Nichts Neues von Gurb

Eduardo Mendoza

Im Rahmen der Hobbit presse veröffentlicht der Klett Cotta Verlag mit dem Kurzroman „Nichts Neues von Gurb“ eine parodistische Farce wenig auf das Science Fiction Genre, sondern eher das aus Sicht des Autoren Eduardo Mendoza auch chaotisch verlaufende spanische Alltagsleben.

 Der 1943 in Barcelona –  der Roman spielt in seiner Heimatstadt – geborene Eduardo Mendoza i Garriga ist weniger ein katalanischer, mehr ein spanischer Schriftsteller, der nach einem Studium der Rechtswissenschaften und einem Aufenthalt in New York als Dolmetscher an der UNO zwischen 1973 und 1982 vor allem als Romanautor auf sich aufmerksam gemacht hat. Einige seiner Werke beginnend mit dem Debüt „Die Wahrheit über den Fall Savolta“ sind ins Deutsche übersetzt worden. In seinem umfangreichen Werk setzte er sich mit dem langen Schatten der Franco Diktatur auseinander, aber die postmoderne Entwicklung des spanischen Historienromans ist ebenfalls mit seinem Einfluss verbunden. Mit dem Premio Cervantes erhielt Eduardo Mendoza die wichtigste Auszeichnung für Schriftsteller der spanischsprachigen Welt.

 „Nichts Neues von Gurb“ ist eine Art Tagebuchroman. Zwei Außerirdische landen auf der Erde, um die dortige Zivilisation zu untersuchen. Ihre Gestalt ist eher ambivalent, sie können sich anscheinend wie ein Chamäleon verwandeln, auch wenn diese Art der Verwandlung unabhängig vom gewählten Geschlecht teilweise groteske Züge annimmt.

 Der Techniker verschwindet. Als Frau verkleidet hält er einen Wagen mit einem älteren Herren an und ward nicht mehr gesehen. Der Kommandant wartet auf Nachrichten seines Technikers Gub und notiert in seinem Tagebuch mit Datum und genauer Uhrzeit, dass es „Nichts Neues von Gub“ gibt. Da das Raumschiff beschädigt worden ist und die Kommandanten von Technik keine Ahnung haben, bleibt ihm nichts Anderes übrig, als Gub zu suchen. Die Geschichte spielt teilweise in Barcelona des Jahres 1982, am Vorabend der olympischen Spiele. Ohne einen genaueren Hinweis dank des Klappentextes könnte ein Leser nur bedingt auf dieses Ereignis stoßen. Zwar gibt es eine Reihe von Bauarbeiten und fast alle Museen sind wegen schlecht koordinierter Sanierungsmaßnahmen geschlossen, ansonsten präsentiert sich Barcelona nicht unbedingt olympisch. Ohne anders herum formuliert: die Spanier gehen ihrem alltäglichen, chaotischen Lebenslauf weiterhin ungestört nach.

 Der Kommandant notiert sich alle Ereignisse in seinem wahrscheinlich digitalen Tagebuch. Dabei reicht das Spektrum von kryptischen Bemerkungen und dem schon angesprochenen Hinweis, das es „Nichts Neues von Gurb“ gibt bis zu genauen Beobachtungen der Menschen, Hinweisen auf deren „Dummheit“ oder Absonderlichkeiten wie das Vermehren von Geld auf einem frisch eingerichteten Bankkonto, in dem man einfach eine Vielzahl von Nullen an die Einzahlung von 25 Peseten drang hängt. Niemand scheint es zu merken.

 Die Form der Tagebucherzählung wirkt auf den ersten Blick distanzierend. Viele Autoren, welche diese Form der Niederschrift gewählt haben, wichen durch lange, persönlich eingefärbte Passagen von der Statik der Texte ab und fügten persönliche Gedanken hinzu. Ein reines Tagebuch als Erzählform fordert nicht nur die Aufmerksamkeit der Leser, sondern auch deren Geduld. „Nichts Neues von Gurb“ schwankt zwischen den beiden Extremen.

 Die Tagebucheinträge sind teilweise unglaublich kurz und auf den ersten Blick nichtssagend. Der Kommandant beobachtet seine Umgebung, verwandelt sich in Menschen und versucht mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Der Anhang des kurzen Romans verfügt über mehrere Seiten mit Erklärungen für die nicht spanischen Leser. Bei einer genauen Betrachtung lassen sich einige, aber nicht alle Seitenhiebe erkennen. Lustig werden die Einträge ab dem Augenblick, in dem der Kommandant teilweise aus gutem Grund zu nerven beginnt. Aus einem belanglosen Anruf werden drei oder vier innerhalb weniger Minuten. Jedes Mal wird eine neue Frage gestellt, bis die Angerufenen genervt auflegen. Bei seiner attraktiven Nachbarin beginnt er sich an einem Abend alltägliche Nahrungsmittel ohne System und Sinn zu leihen, bis sie ihm schließlich genervt 2000 Peseten leiht. Auch die örtliche Polizei lernt der Fremde mehrmals kennen. Nach Anzeigen wegen angeblichen Betrug, nach einer durchgezechten Nacht oder schließlich nach einer Randale auf der Straße. Allerdings können die örtlichen Behörden mit ihm auch nicht viel anfangen und setzen ihn wieder auf die Straße. Diese Sequenzen sind wegen ihrer Anlehnung an die amerikanische Screwball Komödie sicherlich lustig, aber sie finden sich zu selten im Text.

