Die Legende von König Arthur und den Rittern der Tafelrunde

John Matthews

Im Klett Cotta Verlag ist mit John Matthews „Die Legende von König Arthur und den Rittern der Tafelrunde“ kein weiterer König Arthur Roman erschienen. Das würde dem gewaltigen Werk Unrecht tun. Wie bei Robin Hood ranken sich unzählige Legenden und Geschichten um den tragischen König, der Britannien vereinigte.  John Matthews ist das Kunststück gelungen, Thomas Mallorys im 15. Jahrhundert entstandenes grundlegendes König Arthur Werk „Le Morte  Arthur“ zu ergänzen. Auch diese These hört sich steil an, aber John Matthews ist einer der besten lebenden Historiker und Kenner der König Arthur Sage.

Thomas Malory hat in seiner mehr als eintausend Seiten umfassenden Studie die Geschichten, Balladen und vor allem die Legenden um König Arthur, seine Frau Guinevere, Lancelot und die Ritter der Tafelrunde sowie Merlin aus unzähligen Quellen zusammengefasst und in eine Romanform gegossen.  Thomas Mallory griff dabei auf englische und französische Quellen zurück.  1470 von Thomas Mallory im Gefängnis fertiggestellt, erschien das Buch erst 1485 dank des Verlegers William Caxton, der ebenfalls Änderungen an dem Text vorgenommen hat.

„Le Morte d`Arthur“ gilt als Standardwerk zur König Arthur Forschung und viele moderne Interpretationen basieren auf diesem heute noch lesenswerten Werk. John Matthews hat Thomas Malory als Inspiration genommen. Immer wieder verweist der ungenannte Chronist auch auf den großen Thomas. Aber John Matthews hat im Grunde keine Fortsetzung verfasst, sondern Thomas Mallory Geschichte mit dessen Anfang, Mittelstück und natürlichem tragischem Ende einen Parallel Band hinzugefügt, der weitere bislang unbekannte Texte oder von Malory ignorierte Geschichten zusammengefasst und sie parallel zu den bekannten Ereignissen an Camelot spielen lässt. Mit dieser Vorgeschichte, aber auch einem erweiterten Ende ergänzt John Matthews Thomas Mallorys Werk und kann trotzdem eigenständig gelesen werden. Wer nur ein Buch über König Arthur und die Ritter der Tafelrunde lesen möchte, ist bei „Die Legende von König Arthur und den Rittern der Tafelrunde“ nicht grundsätzlich falsch, aber es fehlen wichtige Teile. John Matthews wiederholt nicht Geschichten aus Thomas Mallorys Werk. Er verweist zwar immer wieder auf den großen Thomas, aber er sucht mit den hier gesammelten Texten nach den Ursprüngen.

Für John Matthews steht zweifelsfrei fest, dass der 1416 geborene Thomas Malory das Buch über König Arthur verfasst hat. Einige Quellen verweisen auf Thomas Mallory von Papworth St. Agnes, der 1425 geboren wurde. Aufgewachsen in Lincolnshire spricht für diese These vor allem der Dialekt dieser Region, der in der ursprünglichen Fassung von „Le Morte D´Arthur“ gefunden worden ist.

John Matthews erzählt begleitet von wunderschönen Illustrationen die Vorgeschichte einer Reihe von bekannten Protagonisten der Legende, bevor er über die bislang nicht erzählten Abenteuer schließlich zu einer weiteren Variation des Todes König Arthurs und damit dem Untergang Camelots kommt.

