlungen ausmacht. „The next Voice you hear“ ist nur der erste einer Handvoll von Filmen, die am Ende des Buches zu mancher Sammlung hinzugefügt werden. Bei „Chamber of Horror“ erfährt der Leser dank Stephen Kandel, wie aus einem überdurchschnittlichen Pilotfilm einer nicht realisierten Fernsehserie schließlich ein bizarrer Horrorstreifen fürs Kino geworden ist, der heute leider auf DVD wie einige andere hier besprochene Produktionen nur verhältnismäßig teuer zu erwerben ist.  Es geht Weaver aber nicht nur um billige Science Fiction oder Horrorfilme. Das Interview mit dem Maskenmann Jan Merlin schaut hinter die Kulissen des John Huston Streifens „The List of Adrian Messenger“ und zeigt überdeutlich auf, wie wenig Anteil die Stars wie Kirk Douglas an diesem sehenswerten Kuriosum der Filmgeschichte hatten. Bizarr wird es, wenn Burt Topper berichtet, wie man gegen die Nachrichten um den „Boston Strangler“ einen Film namens „The Strangler“ produzierte. Immer in der Hoffnung, dass der Täter nicht vor der Filmpremiere gefasst wird, aber auch in der Angst, dass nicht weitere unschuldige Opfer zu beklagen wären. Übergreifend sind die Gespräche mit Drehbuchautor und Produzent Stanley Rubin  über „The Whip Hand“, den Howard Hughes von einem Nazidrama zu einem antikommunistischen Manifest umgeschrieben hat, während der durch seine Disney Filme bekannt gewordene Schauspieler Elliot Reid auf die Dreharbeiten an dieser heute nur noch verstümmelt und inhaltlich entstellt zu sehenden Produktion eingegangen ist. Beide Gespräche zusammen beleuchten unterschiedliche Facetten insbesondere dieser B- Produktion, die einen zynischen Einblick in die RKO- Zeit gibt.    

 Aus alphabetischer von Tom Weaver bei der Zusammenstellung der Sammlung bevorzugter Sicht zeigen die ersten beiden Interviews, wie unterschiedlich Gespräche ablaufen können. Beide Interviews sind nett und informativ, aber Gary „How to Make a Monster“ Clarke zieht den Leser mit seinen ausführlichen Antworten und seiner Mischung aus jugendlicher Arroganz aus weisem Alter betrachtend sowie Respekt vor dem Job in seinen Bann. Er berichtet von den Schwierigkeit, erst Schauspieler und dann wie bei „Get Smart“ auch Drehbuchautor zu sein. Gene „War of the Worlds“ Barry hatte das Glück oder Pech, nur in einer Handvoll aufregender Filme mitzuspielen. Beide Schauspieler haben sich später eine ertragreiche Nische im Fernsehen gesucht gefunden. Trotzdem wirken Barry sehr kurze, oberflächliche Antworten weniger einladend als Clarkes vor Anekdoten übersprühende Statements, in denen er Tom Weavers wie immer gut recherchierte Fragen als Ausgangspunkt nimmt und dann einen eigenen roten Faden webt.  Da der Themenschwerpunkt von interessanten monströsen Titelbild an auf den alten A.I.P. Monsterfilmen der fünfziger Jahre liegt, offenbart der Teenage Frankenstein Gary Conway einen etwas anderen Blick nicht nur auf diese Filme, sondern den Transfer von Michael „Teenage Werwolf“ Landon auf Gary Clarke. Während dieser sich Landon in der Quasifortsetzung ähnlich fand, sah das Landon nicht so.

