The Magazine of Fantasy & Science Fiction Juli/ August 2013

Gordon von Gelder (Hrsg.)

Im Vergleich zur Mai- Juni 2013 Ausgabe des „Magazins of Fantasy & Science Fiction“ ist das Spektrum der Geschichte weniger aus dem Bereich der Science Fiction, sondern als Kontrast märchenhafte Fantasy mit Grundlagen in verschiedenen Legenden und Sagen. Die stilistische Qualität der Geschichten ist erstaunlich hoch und nicht selten sind die Plots bis hin zur Pointe originell strukturiert.

 KJ Kabzas “The Color of Sand” – das Titelbild zu dieser Geschichte stammt von Kent Bash, gibt aber die inhaltliche Magie nicht Zufriedenstellend wieder – eröffnet die Sammlung. Fairday und ihr kleine Sohn Catch ziehen an einen abgelegenen Strand, wo Sandkatzen hausen. Insbesondere Bone lehnt die Eindringlinge in seinem Revier ab. Sie finden einzigartige Steine mit unterschiedlichen Auswirkungen. Kabzas stilistisch überdurchschnittlich erzählte Geschichte driftet mehr und mehr in den Bereich der Märchen ab. Der Leser wird zwar von der Magie eingefangen, aber der Inhalt sollte in längerer Form erzählt werden. So wirken die Übergänge teilweise wie abgeschnitten und die Auflösung zu hektisch.

Fiktive Legenden aus dem hohen Norden schließen sich an. „The Woman Who Married the Snow“ von Ken Altabef ist eine von mehreren Geschichten über die Eskimokultur im Allgemeinen und den Schamanen Ulruk, der ansehen muss, dass die Wiedererweckung eines fünf Jahre im Eis verschollenen Fischers durch den Geist des Schnees Apunisisuuq fatale Folgen haben kann. Auch wenn der Plot sich ein wenig an Stephen Kings „Pet Sematary“ orientiert, überzeugt die Geschichte durch die vielen kleinen Details über die Kultur der Inuit. Sehr viel unterhaltsamer mit einem starken Fantasy- Bezug, der von den verschiedenen Figuren der Nordlandsagen ergänzt wird, ist „Kormak, the Lucky“ von Eleanor Aranson. Eine Sagenvariation von Hans im Glück, denn der alte Knabe von den Norwegern entführte Kormak wird durch die verschiedenen Begegnungen mit den Wikingern, den Elfen, den dunklen Elfen und schließlich den Feen zu einem Mann, der trotz des abschließend erhaltenen Reichtums sein Glück im einfachen Leben gefunden hat. Neben den zahlreichen Sagengestalten, denen Kormak begegnet, lebt die Geschichte vom sympathischen, nicht einfältigen, aber doch einfachen Protagonisten, der mit einer Mischung aus Respekt aber auch stoischer Dickköpfigkeit den exzentrischen Figuren zahlreicher Legenden in konzentrierter Form begegnet.

Harry R. Campion schließt die märchenhafte Fantasy Sektion dieser Ausgabe mit “the Heartsmith´s Daughter“ ab. Ein sterbender Schmied erschaff für seine Frau drei perfekte Tochter. Einer hat ein Herz aus Eisen, um die Mutter zu schützen; einer hat ein Herz aus Kupfer, um das Geschäft fortzuführen und die dritte natürlich aus Geld, um der Familie Liebe und Wärme zu schenken. Als Diebe nach dem Goldherzen greifen, bleibt den anderen beiden Töchter nur übrig, Rache zu nehmen. Mit warmherzigen, gut gezeichneten Bildern entwirft der Autor sein modernes und doch archaisches Märchen, dessen Handlungsverlauf allerdings als einzige wirklich Schwäche trotz aller erzähltechnischer Brillanz vorhersehbar ist.

 "Oh Give Me a Home" aus der Feder Adam Rakunas ist ein Debüt. Der Farmer aus Überzeugung Brewster Carlston Highley züchtet Mini Bisons, mit denen er den Landwirtschaftskonglomeraten wegen der gesunden Aufzucht das Fürchten lehrt. In typisch amerikanischer Manier wehrt sich der Gallier gegen die übermächtigen Anwälte des Konzerns und findet eine für den Leser überraschende, aber nicht unbedingt originelle Lösung. Trotz der Dichte des Textes sind die einzelnen Charaktere mit sehr viel Liebe zum Detail gezeichnet worden und mit dem richtigen Gespür für Tempo und Ironie unterhalt Adam Rakunas ausgesprochen gut. Es ist eine von mehreren Science Fiction Geschichten dieser Ausgabe. Thematisch setzt die von Ken Liu übersetzte Story „The Year of the Rat“ aus der Feder Chen Qiufan die Idee der genetischen Manipulation der Tierwelt fort. Wer in einem futuristischen China keinen Job findet, kann sich der Pestkontrolle anschließen, welche die im Überfluss vorhandenen genetisch manipulierten Neo- Rats jagen. Während die Bilder nicht unbedingt abstoßend, aber zumindest einprägsam sind, leidet der Handlungsbogen unter dem zu schnellen, zu schlichten, wenn auch subversiven Abschluss. Oliver Buckrams Titel "Half a Conversation, Overheard While Inside an Enormous Slug" fast länger ist als die eigentliche Geschichte. Mit sehr viel Selbstironie und einem Hang zur Parodie auf die zahllosen Invasionsgeschichten erzählt eine außerirdische Schnecke, wie ihr Herr und Meister Lord Ash ermordet worden ist. Der Erzähler befindet sich im Inneren dieser Lebensform. Auch wenn diese ungewöhnliche Zeugenaussage nicht zur Aufklärung des Verbrechens beiträgt, ist der Text kurzweilig und originell geschrieben. Das Schicksal der Teetasse wird dem Leser sehr lange im Gedächtnis bleiben. 