Thomas Mallory ist in seinem umfangreichen Werk sehr wenig auf die Herkunft der einzelnen Figuren eingegangen. Daher ist es nur konsequent, die Geschichte mit Merlin zu beginnen. Dem weisen Ratgeber, vielleicht auch dem Mann außerhalb von Raum und Zeit, der die Zukunft sehen, aber tragisch nicht beeinflussen kann. Auch Merlin hat nicht nur einen Anfang. Genau wie bei König Arthur – im folgenden Kapitel – oder markanten Figuren wie Sir Lancelot hat die Legende nicht nur eine Quelle, aus der sie gespeist worden ist. John Matthews macht in seinem umfangreichen Vorwort deutlich, dass nicht einmal Thomas Mallory und er zusammen alle einzelnen Geschichten und Legenden in einer lesbaren Form zusammenfassen können. Dazu sind es zu viele. Dazu sind sie zu unterschiedlich. Nicht selten konträr. Aber wenn ein Historiker einen Schritt zurücktritt und versucht, erst einmal einen Überblick über das große Ganze zu bekommen, dann fügen sich die Puzzlestücke erstaunlich gut zusammen und bilden ein komplexes Porträt der einzelnen Figuren.  So ist Merlin von Beginn an ein im Grunde immer alter Mann aus der Zeit gefallen. Dessen absurde Weissagungen bewahrten sich manchmal auf eine tragische Art und Weise, wie der dreifache Tod eines Mannes durch einen Unfall. John  Matthews verweist sogar auf keltische Hinrichtungsarten, in denen Menschen dreifach getötet worden sind. Also rückt Merlins Prophezeiung nicht weit von der damals grausamen Realität ab.

Auch König Arthur, mit seiner kurzen Zeit als Papageien König,  wird wieder auf den Helden Thron gesetzt. In Thomas Mallorys Epos gilt König Arthur zwar als der König, der das Reich einigte und Excalibur aus dem Stein gezogen hat, ansonsten haben vor allem seine tapferen Ritter der Tafelrunde das Land befriedigt. Alle aktiven Handlungen König Arthurs führten in Thomas Mallorys Epos immer mehr in Richtung Abgrund und damit auch dem Ende von Camelot, ausgelöst durch die Liebe zwischen Lancelot und König Arthurs Guinevere. In Thomas Mallorys Vorlage ist König Arthur eher eine charismatische Erscheinung als ein Held, auf der gleichen Stufe wie ein Lancelot. Die frühen Geschichten um den jungen, noch unbekannten König rücken dieses schiefe Bild ein wenig gerade.

Sir Lancelot ist früh der Legende nach seinen Eltern entrissen worden. Die Frau vom See hat ihn in ihrer Jenseitswelt aufgezogen. Die Jenseitswelt durchzieht viele Legenden, wobei sie meistens eher wie ein Paradies erscheinen als die raue Gegenwart der einzelnen Menschen. Aus der Jenseitswelt kommen allerdings auch die übernatürlichen Kreaturen. Lancelot ist in diesem idyllischen Paradies aufgewachsen.  Er ist ein perfekter Krieger, aber zum Beispiel kann er nicht reiten. Interessant an diesem Bild und seiner Herkunft nach der Geburt ist die Tatsache, dass am Ende von John Bormanns schlacht gewaltigen Epos „Excalibur“ ja das Schwert ausgerechnet dieser übernatürlichen Frau übergeben wird, die für das Heranwachsen des größten und berühmtesten Ritters der Tafelrunde verantwortlich ist.  

Die größte Abweichung zwischen Thomas Mallorys König Arthur Saga und verschiedenen anderen Legenden findet sich in der Chronik über Sir Lanval. Sir Lancelot war nicht der Erste. Anscheinend drängte Guinevere den jugendlichen, ein wenig naiven, aber grundehrlichen Lanval, mit ihr ein Verhältnis anzufangen und den König zu betrügen. Empört lehnte Lanval das ab und wurde von Guinevere beim König als Vergewaltiger angeschwärzt. Bemerkenswert ist diese Geschichte in mehrfacher Hinsicht. Die einsame Guinevere sucht trotz ihrer Liebe   zu König Arthur junge Männer für ihre Bettstatt. König Arthur verzeiht ihr die Lügen und vor allem Verleumdungen gegen ein neues Mitglied der Tafelrunde. Daher sollte König Arthur die Geschichte mit Lancelot weniger überraschen oder verletzen. Allerdings verliebten sich Lancelot und Guinevere ineinander, während es bei Sir Lanval nur um die Befriedigung niederer Triebe ging. Nicht zum ersten und auch nicht zum letzten Mal in diesen gesammelten Geschichten. Aber meistens sind es “nur” adlige Frauen, welche bei den Rittern auch körperliche Erfüllung vor der Ehe suchen, während die Töchter vieler hochrangiger Familien sich entweder selbst tapferen Männern auf aussichtslosen Missionen versprechen oder als Dreingabe mit Teilen der Ländereien an Retter des vorhandenen  Reichtums angesehen werden. 

