In einer Galaxis, weit, weit entfernt...

Jörg Petersen

Der 1974 in Hamburg geborene Jörg Petersen setzt sich als Mitglied der zweiten Zuschauer Generation – es ist unwahrscheinlich, dass er mit drei bzw. vier Jahren „Star Wars“ im Kino gesehen hat – mit den realkulturellen Hintergründen des Star Wars Phänomens auseinander. Realkulturell ist einer dieser Kunstbegriffe, hinter denen sich wahrscheinlich zwei Komponenten verstecken. Kulturell ist klar erkennbar. Jörg Petersen bringt in seiner Studie hunderte von Beispielen, die George Lucas unmittelbar oder mittelbar beim Entstehen der insgesamt neun Kinofilme beeinflusst haben oder beeinflusst haben könnten.  So erscheint es unwahrscheinlich, dass ausgerechnet die ersten vielleicht einhundert Perry Rhodan Romane, die in den USA erschienen sind, George Lucas inspiriert haben. Entspricht des Todesstern als ultimative Waffe den gigantischen Kugelraumschiffen, die vor allem K.H. Scheer für die deutsch Serie entwickelt hat? Es könnte möglich sein, aber diese Details spart Jörg Petersen aus. Bei einer fiktiven futuristischen Märchen Saga von realen Einflüssen zu sprechen, ist schon schwieriger. Wo ist die schmale Grenze zwischen Fiktion in jeglicher Form- Musik, Buch, Comic oder Film – und der Realität. Vielleicht lässt sich das ehesten festzurren an den Darth Vaders Helm, der den Schutzhelmen der Waffen SS aus dem Zweiten Weltkrieg genau ähnelt wie den Kappen der japanischen Samurai Krieger, wie sie wieder als Schwenk zurück in den Bereich der Kultur vor allem in japanischen Filmen dem westlichen Publikum vorgeführt worden ist.

Genau wie der Begriff der realkulturellen Hintergründe höflich gesprochen schwammig definiert worden ist, erscheint auch das Zielpublikum dieser kleinen, kurzweilig zu lesenden Studie schwer zu definieren. Vor einigen Jahren erschien auch im Heyne Verlag Chris Taylors Studie „Wie Star Wars das Universum eroberte“. In Kombination mit der Dale Pollocks  mehrfach aktualisierter, aber nicht mehr auf dem neuesten Stand befindlicher George Lucas Biographie „Skywalking“ decken  diese beiden Standardwerke im Grunde neunzig Prozent des außerhalb des Nerd Universums wissenswerten ab. Ergänzend sei noch auf die im renommierten „British Film Institute“ veröffentlichte Monographie zu „Star Wars“ von Will Booker verwiesen, in welcher der Autor nicht nur den ersten Film der Serie, sondern die zahllosen Querverweise ausführlich analysierte.

Irgendwo dazwischen drängt sich aber Jörg Petersens Studie mit dem literarischen Überlebenswillen eines Papier Rebellen. Sie offenbart wenig Neues. Sie erweitert  nicht die Grenze der inzwischen fast ermüdenden „Star Wars"-Analyse, aber sie fügt einzelne interessante Komponenten hinzu. Von Jens Balzer bis zum Filmdienst werden deutsche Kritiker zitiert. Diese Auszüge finden sich nicht in den in erster Linie amerikanischen „Must Have“ Sekundärwerken, welche als Einstiegslektüre in eine kritische Hintergrundbetrachtung des „Star Wars“ Universums unumgänglich sind. Während diese Bücher den Leser mit Details förmlich erschlagen und ganz tief in die Vergangenheit nicht nur George Lucas, sondern der einzelnen Filme eintauchen, bleibt Jörg Petersen zusammenfassend kurzweilig oberflächlich. Das ist vor  allem bei der Analyse des ersten „Star Wars“ Film irritierend, denn George Lucas konnte nur zu einem derartig reichen und einflussreichen Mann aufsteigen, weil sein Studio während der Dreharbeiten des ersten „Star Wars“ Films kalte Füße bekommen hat. Die Budgetüberschreitung sollte und wollte George Lucas persönlich decken, damit der Film fertiggestellt werden kann.  Gegen die Übertragung eines wichtigen Teils der Rechte an der „Star Wars“ Serie. Damit ist kein Mythos geboren, sondern eine knallharte wie falsche Entscheidung getroffen worden. Zwei Jahrzehnte später wiederholte sich dieses Szenario, als der Walt Disney Konzern in einer weitreichenden Entscheidung die Rechte an „Star Wars“ für eine Milliardensumme inklusive Aktienoptionen von George Lucas gekauft hat. Mit den Marvel Comics kam eine zweite, relativ günstig erworbene Gelddruckmaschine hinzu.