Die dritte Science Fiction Geschichte der Sammlung „The Nambu Egg“ von Tim Sullivan besteht fats ausschließlich aus Dialogen. Ein Mann namens Adam Naraya will einem der Olligarchen der Erde ein seltenes, aber machtvolles Nambu Ei verkaufen. Allerdings verbirgt sich hinter dieser Mission eine weitere, die perfide über Dialoge allerdings auch vorhersehbar vor dem Leser förmlich aufgeblättert wird. Da die handelnden Protagonisten über das lange Gespräch hinaus kaum definiert worden sind und insbesondere der anfängliche Avatar sich doch gegen alle Logik als das Original entpuppt, ist der Plot nicht gänzlich schlüssig und wird zu sehr von einem nicht unbedingt originellen Gedanken angetrieben.

 „The Miracle Cure“ aus der Feder Harvey Jacobs ist eine Mischung aus semifuturistischer Science Fiction und vielleicht Anklängen in den Horrorbereich, da die Identität des Wunderheilers ein Geheimnis bleibt. Anscheinend werden plötzlich noch vor der Operation in einem Krankenhaus Gallenblasen geheilt und einige dieser Steine verwandeln sich außerhalb des Körpers. Die Begegnung mit dem Wunderheiler findet in einer Art Semirealität statt. Solide geschrieben mit einer kleinen bissigen Pointe entwickelt Harvey Jacobs allerdings seine Prämisse zu oberflächlich, zu wenig nachhaltig.  

Rus Womom beendet diese Ausgabe von „Magazine of Fantasy & Science Fiction“ mit einer Hommage an die Pulpmagazine im Allgemeinen und wahrscheinlich auch Sax Rohmers Arbeiten im Besonderen: „In the Mountains of the Frozen Fire“ ist der Kurztitel, ausgeschrieben heißt das“ "In the Mountains of Frozen Fire by Denis Winslow Mallard Codswallop Bourginon Cushing as recounted by the Official Enigma Club Raconteur, Rus Wornom (Originally published in The Enigma Club All-Adventure Magazine, June, 1919)" . Es beschreibt die Abenteuer des Geheimagenten M4, der allerdings eher wie eine elitäre britische Elite als die Regierung agiert. Er sucht seinen Gegenspieler mit Codename Cobra, während er sich Mongoose nennt. Der biologische Feind der Kobra. Die Verfolgungsjagd wird zu den eisen Höhen der Berge und tief hinein ins Reich der Legenden bis zur finalen, überdrehten und so klischeehaften klassischen Konfrontation mit dem Schurken, der natürlich an seiner eigenen Arroganz scheitern wird. Im überdrehten Stil dieser Ära geschrieben mit einem Hang zum Waffenfetischismus und schließlich auch zu absichtlich rassistischen Anfeindungen wie sie zu dieser Zeit gehören unterhält dieser Text ausgesprochen gut und macht Appetit auf die leider nur fiktive Fortsetzung. Früher hat Philip Jose Farmer ähnliche Romane und Kurzgeschichten geschrieben. Ein größeres Kompliment kann dem Autoren nicht gemacht werden. 

Paul di Filippo macht sich in seinem „Plumage from Pegasus“ Sorgen um die Zukunft des Science Fiction Genres und hat zumindest für einige ältere, auf Tantiemen auf ihrer Backlist angewiesene Kollegen eine Handvoll interessanter Ratschläge bereit, welche die Austauschbarkeit einiger anderer phantastischer Subgenres deutlich unterstreichen. Kathi Maio demontiert Sam Raimis „Oz“ Film und unterstreicht mit ihren drastischen Kommentaren, dass CGI nicht alles ist und nicht alles sein kann. In den Bücherrezensionen konzentriert sich Charles de Lint auf Buchserien und James Sallis auf Kurzgeschichten. James Sallis besitzt das Gespür, auch unbekanntere Neuerscheinungen zu finden und ausführlich vorzustellen, während Charles de Lint teilweise zu oberflächlich bleibt und der Kunst der endlos erscheinenden Fortsetzungen einiger Autoren zu sehr huldigt. Pat Murphy und Paul Doherty setzen sich in ihrem sekundärliterarischen Beitrag noch mit dem Außerirdischen in einem auseinander. Trotz der vordergründigen Ernsthaftigkeit sitzt den beiden Autoren der Schalk im Nacken. Wie Paul di Fillipo präsentieren sie sich dieses Mal im Vergleich zu ihren manchmal sehr abgehobenen Kolumnen in guter Form. 

Zusammengefasst eine überdurchschnittlich gute Ausgabe mit Geschichten, die eine inhaltliche Tiefe in Kombination mit überraschend vielen Themen anbieten. Genretypische Klischees werden insbesondere in den Fantasy- Texten umschifft und widersprechen damit Paul Di Fillipos Kolumne, in der er die Fantasy als Verkaufsschlager ohne inhaltlichen Wert ansieht. Die unterschiedlichen Kulturen – China, die Eskimos und schließlich auch die skandinavischen Legenden -, aus denen die Geschichten kommen, zeigen die Sorgfalt, mit denen Gordon von Geldern diese Ausgabe liebevoll zusammengestellt hat.

 

 

Paperback, 258 Seiten

www.sfsite.com

Erschienen July 2013