 Für Spanier interessanter als für die Europäer ist das Herumirren in Barcelona. Die zahlreichen Seitenhiebe auf das chaotische Verkehrssystem ; die Unmöglichkeit, innerhalb einer bestimmten Zeit den entsprechenden Ort zu erreichen oder die Schönheit der klassischen Architektur im direkten Vergleich zu den modernen Bausünden werden Einheimische mehr amüsieren als Europäer oder vielleicht die Deutschen. Aber sie nehmen schon einen beträchtlichen Teil der Geschichte ein und der Leser sollte sie akzeptieren.

 In Bezug auf die Mitmenschen funktioniert die Geschichte auf zwei Ebenen. Der Kommandant und auch sein Techniker Gurb – dessen Auftritte sind zu sporadisch und wirken angesichts des Gesamtumfangs fast verschenkt – sind den Menschen intellektuell überlegen und gleichzeitig emotional unterlegen. Die Suche nach einem Freund und später einer Freud erreicht absurde Züge. Gurb hat es sich da deutlich leichter gemacht. Die Pointe soll nicht verraten werden, aber auf der Sonnenseite des menschlichen Lebens mit zahlreichen Geschenken lebt es sich leichter. Fredric Brown hat in einem seiner wenigen Roman „Die grünen Teufel vom Mars“ genau wie Jack Williamson in den beiden „Wing 4“ Romanen die Geister beschrieben, welche die Menschen nicht gerufen haben. Vordergründig anarchistisch egoistisch oder hilfsbereit bis zur Isolation des betreffenden Zielobjekts. Mit ihrer jeweiligen Vorgehensweise haben sie den Menschen den letzten Nerv geraubt. Auch der Kommandant geht teilweise so vor. Das Chaos ist nicht absichtlich, die wenigen Stunden als Aushilfe im Cafe von Freunden führen natürlich ins Desaster, da ihm der Inhaber alles gezeigt hat... bis auf das Bedienen eines Wasserhahns. Aber Eduardo Mendoza spielt diese kleinen anarchistischen Handlungsbögen nicht zufrieden stellend aus und die Tagebucheinträge mit dem überforderten, im Gegensatz zu den Leser auch unwissenden Kommandanten enden zu schnell im Nichts. Hier wird genau wie bei den absurden Bestellungen nach einer durchzechten Nacht auf der einen Seite parodistisch übertrieben, auf der anderen Seite aber auch nicht die notwendige Balance gefunden, um das angerichtete Chaos auf die Leser nachhaltig wirken zu lassen. Von den Tonnen von Churros gar nicht zu sprechen, von denen sich nicht nur der Kommandant, sondern auch sein Techniker ernähren.

 Die Struktur der Geschichte lässt es ohne großen Einschränkungen nicht zu, das Tempo und damit auch die Perspektive zu wechseln. Die Alternative wäre, die witzigen Passagen länger auszuspielen, aber dem Autoren fehlt bei dieser Farce teilweise das Gefühl, das richtige Timing, damit seine überdrehten Szenen im Leser nachhallen. Mit dieser Feststellung soll nicht gesagt werden, das „Nichts Neues von Gurb“ eine gänzlich langweilige Lektüre ist. Wie „Warten auf Godot“ handelt es sich bei der Geschichte um eine bizarre, fast surrealistisch bis groteske Extrapolation einer einzelnen Idee – Außerirdische landen in Barcelona und beginnen Katalonien und seine Menschen zu lieben -, die durch die Tagebuchformat nicht unbedingt glücklich, vor allem nicht wirklich effektiv abgehandelt worden ist. Es sind in diesem sehr kurzen Buch sehr viele lustige Szenen vorhanden, aber Eduardo Mendoza kennt sich mit dem Science Fiction Genre auch zu wenig aus, um eine zufrieden stellende und vor allem auch packende Parodie in der Tradition Fredrich Browns oder Jack Williamson zu schreiben. Wie eingangs erwähnt braucht der Leser die Geduld, welche der Kommandant nicht aufbringen möchte. Der größte Widerspruch in dieser eigenwilligen First Contact Geschichte mit vielen Höhepunkten, aber leider auch einer Reihe von Schwächen.

Nichts Neues von Gurb

  • Herausgeber ‏ : ‎ Klett-Cotta; 1. Auflage 2024 (17. Februar 2024)
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Gebundene Ausgabe ‏ : ‎ 176 Seiten
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 3608987711
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3608987713
  • Originaltitel ‏ : ‎ Sin Noticias de Gurb