Kehrt der Leser zum Anspruch zurück, den Jörg Petersen an sein Werk stellt, dann sind diese realen finanziellen Entscheidungen wichtige Eckpfeile in der Entwicklung des „Star Wars“ Universums, denn ohne den Erwerb der Rechte während der Dreharbeiten hätte George Lucas seine Serie nicht in der Form ausbauen können, wie es ihm als Drehbuchautor und Regisseur und Besitzer Stars Wars (inklusive ILM) möglich gewesen wäre.

Alleine auf den gedruckten Text bezogen geht Jörg Petersen auf Nummer sicher. Die Einleitung setzt sich mit der Thematik eines Mythos generell, aber auch der populären Kultur inklusive des George Lucas sehr stark beeinflussenden Buches John Campbells  “Der Heros in tausend Gestalten“ auseinander.  Aber Jörg Petersen schaut noch weiter bis zu den antiken Sagen. Neben Namen Assoziationen verbindet der autor einzelne Aspekte mit Freud -  die Zahl der Werke, die nicht mit Freuds Thesen verglichen werden,ist ironisch gesprochen inzwischen sehr überschaubar - oder dem Oedipuskomplex. An einigen Stellen gehen die Interpretationen recht weit. Beim Fechten bzw. Duellen mit Schwertern ist keine bewusste Entscheidung, die Schwerthand des Gegners mit der Waffe abzutrennen, sondern man will um des eigenen Überlebens den Feind mindestens kampfunfähig machen, notfalls oder absichtlich auch töten. Da macht es wenig Sinn, bei einem rechtshändigen Gegner die linke Hand als Zielobjekt anzuvisieren. Und das bei Star Wars so viele Hände fliegen, ist doch auch der Tradition Hollywoods mit seinen Abenteuerfilmen geschuldet. Egal ob es Piraten oder die freien Männer vom Sherwood Forest gewesen sind. Früher wurde die Waffe des Gegners vom Überhelden aus dessen Hand geschlagen, bei Lucas auch eine gängige Vorgehensweise. Dazu kommt die finale (vorläufige) Ausschaltung des Gegners. Natürlich lässt sich alles in jede Interpretation Schablone pressen, damit ein Text eingängiger erscheint. Aber die Sinnhaftigkeit sollte hinterfragt werden. 

Anschließend setzt sich Jörg Petersen mit den elf Kinofilmen auseinander. Dabei geht der Autor die jeweiligen Aufgaben immer gleich an. Die Entstehung der jeweiligen Episode. Anschließend eine Zusammenfassung des Inhalts und die Rezeption in erster Linie durch Zitate diverser Kritiker. Es folgen die kulturellen Referenzen, aufgeteilt in Quellen der Inspiration und höflich gesprochen des direkten Zitats aus verschiedenen Werken. Dabei gibt Jörg Petersen einen möglichst breiten Überblick bis ins Reich der Spekulation. In der Einleitung wurde schon auf die eher vage Verbindung zwischen George Lucas und den in den USA veröffentlichten Perry Rhodan Romanen hingewiesen.