Durch die hier gesammelten Geschichten zieht sich noch ein roter Faden. König Arthur setzte sich erst zum Essen an die Tafel, wenn ein neues Abenteuer erfolgreich bestritten worden ist oder ein Ritter gerade von einer solchen Mission zurückkehrte und frisch erzählen konnte. Das führt zu einigen absurden Exzessen. König Arthur beklagt sich,  das jeder weiß, nur mit einem neuen Abenteuer oder Wunder kann er an seiner Tafel speisen  und angesichts mangelnden erzählerischen Nachschubs springt ein Ritter in voller Rüstung auf sein Pferd und zieht aus, um den intellektuellen Wissensdurst seines Königs zufriedenzustellen. Da die Reisen in dieser Zeit länger dauerten, dürfte König Arthur mehrmals eher mit dem Hungertod an der eigenen Tafel denn von den Schwertern seiner Feinde bedroht worden sein. 

In der hier gesammelten Konzentration wiederholen sich einzelne Aspekte des Rittertums. Es wird gegen Feinde ausgezogen. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um abtrünnige Landesfürsten oder Monster in dunklen Wäldern handelt. Nicht selten wird dem Feind der Schwertarm abgeschlagen, bevor seinem Leben ein Ende gesetzt wird. Die Ritterturniere dienen eher als Spektakel und manch neuer Aspirant für die Tafelrunde muss erst einmal eine ganze Gruppe von etablierten Rittern im übertragenen Sinne grün und blau schlagen, bevor er Platz nehmen kann. 

Die Monstren basieren nicht selten auf Sagen und sind immer eng nicht nur mit den Jenseitswelt, sondern dem Wald und seinen undurchdringlichen Tiefen verbunden. Selbst eine Werwolf Sage - ein Ritter ist verflucht worden - findet sich in den gesammelten Texten. Ein Provokateur, der sich in ein wildes Tier verwandeln und so den König narren kann, reiht sich nahtlos in diese übernatürlichen Begegnungen ein. Die Jenseitswelt bestehend aus Feen - die nicht selten Verwünschungen ausstoßen und Ritter mit Flüchen belegen können - wird seltsam vage beschrieben. In ihr vergeht die Zeit langsamer, wie ein Ritter erkennen muss, der bei seiner wahren Liebe lange Zeit gelebt hat, als er einen besonderen Eber jagte und die Grenze überschritt. Kurzzeitig darf er in seine Welt zurück, aber dort nichts essen oder trinken, sondern würde ihm Böses widerfahren. Diese Ideen finden sich auch in einer Reihe mitteleuropäischer Märchen wieder, so dass sich die Frage unwillkürlich stellt, ob König Arthur und seine Tafelrunde nicht das verbindende - für die Bevölkerung leicht wiederzuerkennen - Elemente  für eine romantisch- romanische Version verschiedener erfundener (Märchen-) Geschichten gewesen ist. Natürlich wird der naive Retter nach dem Genuß von drei Äpfeln im Diesseits gerettet, nachdem der Alterungsprozess eingesetzt hat.  