Zwei weitere Themenschwerpunkte finden sich eher zufällig in dieser Sammlung. Auffällig sind die Unterschiede zwischen den Interviews für Genre Publikationen wie „Starlog“ oder „Fangoria“ und auf der anderen Seite Magazinen wie „Classics Images“, in denen im Falle von Robert Dix die Karrieren von Vater und Sohn beleuchtet werden. Dix ist ein solider, sehr sachlicher Erzähler, dessen Bedauern in der Tatsache erkennbar ist, dass er nie mit seinem erfolgreichen Vater vor der Kamera stehen durfte. Von seinem Start bei MGM mit „Forbidden Planet“ über die Al Adamson B Filme bis zum religiösen Fernsehen – ein Thema, das Weaver geschickt umschifft, obwohl er die Leser selbst darauf hinweist – eine Karriere mit vielen Höhen und Tiefen, die aber nicht ausgereicht hat, um davon zu leben. Das genaue Gegenteil ist Donnie Dunagan. Jahrelang ist der kleine Junge aus „Son of Frankenstein“ förmlich von der Bildfläche verschwunden gewesen, bis er durch Zufall gefunden trotz seiner damals vier Jahre ein umfassendes Bild der Dreharbeiten an diesem unterschätzten Horrorklassiker abgeliefert hat. Dazu kommen Anekdoten hinsichtlich seiner Begegnungen mit Walt Disney – er hat an „Bambi“ mitgearbeitet – oder die Arbeit an „Tower of London“, wobei seine Szenen meistens der Schere zum Opfer gefallen sind. Wie Dix ist Dunagan aufgeschlossen und bereit, Fragen ausführlich zu beantworten, wenn ein Gesprächspartner wie Tom Weaver sich auch für das Thema interessiert und bereit ist, sich intensiver mit dem Menschen hinter der Karriere zu beschäftigen. Eine kritische Distanz ist dabei hilfreicher als die hemmungslose Fanbewunderung oder der Hang der Uneingeweihten, nur noch Größen wie John Wayne zu fragen. Das Donnie Dunagan Interview ist auch einer der wenigen Texte dieser Sammlung, der ungekürzt und unbearbeitet im „Video Watchdog“ vor einigen Jahren erschienen ist und das Interesse an Dunagan wieder erweckt hat. Während Donnie Dunagans Karriere sich in wenigen jugendlichen Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg abspielte, gehört Arch „the Sadist“ Hall jr. die frühen sechziger. In einer Handvoll Produktionen seines Vaters trat Hall jr. auf und überzeugte in „The Sadist“. Unabhängig von der künstlerischen statt rein billig kommerziellen Qualität einiger Filme, dem schockierenden Exploitationgehalt und den exzentrischen Ideen ist es gleichzeitig die Geschichte seines Vaters Hall sr., der als Cowboydarsteller nie über die dritte statt der zweiten Reihe herausgekommen ist. Dessen Filme wahrscheinlich in den Drive- In Kinos riesige Erfolge gewesen sind, von denen er durch die Verleiher wenige Dollar zurückerhalten hat. Auch wenn Arch Hall seinen Vater offensichtlich verehrt und nach dem Ende seiner Produktionsfirma Pilot geworden ist, lassen auch die Zwischentöne erkennen, dass sein Vater an seinem fehlenden Geschäftsinn gescheitert und dem Alkohol in wichtigen Momenten zu wohl gesonnen gewesen ist. Ausführlich – die Vorlage erschien in zwei aufeinander folgenden „Fangoria“ Ausgaben ein vielschichtiges, ausführliches Portrait eines kurzzeitigen Stars, seines präsenten Vaters und gleichzeitig ein Einblick in das Schicksal vieler hoffnungsvoller unabhängiger Filmemacher.    

 Ein weiterer Themenschwerpunkt ist die kontinuierliche Auseinandersetzung mit Kino/ Fernsehen, aber auch „Schund“ und „Kunst“. Am Peter Graves Interview lässt sich das sehr gut erkennen. Weaver und Graves wundern sich, dass die Monsterfilme zu Beginn seiner Karriere den meisten Menschen besser in Erinnerung sind als die großen, inhaltlich wichtigen Produktionen. Dazu kommt seine Rolle in „Mission Impossible“, die ihn zu einer Figur des öffentlichen Lebens gemacht hat. Wie sein Bruder James „Gunsmoke“ Arness versucht er den Ruhm und das Geld einer Fernsehserie realistischer einzuschätzen als seine Kollegen, die das Geld liebten und die Einengung ihrer Karrieren hassten. Er plaudert mit Respekt über die Monsterfilme zu Beginn seiner Karriere und fügt sehr viele Informationen zu Weavers umfassenden Bemerkungen hinzu.      

 Nicht selten sind es die kleinen Episoden, welche die Aufmerksamkeit des Lesers länger halten als viele andere lange Diskussionen über den Inhalt oder die Dreharbeiten der Filme. Carolyn Kearney kann im Kino nur „The Thing that wouldn´t die“ für sich verbuchen. Im Fernsehen arbeitet sie allerdings mit Rod Serling, Alfred Hitchcock und auch Boris Karloff persönlich zusammen. Ein Hattrick, der nur selten in der anderen Geschichte Hollywoods vorgekommen ist.  Das mit Mary Mitchel – Jack Hill, Ray Milland, Francis Ford Coppola und schließlich Joe Dante – noch einen drauf setzt und wie Carolyn Kearney diese „wilde“ Zeit ausgesprochen lebendig wieder erstehen lässt, ist eine Zugabe zu einem der besten Interviewbände, die Tom Weaver in seiner langen Karriere produziert hat.

Print ISBN: 978-0-7864-9572-6
Ebook ISBN: 978-0-7864-8217-7
163 photos, index
396pp. softcover (7 x 10) 2014 [2005]

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