Andere Arbeiten setzen sich ohne Frage intensiver und detaillierter mit den einzelnen Filmen auseinander.  Die Inhaltszusammenfassungen dienen in erster Linie Nicht Star Wars Nerds als Orientierung.  Bei der Entstehung der jeweiligen Filme räumt der Autor natürlich dem ersten “Star Wars” Film einen sehr breiten Raum ein. Es gibt auch ein zusätzliches Kapitel  zum abgebrochenen Jodorowsky Projekt “Dune” aus Italien, das Einfluss auf George Lucas gehabt haben könnte. Ein großer Konjunktiv, denn während Jodorowsky von Beginn an in einer elitären Kunstwelt schwebte, wollte George Lucas ein gebrauchtes Universum erschaffen. John Carpenters “Dark Star” und Trumbulls “Silent Running” wären hier bessere Inspirationen, zumal beide Filme ja auch tricktechnisch mit minimalen Budgets die richtige Richtung vorgegeben haben. 

Bei den kulturellen Referenzen greift Jörg Petersen anschließend wieder in die Vollen. Enttäuschend ist, dass der Autor zwar einige Kritiker wie Jens Balzer ( er zitiert aus dessen Buch über die 70er Jahre) Rolf Giessen oder  Dietmar Dath neben den bekannteren Filmdiensten zitiert, aber sich mit einer eigenen Positionierung zurückhält. Das lässt diesen Text stellenweise doch ein wenig distanziert erscheinen.  Bis auf einige wenige vor allem europäische Kultur Referenzen finden sich aber keine neuen Aspekte in den entsprechenden Kapiteln.  

Am Ende folgt mit “Spuren im Sand der Popkultur” ein Blick voraus, aber auch zurück. Jörg Petersen geht auf die zahlreichen Merchandising Produkte inklusive der Romane und Comics ein. Natürlich hat “Star Wars” diesem Bereich auf eine neue, kommerzielle Ebene gehoben, die auch heute noch andauert. Aber es ist keine Idee, die von George Lucas für “Star Wars” geboren worden ist. Zahlreiche Produkte zu Fernsehserien und seltener Kinofilmen aus den fünfziger und sechziger Jahren beweisen es. Die einzelnen Spielzeugfirmen haben diese Idee schnell für viele potentielle Blockbuster übernommen. Vielmehr läuft diese Entwicklung parallel zur Entfremdung Hollywoods von seinen kritischen Geistern aus den späten sechziger und frühen siebziger Jahren, die das Kino als die neue Bühne für Sozialkritik annektiert haben. Spätestens mit Steven Spielbergs “Der weiße Hai”, aber auch George Lucas “Star Wars” war die Tür für technisch perfekte, aber inhaltlich auch manchmal mechanisch seelenlose Popcornunterhaltung wieder weit offen. Ein Trend, der bis heute anhält. 

Der Klappentext fasst die Intention dieses kleinen, aber detaillierten Büchleins gut zusammen. Der Autor möchte dem Gesamtkunstwerk - dabei stellt sich die Frage, ob “Star Wars” wirklich Kunst oder grenzenloses Entertainment ist, erstaunlicherweise nicht - nachspüren und hat nicht den Anspruch, ihm - dem Kunstwerk - auf die Schliche zu kommen oder etwas Definitives auszusagen. Diese Ambivalenz zeigt sich in vielen sehr neutral geschriebenen, Fakten zusammenfassenden Passagen, die nur durch wenige,  teilweise leicht kritische, aber niemals begründete Ansichten des Autoren unterbrochen werden.  Jörg Petersen möchte den einen oder anderen Aspekt seiner Konstituierung  erhellen und näher beleuchten.  

“In einer Galaxie - weit, weit entfernt…” gibt in erster Linie Lesern einen Überblick, die vielleicht einige Filme gesehen haben und sich eng inhaltlich zusammengefasst mit dem Phänomen auseinandersetzen, vielleicht auch nur ein wenig mitsprechen wollen. Deren Erwartung wird voll und ganz erfüllt. Wer über mehr als Anfängerkenntnisse im “Star Wars” Universum verfügt, ist mit den beiden eingangs erwähnten Pflichtlektüren besser bedient.

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