Die meisten der über mehrere hundert Jahre niedergeschriebenen Legenden um König Arthur folgen bekannten Mustern. Eine der Ritter - John Matthews sammelt nicht nur Episoden aus Sir Lancelots Leben, sondern auch Sir Gawain oder später im Abschnitt mit dem Gral natürlich Parzifal spielen eine Rolle. Bei Thomas Mallory nur als Randbemerkungen wirkende Ritter wie Tyolet, Sir Torec oder den sieben Jahre als Werwolf lebenden Sir Marrok werden ausführlich vorgestellt. Viele Texte folgen dem bekannten Schemata des in die Welt reisenden Ritters, auf der Suche nach Abenteuern. Diese betreffen nicht selten junge Frauen, nicht immer Töchter. Nach erfolgreich bestandenen Abenteuer wird den Rittern die Hand der Frau angeboten, wobei eine eiserne Jungfrau von einem mit einem Flucht beladenen Schwert nächtens bewacht wird. Frauen haben in dieser Zeit keine Rechte, wobei ausgerechnet eine der Legenden - “Die Hochzeit von Sir Gawain und Lady Ragnall" - die Frage klärt, was sich alle Frauen sehnlichst wünschen. Und das ist an erster Stelle eben kein Ritter, nicht mal ein Ehemann. Es ist eine der Sagen, die aus dem Rahmen fallen. Viele der Ritter müssen gegen übernatürliche Kreaturen aus den Jenseitswelt zu Felde ziehen. Betrachtet  man das hier vorliegende Epos, dann beschreiben vor allem die von Thomas Mallory nicht aufgenommenen Texte, teilweise basierend auf keltischen Ursprüngen, diese Auseinandersetzung mit dem Übernatürlichen. Lesenswert, allerdings weniger für eine fortlaufende, sondern eine in Abschnitten mit Unterbrechungen stattfindende Lektüre sind fast alle dieser Episoden. Trotz der bekannten fast stereotypen Muster und einem entweder sehr aktiven, aber auch naiven König Arthur im Mittelpunkt der Rahmenhandlung breitet sich vor dem Leser als Ergänzung von nicht nur Thomas Mallorys “La Morte DÁrthur”, sondern den zahlreichen von John Matthews im Anhang erwähnten Schriften, Balladen und auch romantisch ritterlichen Romanen, die überwiegend zwischen dem 12. und 16. Jahrhundert entstanden sind, ein prachtvolles, aber natürlich auch literarisch verklärtes Bild der Ritterzeit, bzw. vor allem dem weitreichenden Einfluss der Tafelrunde aus. Einige der Texte moralisieren, andere sind mit ein wenig Humor geschrieben. Die arme Bevölkerung wird ausschließlich aus der verklärten Perspektive der Ritter beschrieben, die ihnen bei den nicht alltäglichen Bedrohungen helfen, aber sie ansonsten in ihrer Hungersnot natürlich alleine lassen, während die Adligen scheinbar alltäglich in Saus und Braus leben. Das goldene Camelot ist ein hervorragendes Beispiel mit einem König Arthur, der sich nur nach einem bestandenen oder erzählten Abenteuer an der Tafel mit den Seinen niederlässt und ausführlich speist und sehr viel trinkt. 

John Matthews passt seinen Text den Arbeiten des Meister Mallorys an.  Während der Lektüre hat der Leser das unbestimmte Gefühl, als befände sich der allgegenwärtige Chronist und weniger Erzähler in einem stummen Austausch mit Thomas Mallory und arbeitet quasi parallel zu dessen Epos die Lücken auf und präsentiert sie in einem sehr fließenden, der Zeit angemessenen getragenen, aber nicht gestelzten Stil. Wer sich mit König Arthur und seiner Tafelrunde beschäftigt, kommt an dieser geballten Form bislang teilweise nur den Historikern zugänglichen Texten gar nicht vorbei. Wer abseits der bekannten zahllosen Romane um König Arthur und seine Tafelrunde schmökern möchte, findet als alleinstehende Ergänzung zu Thomas Mallorys ebenfalls heute noch lesenswerten Quellwerk ein Buch, das den Geist dieser Zeit positiv mit jeder Seite, im Grunde mit jeder Zeile und den wunderschönen Illustrationen lebt. Und  mehr kann man nicht verlangen.

Die Legende von König Arthur und den Rittern der Tafelrunde

Verlag Klett  Cotta

gebundene Ausgabe mit farbigen Illustrationen

680 Seiten

ISBN: 978-3-608-98637-2

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